Da der hinlänglich bekannte und dokumentierte Anflug ja tatsächlich durchgeführt wurde, gehe ich stark davon aus, daß das maximale Crosswind-Limit eingehalten wurde. [...] Daraus wiederum folgere ich, daß die von dir hier so betonte Gefahr, beim Landig Roll von der Piste geweht zu werden nicht unbedingt ein Faktor für diesen konkreten Anflug war, noch es ein Faktor für einen A380 wäre.
Hallo Claokmaster,
in der Tat ist die Gefahr, sich falsch bzw. nicht richtig zu verstehen groß, da ich nicht alles schreiben kann/möchte, was ich schreiben könnte - Ich bitte um Verständnis dafür.
Ich habe jedoch eine klare Meinung zu dem was passiert ist, die bisher öffentlich bekannt gewordenen (also unwidersprochenen) Fakten in Verbindung mit dem Video lassen eigentlich nur einen Schluss zu - bisher unbekannte technische Störungen mal ausgenommen.
Deswegen jedoch
öffentlich zu behaupten zu wissen was geschehen ist und warum und demzufolge über die Kollegen zu urteilen, würde bedeuten sich auf das Niveau eines Niki L. aus W. herabzubegeben und als Betroffener würde ich mir das (besonders von Kollegen) massiv verbitten.
Kurz 2 'Fakten':
Für den A320 ist von AI
kein X-Wind-
Limit veröffentlicht, nur eine 'max demonstrated X-Wind Component' - ein kleiner aber sehr gewichtiger Unterschied. Einige Airlines betrachten dieses Wert sinnvollerweise wie ein 'hartes' Limit, andere nicht. Einige schließen Gust ein, andere aus. Wie LH dies handhabt, ist mir bekannt - ich kann es aber schlecht öffentlich machen - der Untersuchungsbericht wird dies erledigen. :whistle:Generell ist es jedoch fragwürdig, warum in den meisten Bereichen mit teils üppigen Sicherheitsmargen operiert wird (Landestrecke 67%, Anfluggeschwindigkeit 30%) und hier von Seiten der Zulassung voll ans Limit gegangen werden darf, wie in vielen Bereichen wo ein signifikanter Aufschlag zu operationellen Einschränkungen führen würde.
Desweiteren kommt seit vielen Jahren in Deutschland nur noch eine digitale Windmess-Technik zum Einsatz, bei der durch die Glättung der Messwerte gerade bei solchen böigen Wetterlagen die Messgenauigkeit der Wind-Spitzen sehr zu wünschen übrig läßt. Es kann also sein, dass die max. demnstrated X-Windcomponent kurzzeitig deutlich überschritten worden wäre, ohne dass der Tower und damit die Crew davon erfahren hätte. Die Windmessung an Bord (über die Trägheitsnavigation/GPS) ist hierfür ohnehin ungeeignet. Unter diesen Bedingungen auf einer nassen Bahn ist der Grundstein für das o.g. Szenario (Loss of Control nach der Landung) definitv gelegt.
Und nochmal der gleiche Impuls x auf ein zehnmal so schweres Flugzeug mit m= 500.000Kg wird meiner Einschätzung nach nicht ausreichend sein, diese zehnmal so grosse Masse genauso stark in Rotation zu versetzen. Und wenn es diese Rotation nicht gibt, dann erfolgt die Bodenberührung nicht, und somit sollte der Landung nicht mehr allzu viel im Wege stehen.
Zur großen Schräglage: Die rechte Fläche hat sich nicht ursächlich durch eine Böe gehoben, vielmehr als Folge des De-Crabbing mit dem Seitenruder. Um diesen bekannten Effekt (Wende-Roll-Moment) zu vermeiden, muß in dem Moment manuell gegengesteuert werden, die Autorität/Sensititvität der Flight-Control-Computer im Normal-Law ist für eine zeitnahe Korrektur in Bodennähe nicht ausreichend.
Dieses Verhalten ist dokumentiert und gehört bei der X-Wind-Landung mit einem FBW-Airbus zu den Knackpunkten, da ja die Steuerung um die Längsachse bis
nach dem Touchdown im Modus Roll-Rate-Demand befindet, also nicht einfach der Sidestick seitlich ausgelenkt und gehalten werden kann (wie dies bei klassischen Cross-Controls üblich wäre).
Dies sicher zu beherrschen braucht einiges an Erfahrung, schon allein weil man so ausgeprägte Seitenwinde nicht alltäglich zu Gesicht bekommt. Im Simulator kann man es zwar üben, solche dynamischen Manöver bekommen aber selbst die modernsten Simulatoren nicht 100%ig hin. Daher hilft nur Erfahrung, aber die gibt es nicht geschenkt oder wie es auf neu-deutsch so schön heißt:
Experience needs time and practice.
Ob die Ausschläge quantitativ und zeitlich richtig erfolgten, kann ebenfalls nur die Auswertung des Flight Recorders zeigen.
Ich denke der Bericht sollte eigentlich in einigen Wochen vorliegen, warten wir einfach noch etwas ab.
Der Vergleich mit einer C172 ist leider deswegen nicht in allen Bereichen zielführend, weil deutliche (insbesondere rechtliche) Unterschiede in der Zulassung zwischen FAR-23 und FAR-25 bestehen, genauso wie zwischen der Airlineoperation mit zahlenden Passagieren und dem Kaffeefliegen mit Vereinskameraden - bitte nicht falsch verstehen, ich kenne beide Seiten recht gut.
Gruß MAX