Reisebericht: Notizen aus Asien

Liebe Forummitglieder, liebe Leser,

ich komme gerade wieder von einer Reise zurück. Das Ziel war diesmal Asien. Ich war in 9 Ländern und in 14 Städten. Die Reise hat 34 Tage gedauert. Ich habe in dieser Zeit genau 35.527 Meilen erfolgen. 5 mal war ich Gast in einem Lufthansa-Flieger, jeweils 2 mal flog ich mit der Thai und Jet Airways, jeweils einmal sass ich in den Flugzeugen von United, Swiss und Singapore Airlines. Es waren also 13 Flüge ingesamt - davon 6 in der First, 2 in der Business und 5 in der Economy. 5 mal brachten mich die Flügel einer Boeing 747 ans Ziel, 3 mal waren es die Tragflächen eines Airbus 340, je zweimal sass ich in einer Boeing 737 oder in einem A 320 und einmal flog ich mir einer Boeing 777. Genau 12 mal habe ich Flüge umgebucht, wobei ich einmal wieder beim ursprünglichen gebuchten Ausgangsflug gelandet bin und dann auf Warteliste stand. So etwas soll vorkommen. Mein Reisepass hat drei neue Visa bekommen, dazu etwa 18 neue Ein- und Ausreisestempel. Mein (Ex-) Koffer hat gute acht neue Airport-Security-Check-Aufkleber erhalten, bis er von von einer Airline irreperabel gecrasht wurde: Totalschaden! Der Ersatzkoffer ist 1 Kilo schwerer, dafür habe ich 3 Kilo abgenommen, was bei der vielen First Class Fress Fliegerei fast eine Sensation ist. Die eigentliche persönliche Sensation ist aber eine andere: Ich habe insgesamt exakt 3.087 Schnappschüsse mit meinem IPhone geschossen, was bei meiner Fotografier-Faulheit für das Erlebte auf dieser Reise spricht.
Das sind statistisch gesehen 90,79 Fotos je Reisetag, wobei ich manche Motive zur Sicherheit fünfmal aufgenommen habe (es kann ja etwas verwackeln, man weiss ja nie). Von diesen 3.087 Schnappschüssen sind auch nur 1.011 Schnappschüsse gut brauchbar und davon zeige ich 357 Fotos wirkliche gerne her. Soweit die Statistik. Die Zahlen und auch die Fotos können aber nicht das Erlebte spiegeln. Das muss man beschreiben. Meine Erlebnisses schreibe ich gerne auf, falls meine erneute Rumfliegerei den ein oder anderen interessiert. Und wem das elitäre Vornefliegen nicht zusagt, der braucht diesen Bericht nicht zu lesen.
 
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Vor dem Ankommen wird gewarnt

Am Donnerstag Nachmittag bin ich nun zurückgekommen von meiner Asienreise. Ich bin also wieder da. Trotzdem fühle ich mich noch unterwegs – so, als ob die Reise noch nicht beendet ist. Wie immer nach großen Reisen habe ich auch am diesem Donnerstag Abend eine erste Spazierfahrt mit meinem Roadster gemacht. Das Ziel: Der Starnberger See. Der Zweck: Ich mache solchen Fahrten deshalb, um wieder anzukommen, um mich so schnell wie möglich wieder daheim zu fühlen und um mit einer Reise abzuschliessen. Ich genieße dann die schöne oberbayerische Landschaft und weiß, dass ich hierher gehöre: Bayern ist schön, vielleicht das schönste Land auf dieser Welt. Ich esse dann auch sofort bayerisch, diesmal ein paniertes Schweinekotelett mit Kartoffelsalat, dazu natürlich ein Franziskaner Weissbier gehört. Und ein Roadster ist für eine solchen Ankunftsspazierfahrt einfach grandios geeignet, wenn das Gefährt einen kernigen Sound hat, dazu eine endlos lange Motorhaube und sich so mit offenem Verdeck der Zugspitze nähert. So kann man den bayerischen Frühling richtig einatmen während der Fahrt. Man ist wieder in Bayern.

