Ich hoffe, das ist nicht zu lang (@Admins: feel free to do what you can morally bear).
Jetzt mal nochmal grundsätzlich. Geht es denn bei der Angelegenheit jetzt w-i-r-k-l-i-c-h um eine Argumentation? Ich will mich hiermit über niemanden lustig machen oder mich in ironischen Andeutungen verlaufen. Ich würde mir tatsächlich nicht rausnehmen mich als Hobbyjurist zu bezeichnen (und von der Ethikkommission bin ich auch nicht). Wenn ich allein die jedem Menschen nach Belieben anwendbare Logik spielen lasse, dann komm ich z.B. zu einem Gleichnis - nein, zu zwei.
1.)
2 nach allgemeiner Auffassung "kaum gebildete" kleine Kinder haben Hunger, aber nur 1 Wiener. Evolutionsbedingt fällt ihnen Teilen noch nicht ein. Eines von ihnen wird leer ausgehen. Beide vertreten jeweils ihr Interesse:
"Ich will die Wurscht!"
"Ich will die Wurscht!"
"Nahain!"
"Dohoch!"
"Nahain, ich will die aber!"
"Nahain!"
"Mamaaa!"
Mama übernimmt entweder souverän die Führung hin zum gerechten Teilen oder ist genervt - dann kriegt niemand die Wurst und Mama wirft sie weg. Oder Mama ist bei Onkel Klaus, dann kommts zur Auseinandersetzung und es gewinnt the momentarily fittest. Der andere behält wohl eine winzige emotionale Narbe zurück. Wie im Leben so üblich.
2.)
2 erwachsene Intellektuelle haben Hunger, aber nur 1 Paar... aus aktuellem Anlass mal... Weißwürscht. Aus "prinzipiellen" Gründen besteht nicht die Möglichkeit, sich die Portion zu teilen. Einer von beiden wird leer ausgehen. Beide stürzen sich auf das Interesse des jeweils anderen:
"Du hattest schon eine Portion!"
"Du auch, sogar mehrere!"
"Wenn du von allen Portionen redest, die ich je hatte, dann müssen auch alle deine in Betracht gezogen werden, und dann hattest du wohl mindestens genauso viele wie ich!"
"Und selbst wenn wir über sämtliche Weißwürste dieser Welt reden, du hattest definitiv mehr als ich, das sieht man dir auch an!"
"Na du brauchst offenbar nicht so viele wie ich, da kann ich ja wohl nichts dafür!"
"Auch wenn weniger als du, ab und zu brauch ich welche, versteht sich ja wohl von selbst, und jetzt ist es so weit!"
"Sagst du! Deine letzte Portion liegt aber weit weniger lang zurück als meine!"
"Erstens kannst du das unmöglich wissen und zweitens spielt das überhaupt keine Rolle, ich habe JETZT Hunger!"
"Das spielt aber schon eine Rolle im Sinne der Gerechtigkeit, wenn ich jetzt nämlich auch Hunger habe! Also sind zwei gleichberechtigte Parteien im Spiel!"
"Jetzt hast du plötzlich auch Hunger, so was!"
"Hä? Natürlich, ist doch mein Recht und vollkommen möglich, sogar wenn ich jetzt gerade erst Hunger bekommen sollte!"
"Dann soll jetzt also alles daran liegen, wer den größeren Hunger hat?! Das lässt sich ja wohl schlecht ausdiskutieren!"
"Schon klar, das wird dann wohl bis zur höchsten Instanz ausgefochten und einer wird den Kürzeren ziehen."
"Na, das wird wohl den schwächeren treffen."
"Den mit den schlechteren Argumenten!"
"Ich sehe nicht, dass deine Argumente meine aufwiegen."
"Ich will gar nicht erst darauf eingehen, was du alles nicht siehst, aber genauso wenig wiegen deine Argumente meine auf, wir drehen uns im Kreis."
"Zu Gunsten von einem wird aber letztlich entschieden, und wenn das nicht mittels Argumenten möglich ist, trifft es wohl doch den Schwächeren. Zuletzt steht und fällt wie immer alles mit der Macht der Lobby!"
"Nicht Lobby, aber natürlich spielt die Größe der Interessengemeinschaft eine Rolle! Das nennt sich Demokratie!"
"Abgesehen davon, dass ich mir grad nicht vorstellen kann, wie vielen Leuten es tatsächlich nahe geht, ob du deine Würste bekommst, kann eine solche Interessengemeinschaft durchaus eine Lobby sein und Lobbyismus hat nicht viel mit Demokratie zu tun!"
"Wenn du Allgemeininteresse und Lobbyismus derart bedingungslos gleichsetzt, dann hat das eben schon mit Demokratie zu tun, das so zu sehen ist aber dann dein Problem!"
