Spanair-Unfall MD82 EC-HFP 20.08.2008 in MAD

Da es noch Tage bzw. Wochen dauern wird, bis ein erster Zwischenbericht der Untersuchungskomission veröffentlich wird (in dem nur die bis dato bekannten Fakten stehen werden) und der Abschlussbericht üblicherweise erst nach Jahresfrist erscheint, werden in den kommenden Wochen immer wieder neue Theorien von selbsternannten Experten auftauchen.

Was gewesen sein könnte, würde, hätte. Wenn, dann. Blablabla.

Über die Qualität des Luftfahrtjournalismus im allgemeinen hatten wir uns ja schon unterhalten und wenn dann noch ein gewisser Sensations-Faktor hinzukommt, meint auf einmal jeder Schreiberling seine Sicht der Dinge beitragen zu müssen.

Dass jeder Unfall nicht durch DIE URSACHE ausgelöst wird, sonder nur aufgrund einer teilweise langen und absurden Fehlerkette entstehen kann, ist der Öffentlichkeit nur schwer zu vermitteln.

Ebenso die Tatsache dass ein 'normaler' Motorausfall auch ein voll beladenes Flugzeug in Madrid bei 30° und 10 Knoten Rückenwind normalerweise nicht zum Absturz bringen wird.

Die Kollegen waren wahrscheinlich mit einem komplexen Fehlerbild in hochdynamischen Situation konfrontiert, für das es u.U. gar keine 'Musterlösung' oder Checkliste und aus der es u.U. ohne den Vorteil von 'Hindsight' kein Entrinnen gab.

Ich hätte daher eine Bitte: Lassen wir den Unfalluntersuchern die Zeit die Sie brauchen, um die (wahrscheinliche) Ursache dieses tragischen Unfalles zu ermitteln. In der Zwischenzeit fände ich es angbracht, die täglich auftauchenden und teilweise abstrusen theorien (s. den angeblichen Voice-Recordermitschnitt aus Argentinien) nicht auch noch durch Verlinkungen zu 'belohnen'.

Solange keine Fakten veröffentlicht sind, wird alles Geschriebene eines bleiben: Spekulation - von Leuten die zum größten Teil keine Ahnung haben, wovon sie schreiben.

Danke und Gruß, MAX
 
Auf PPRUNE gibt einen Thread zu diesem Thema mit inzwischen über 50 Seiten, wovon 95% absoluter Nonsens im Sinne des oben gesagten sind. Dazwischen befinden sich gut versteckt interessante Details.

So z.B. ein Bild der Reifenspuren neben der RWY:

reifenspurennl4.jpg


Desweiteren einige GoogleEarth Bilder der RWY und Umgebung aus der Vogelperspektive. Ob das Gelände neben einer RWY so aussehen muss, darf man sicher fragen...

Desweiteren gab es gestern eine mehrstündige Pressekonferenz der Untersuchungskommission bei der erste spärliche Fakten genannt wurden. Ein spanischer User hat eine englische Zusammenfassung gepostet.

Das m.M. nach Wichtigste an Fakten daraus:

- Das Flugzeug war kurz airborne und ist wenige Meter neben der Bahn in der Wiese wieder aufgekommen, der Aufschlag erfolgte zuerst mit dem 'Tail'.

- Aufgrund des Verlaufs der Spuren von Haupt- und Bugfahrwerk MUSS zunächst ein sehr grosser, rechter Driftwinkel (Schiebwinkel) vorgelegen haben.

- Die 'Black Boxes' wurden geborgen und sind auswertbar.

Gruß MAX
 

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Zuletzt bearbeitet:
Max Danke für das rauspicken der wesentlichen Informationen.
Ich hab da auch hin und wieder reingeschaut, aber das ganze "Wissen" der sogenannten Experten dort ist einfach uferlos... wobei das immer noch besser ist als das was man in der Presse lesen musste.
 