Kulinarisch, technisch und menschlich fühle ich mich auch wieder sofort daheim. Ich geniesse die PS, mir schmeckt das Weissbier und ich werde von allen Daheimgebliebenen gespannt erwartet - von Freunden, Nachbarn und Mitarbeitern, die alle wissen wollen, wie es denn nun war, auf dieser Asienreise. Hast du dich beim Tauchen auf Phi Phi erholt? Wie war es in China? Wie ist Indien? Und ich sage nur: „Beeindruckend, sehr beeindruckend“. Mehr fällt mir gerade auch nicht ein – außer, dass ich spontan über ein paar lustige Reisedetails berichte, die gerade besonders frisch in Erinnerung sind: Da ist der indische Grenzbeamte, der 5 Minuten lang meinen Reisepass studiert, bevor er den erlösenden Stempel reinhaut. Da ist aber auch dieser indische Moneymaker, der mir eine ordentliche Wechselgebühr abknüpft. Und da ist mein Chauffeur, der mir die hupende Verkehrsregeln Indiens beigebracht hat. Mehr kann ich augenblicklich nicht erzählen. Nur Nebensächlichkeiten. Nichts Wesentliches. Denn angekommen bin ich diesmal noch nicht. Ich fühle, als ob ich immer noch unterwegs bin. Ich betrachte am Donnerstag Abend den Starnberger See wie ein Reisender. Ruhig ist er, dieser See, denke ich mir. Ich mache sogar ein Foto, denn schließlich muss man diese Naturschönheit auch dokumentieren. Der See ist ganz anders als Jaipur, wo ich gerade herkomme. Dort ist es hektisch und laut. Und nun ist es plötzlich ruhig. Ein Gegensatz.

Die Gegensätze gehen weiter. Ich fahre in meine Bergwohnung. Da ist es ganz ruhig. Und auch ganz schön. Ich betrachte meine eigene Wohnung wie stilvolle Suite in einem Hotel. Ich sitze auf meinem Balkon und schaue mir die Berge an, die schneebedeckten Gipfel. Gedanklich bin ich noch nicht angekommen. Dabei bin ich schon längst daheim. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich in zwei Monaten schon wieder eine längere Zeit nach Amerika und Asien verreise und ich Deutschland jetzt nur als Zwischenstop empfinde. Doch vielleicht liegt es an dieser Reise. Es ist das erste mal, dass ich mich selbst um eine Reise beneide. Dabei diente dieser 4 Wochen Trip nur dem Zweck, etwas in der Ferne zu arbeiten, eine Universität zu besuchen, dafür rumzufliegen und dort, wo es besonders schön oder interessant ist, eine kleine Weile länger zu verweilen. Letzteres habe ich ausgenutzt. Gerade mal 12 Tage hätte diese Reise dauern sollen, um zwei Wochen habe ich verlängert, um interessante Plätze dieser Welt zu sehen. Alles war so beeindruckend, dass ich meine, über eine Reise berichten zu können, die 12 Wochen oder länger gedauert hätte – dabei waren es gerade mal die erwähnten vier Wochen und ein paar Tage. Die Gegensätze waren einfach zu enorm, so dass mir der Trip sehr kurzweilig vorkam und immer noch vorkommt. Ich erlebe noch immer die Gegensätze dieser Welt und es wird bestimmt noch eine Woche dauern, bis ich wirklich angekommen bin - hier in München, wo ich arbeite und im Chiemgau, wo ich lebe.

Vielleicht hilft gegen meine augenblickliche Reisekrankheit, alles aufzuschreiben. Die Krankheit jedenfalls heisst: "Vor dem Ankommen wird gewarnt". Vielleicht komme ich an, wenn ich in meinem ersten Beitrag ganz einfach damit starte, wie ich denn los geflogen bin nach Asien. Das war der Samstag vor fünf Wochen, der erste Tag der Osterferien also. Der Münchner Flughafen war ziemlich voll, der Flieger sowieso und ich flog in einem Lufthansa Flieger nach Seoul. Das ist eine Stadt, die in Korea liegt. Davon aber später in den nächsten Tagen.
 
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Liebe Leser und liebe Forummitglieder,

jetzt dürft ihr doch noch mal alles ganz von vorne lesen, denn ich habe meinen Einführungbeitrag und den folgenden Beitrag nochmals korrigiert. Es soll jetzt aber die letzte Korrektur gewesen sein. Die Statistik meines Einführungsbeitrags ist jetzt zumindest vollständig und fehlerfrei (bis auf die geflogene Meilenzahl, da kommen immer noch aus Indien neue Buchungen herein).

Und wenn alles nochmals gelesen worden ist, dann darf man auch den Beitrag lesen, wie ich denn zum Münchner Flughafen gekommen bin, um dort loszufliegen. Davon handelt der nächste Beitrag.
 
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Vielflieger-Flughafen-Anfahrt

Es ist der erste Samstag im April. Ich habe im Büro übernachtet. Das fällt mir nicht schwer, denn es ist ein schönes Büro. Diesmal ist es zudem einfach praktisch, denn mein Nachbar links und ein anderer Nachbar eine Etage höher müssen auch zum Flughafen – und das zur gleichen Zeit am gleichen Tag. So erspare ich den üblichen Verdächtigen, mich zum Flughafen zu bringen.