"Das ist deine Ansicht über meine Sicht der Dinge und natürlich eine für dich recht bequeme, allerdings auch recht unspezifische und naive Argumentation. Apropos, war das nicht, was deinen Worten zu Folge zu nichts führt? Letztlich gibst du damit zu, dass es frei nach Darwin laufen wird!"
"Was anderes hab ich nie behauptet!"
"Ach ja? Wie wärs mit der Demokratie? Wo ist dann die von dir so hoch gepriesene Gerechtigkeit?"
"Darwinismus ist durchaus mit Demokratie vereinbar, schließlich heißt es survival of the fittest, nicht of the strongest (lobby)."
"Natürlich dreht sich die Idee um den am besten Geeigneten, und das ist der mit den besseren Bedingungen. Und für die sorgt die Lobby. Somit landen wir wieder nicht bei der aus deinem Mund immer unglaubwürdigeren Gleichberechtigung respektive Gerechtigkeit."
"Na du willst sie mir doch aberkennen! Wenn du dich ungerecht behandelt fühlst, solltest du was tun, ist ja auch dein gutes Recht!"
"Tun ist schön und gut, wer die schlechteren Karten hat verliert, da kann er noch so engagiert und der andere noch so faul sein. Also ist es eine Frage der Lobby, oder Stärke der Interessengemeinschaft, wenn dir das lieber ist."
"Du verlegst dich da so stark drauf! Man kann auf ganz unterschiedliche Weise punkten, zumal es um Weißwürste geht, nicht etwa um eine Startbahn oder dergleichen!"
"Die Frage ist, ob alle Punkte gleich viel zählen!"
"Selbst wenn nicht, du hast auf ganz unterschiedliche Arten die Möglichkeit, ein gewisses Kapital anzuhäufen. Vielleicht bist du so eingenommen von der Idee des Lobbyismus, dass dir der Blick für andere Mittel fehlt."
"Tja, ein Glück dass du kein anderes Mittel suchen musst, offensichtlich hast du also eine Lobby hinter dir. Wer ist hier also von irgendwas eingenommen?!"
"Ein anderes Mittel wäre zum Beispiel gewesen, rechtzeitig dran zu sein!"
"Was auch immer du unter rechtzeitig dran sein verstehst, ich hab wohl den Punkt verpasst, wie irgendwas, was unter ganz anderen Bedingungen mal hätte sein können, akut nützt!?"
"Naja, da hast du eben Zeit verspielt. Die Weißwürste waren um Viertel nach zehn im Topf. Dass du sie erst um eins essen wolltest, ist sowieso ein kulturelles Vergehen, und außerdem allein dein Problem."
"Tja, um Viertel nach zehn waren die Bedingungen doch tatsächlich andere, da hatte ich nämlich noch gar keinen Hunger! Und wie schwer mein Verbrechen an der Kultur, das du ja übrigens gerade auch begehen willst, sonst würden wir nicht streiten, auch sein mag, weder moralisch, noch juristisch gibt es daran etwas auszusetzen, dass ich vor einem Hunger mal keinen hatte!"
...
Hungrig geht es schließlich zum Prozess und kurz vor Versagen der wichtigsten Körperfunktionen urteilt das höchste irdische Gericht zu Gunsten eines Klägers - Auflagen:
Der Verlierer darf dem Gewinner vorschreiben, in welcher Reihenfolge dieser die Würste zu essen hat.
Dem Verlierer reicht das nicht, er möchte auch die Bestimmungshoheit über sämtliche Beilagen. Er geht in Revision. Es entbrennt eine heftige Debatte darüber, ob Senf und Semmel tatsächlich zu den Beilagen zu zählen sind, schließlich sei Senf wie Soße und die Semmel hätte auch als eigenständiger Happen unabhängig von den Weißwürsten erworben worden sein können.
Die Entscheidung, ob der Sieger Messer und Gabel benutzen, sich mit einem Teelöffel arrangieren oder zutzeln soll wird zudem vertagt.
Der Verlierer darf nicht essen, der Sieger dürfte theoretisch, kann aber nicht, weil nicht klar ist wie. Das Corpus Delicti ist längst ungenießbar. Eine bereits verstorbene Wiesn-Bedienung hat es übrigens vor Jahren entsorgt, was bis dato niemandem aufgefallen ist, und muss nun eine Anklage fürchten. Gott sei Dank, muss hierfür kein irdisches Gericht mehr bemüht werden.
Ich meine nur: Wenn zwei Hunger haben und wessen Ernährungsbedürfnis gestillt wird, wird juristisch ausgefochten, dann wird doch auch nicht ständig versucht, der jeweiligen Gegenseite das Hungergefühl abzuerkennen - ob diese nun lügt oder nicht. Sondern es werden die eigenen Bedürfnisse vorgetragen, nicht die These, dass die Gegenseite keine hat.
Oder?