- Aufgrund des Verlaufs der Spuren von Haupt- und Bugfahrwerk MUSS zunächst ein sehr grosser, rechter Driftwinkel (Schiebwinkel) vorgelegen haben.

Vielen Dank an dich @Max Reverse für die Infos.

Deutet oben zitiertes auf eine stark assymetrische Triebwerksleistung hin, z. B. normaler Schub links und Umkehrschub rechts? Oder gibt es noch andere Mechanismen, die zu so einem Verhalten führen können?
 
Vielen Dank an dich @Max Reverse für die Infos.

Deutet oben zitiertes auf eine stark assymetrische Triebwerksleistung hin, z. B. normaler Schub links und Umkehrschub rechts? Oder gibt es noch andere Mechanismen, die zu so einem Verhalten führen können?

Das geht jetzt wieder in das Feld der Spekulation. Sicherlich bewirkt ein asymetrischer Schub ein entsprechendes Moment, nur ist dieses im Normalfall eben klein genug, um mit dem Rudder gegensteuern zu können. Wenn zB ein Engine kurz vor dem Abheben ausfällt, kann man den Start dennoch durchführen, und das Flugzeug mit entsprechendem Ruddereinsatz auf der Centerline halten, und genauso mit Ruddereinsatz eine Platzrunde fliegen, und anschliessend wieder landen. So ein "one Engine out" ist ein absolutes Standard-Manöver, welches immer und immer wieder geübt wird.
Es gab bei frühen Modellen der B737 auch mal Probleme mit plötzlichen extremen Rudderausschlägen, welche nicht vom Cockpit ausgingen, auch das führt natürlich zu einem Drehmoment, und es sind noch unzählige weitere Kräfte am Werke, welche sich fatal auswirken können, wenn sie nicht so wirken, wie sie sollen.

Darum gilt das von Max zuvor schon gesagte: Lassen wir den Ermittlern die Zeit, die sie benötigen, und dann sehen wir weiter.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn zB ein Engine kurz vor dem Abheben ausfällt, kann man den Start dennoch durchführen, und das Flugzeug mit entsprechendem Ruddereinsatz auf der Centerline halten, und genauso mit Ruddereinsatz eine Platzrunde fliegen, und anschliessend wieder landen.

Zwar etwas offtopic, aber um mal ein Gefühlswert für Ruddereinsatz und Triebwerksausfall zu vermitteln: In einem A330-Simulator durfte ich mal einen Triebwerksausfall kurz vor dem Abheben erleben, da war ein sofortiges VOLLES durchdrücken des Rudders notwendig um die Maschine noch sicher unter Kontrolle zu halten. Beim ersten Versuch habe ich es nur recht zögerlich gemacht, da ging's dann sofort ab in den Acker... Da habe ich dann schon gestaunt, ich hätte ehrlich gesagt nicht gedacht, dass der Drehmoment durch den asymetrischen Schub so groß ist!

Mir ist bewusst, dass ein A330 kein Hecktriebler ist und wohl nur sehr schlecht vergleichbar ist.
 
Zwar etwas offtopic, aber um mal ein Gefühlswert für Ruddereinsatz und Triebwerksausfall zu vermitteln: In einem A330-Simulator durfte ich mal einen Triebwerksausfall kurz vor dem Abheben erleben, da war ein sofortiges VOLLES durchdrücken des Rudders notwendig um die Maschine noch sicher unter Kontrolle zu halten. Beim ersten Versuch habe ich es nur recht zögerlich gemacht, da ging's dann sofort ab in den Acker... Da habe ich dann schon gestaunt, ich hätte ehrlich gesagt nicht gedacht, dass der Drehmoment durch den asymetrischen Schub so groß ist!

Mir ist bewusst, dass ein A330 kein Hecktriebler ist und wohl nur sehr schlecht vergleichbar ist.

Ausserdem ist genau DAS der Grund, warum es zB Typeratings gibt: Man muss eben wissen, wie schnell und wie deutlich man auf diesem oder jenen Flugzeugtyp reagieren muss, um in der Spur zu bleiben. Grosse 2-Strahler wie eben A330 oder B777 erzeugen eben ein entsprechend grosses Moment - weswegen sie aber auch ein entsprechend grosses Rudder haben, um genau das kompensieren zu können.
 
Der vermeintliche Vorteil von 'Hecktrieblern' ist leider auch den Flugzeugbauern bekannt. Daher wird bei solchen Fliegern auch das Seitenruder bzw. die ganze Seitenflosse entsprechend flächenärmer ausgelegt, was zu nahezu unverändertem Bedarf an Steuereingaben um die Hochachse im Falle eines Triebwerksausfalles führt.

Gerade bei den MD-8x/9x kommen dann noch andere Probleme dazu, wie geringe Spurweite, geringe Wingtip-Clearance u.a. so dass dieser Typ obwohl er grundsätzlich sehr gutmütig ist, bei einem Engine Failure unter heavy/hot&high-Bedingungen schon eine 'führende Hand' benötigt. (Aussage eines ex Aero-Lloyd-Kollegen).

Gruß MAX
 
Wenn ich die Meldung richtig verstehe, war einer der Schubumkehrer ausser Betrieb an dem Tag (alternativ es wurde gerade repariert, aber klingt nicht so).

http://www.aero.de/Verunglueckter_Spanair-Jet_flog_drei_Tage_lang_ohne_Umkehrschub_7114.htm

Das würde eine andere Erklärung erlauben, warum ein Schubumkehrer aktiviert wurde. Nämlich der zweite konnte nicht aktiviert werden. Also wahrscheinlich nicht die (direkte) Ursache des Unfalls (obwohl man kann noch spekulieren, was wäre gewesen wenn die 2 funktioniert hätten).

Gruß,
Cirrus
 
Wenn ich die Meldung richtig verstehe, war einer der Schubumkehrer ausser Betrieb an dem Tag (alternativ es wurde gerade repariert, aber klingt nicht so).

http://www.aero.de/Verunglueckter_Spanair-Jet_flog_drei_Tage_lang_ohne_Umkehrschub_7114.htm

Das würde eine andere Erklärung erlauben, warum ein Schubumkehrer aktiviert wurde. Nämlich der zweite konnte nicht aktiviert werden. Also wahrscheinlich nicht die (direkte) Ursache des Unfalls (obwohl man kann noch spekulieren, was wäre gewesen wenn die 2 funktioniert hätten).

Gruß,
Cirrus

Kann es sein, dass die Schubumkehr sogar hier in MUC deaktiviert wurde? Immerhin ging der Flug JK 0124 am 17.08. deutlich verspätet raus.
 
Kann es sein, dass die Schubumkehr sogar hier in MUC deaktiviert wurde? Immerhin ging der Flug JK 0124 am 17.08. deutlich verspätet raus.

glaub ich nicht... Unabhängig davon ist dies ein legitimes procedure according MEL (minimum equipment list) Der Flieger ist dann nur mit einigen Einschränkungen bei Start und Landung unterwegs...
 
Wenn ich die Meldung richtig verstehe, war einer der Schubumkehrer ausser Betrieb an dem Tag (alternativ es wurde gerade repariert, aber klingt nicht so).

http://www.aero.de/Verunglueckter_Spanair-Jet_flog_drei_Tage_lang_ohne_Umkehrschub_7114.htm

Das würde eine andere Erklärung erlauben, warum ein Schubumkehrer aktiviert wurde. Nämlich der zweite konnte nicht aktiviert werden. Also wahrscheinlich nicht die (direkte) Ursache des Unfalls (obwohl man kann noch spekulieren, was wäre gewesen wenn die 2 funktioniert hätten).

Die Wirkung von Reverser wird ziemlich überschätzt. Irgendwo hatten wir mal auch Zahlenwerte vom A320 (vermutlich in den Diskussionen über den TAM-A320 Unfall in Sao Paulo), aber die zusätzliche Bremswirkung lag glaube ich irgendwo im einstelligen %-Bereich.

"Das sind viele Mängel in kurzer Zeit", befand die Zeitung "El Mundo". "Auch wenn sie direkt nichts mit dem Unglück zu tun hatten, scheint sich die Maschine nicht in einem optimalen Zustand befunden zu haben."


Typische subjektive Urteile sogenannter Experten die in der Öffentlichkeit verbreitet werden... :thbdwn:
 
Jein, (ist doch etwa 20% in normalen Bedingungen, oder?), ich meine nur, dass in einer Notsituation, durch die destabilisierende Wirkung (da nur einseitig), die Lage etwas verschlechtert haben könnte. Und etwas mehr Bremsleistung hätte nicht geschadet. Aber klar, normalerweise ist das kein großes Problem und deswegen die 10 Tage um es zu reparieren.
Aber was ich meine, es gab andere Probleme und deswegen musste eine "Vollbremsung" versucht werden. Anders als ein vermutetes plötzliches und falsches Aktivieren (wie auch immer) vom Schubumkehrer, dass zur Katastrophe geführt hätte.
Gruß,
Cirrus
 
Während des Tafeoff-Runs werden, soweit ich weiß, keine mehr Flaps gefahren. Kann es sein, dass man trotz nicht richtig ausgefahrener Flaps im Cockpit die Anzeige kriegt, dass die Flaps richtig stehen? Wie ist hier die Software programmiert?
 
Noch immer gibt es keinen offiziellen Zwischenbericht und es wird weiter wild spekuliert. Einige der Spekulationen sind vollkommen an den Haaren herbeigezogen andere klingen vermeintlich plausibel.

Einem Artikel nur einfach 'citing peolple familiar with the investigation' voranzustellen, macht aus Gerüchten keine Fakten.

In diesem Sinne habe ich die Zitate wie vorgeschlagen in ein eigenes Thema verschoben, wo sie gerne ausgiebig kommentiert werden können.

Gruß MAX
 
Während des Tafeoff-Runs werden, soweit ich weiß, keine mehr Flaps gefahren. Kann es sein, dass man trotz nicht richtig ausgefahrener Flaps im Cockpit die Anzeige kriegt, dass die Flaps richtig stehen? Wie ist hier die Software programmiert?

Jedes Flugzeug besitzt eine Anzeige über die Klappenstellung im Cockpit, auch die MD82, genauso eine Warnanlage die fehlerhafte Stellungen erkennt. Während dem Taxi ist die Stellung der Flaps auch ein Punkt der auf der Taxi Checklist abgearbeitet wird.

Anbei zwei Seiten aus dem Manual auf denen einige Details erklärt werden.
 

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sollten sich die neuen Erkenntnisse über nicht gefahrene Slats/Flaps bestätigen, wäre es mal wieder ein schönes Beispiel wie der erste augenscheinliche Eindruck -in dem Fall mit Triebwerksproblemen- täuschen kann...:dead:

Im Übrigen soll heute Nachmittag laut BR3 eine Spanair 3 Startversuche in Ibiza gebraucht haben um dann mit einer Notlandung sofort wieder in Palma zu landen... :whistle::dead:
 
sollten sich die neuen Erkenntnisse über nicht gefahrene Slats/Flaps bestätigen, wäre es mal wieder ein schönes Beispiel wie der erste augenscheinliche Eindruck -in dem Fall mit Triebwerksproblemen- täuschen kann...:dead:

Im Übrigen soll heute Nachmittag laut BR3 eine Spanair 3 Startversuche in Ibiza gebraucht haben um dann mit einer Notlandung sofort wieder in Palma zu landen... :whistle::dead:

Dazu schreibt die Welt.de
 
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