Wir sind also drei Nachbarn, die alle zum Flughafen wollen. Wir verabreden uns um 9 Uhr treppauf beim oberen Nachbarn. Er ist der älteste. Früher war er einmal ein so genannter Honorabel bei der Lufthansa – zu alten Zeiten, wo dieser Status an honorige Herren verliehen wurde, als die Lufthansa noch ein Staatsunternehmen war. Heute ist er ein statusloser Flugrentner. Das liegt daran, dass er erstens kaum noch in den Fernsehnachrichten zu sehen ist und zweitens, dass nicht mehr soviel fliegt wie früher. Mein Nachbar links hat dagegen einen Status. Er hat zwar noch keine grauen Haare, ist aber von der Lufthansa schon zum Senator gekührt worden. Er fliegt jede Woche mindestens zweimal die Route von München nach Berlin und zurück, und viermal im Jahr zur Abwechslung nach Düsseldorf, damit es mit dem Berlinfliegen nicht zu langweilig wird. Durch diese Vielfliegerei in die Hauptstadt ist er zum Senator geworden. Dafür darf er immer am First Class Schalter seinen Koffer abgeben, eine Senatorenlounge besuchen und hat höchste Wartelistenpriorität, was aber derzeit nicht wirllich nützlich ist, da in der Wirtschaftskrise keiner auf einen freien Platz im Flieger wartet.

Und ich bin auch noch da, der Berichtschreiber: Ich habe graue Haare, bin aber kein Senator, sondern ein FTL, ein sogenannter Frequent Traveller. Ich fliege nicht soviel. Es gibt Jahre, wo ich nur auf 4 Flüge komme. Dann gibt es wenige Wochen, wo ich plötzlich 10 mal fliege. Und dann gibt es seltene Zeiten wie diese, in denen ich ab und zu nach Münster, Köln oder Düsseldorf muss. Zur Abwechslung fliege ich dann anschließend gerne mit der First Class durch die Welt. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Meine beiden Nachbarn machen sich ja schon lustig über meine Präferenz, auf Langstrecken ganz vorne zu sitzen. Sie sagen, dass ich offensichtlich kein Geld hätte für ein anständiges Hotel oder gutes Restaurant und ich nur deshalb First Class fliege müsste, um schlafen und gut frühstücken zu können. Dabei werde ich heute gar nicht First Class nach Korea fliegen, sondern Economy. Zu teuer ist die Lufthansa für diesen Flug in den vorderen Klassen ab Deutschland, so dass die Wirtschaftsvernunft siegt. Economy eben. Ab Korea schaut es anders aus. Da ist die Lufthansa plötzlich erschwinglich in der Business- oder Firstclass. Mein honoriger Nachbar aus der oberen Etage kommentiert diesen Fakt damit, dass ich nur deshalb nach Korea fliegen würde, um mir dort ein billiges Lufthansa Firstclass-Ticket abzuholen, ausgestellt in einem Land, deren Währung gerade in den Keller geht und das als Exportland stark unter der Finanzkrise leidet.

Ich höre mir alle diese Kommentare geduldig an. Kurz nach 9 Uhr fahren wir los. Ich sitze hinten. Der Senator steuert den Leihwagen. Der ehemalige Honorabel sitzt auf dem Beifahrersitz und spielt die männliche „Susi“ - er spielt und spricht das menschgewordene Navigationssystem. Er weiß einen noch besseren und schnelleren Schleichweg speziell am Samstag morgen, wo kein Stau am Mittleren Ring ist und die zügige Fahrt stören könnte, sondern höchstens ein paar Ampeln auf dem Weg dorthin. So kommt es, dass wir irgendwie am Westfriedhof und dann an den Stadtwerken vorbei über einen geteerten Feldweg zum Ring gelangen. Ob dieser Umweg uns Zeit gespart hat, bezweifeln wir. Aber der Umweg war interessant (wer mir die Sache mit dem geteerten Feldweg mitten in München nicht glaubt: den gibt es wirklich). 5 Ampeln hätten wir uns erspart, sagt mein honoriger Nachbar. 10 Minuten länger hat das gedauert, meint der Senator, der das Auto steuert. Lustig war es, meine ich, der als jüngster hinten sitzt.

In dem Auto sitzen also drei Menschen, die schon viel geflogen sind. Man könnte sagen, es handelt sich um eine Vielflieger-flughafenanfahrt. Und solche Anfahrten können anstrengend sein. Da machen sich die beiden lieb gewonnen Nachbarn sich nicht nur lustig über meine Firstclass Präferenz und diskutiert nicht nur über die besten Schleichwege zum Flughafen – nein, da werde ich am Samstag morgen auch ernsthaft zu wirklich wichtigen Themen gefragt. Ich soll Antwort geben. Das ist normalerweise nicht weiter schlimm. Doch heute fühle ich mich nicht wohl. Ich habe gestern bis um neun Uhr abends noch gearbeitet, ein paar Mails geschrieben, dann erst meinen Koffer gepackt, vor allem aber habe ich größere Magenprobleme: Ich habe Durchfall, obwohl ich noch gar los geflogen bin und noch nicht eine einzige Garküche Asiens getestet habe. Ich fühle mich also nicht fit. Ich ertrage also die Anfahrt mit all der Kommunikation – und nach 40 Minuten sind wir dann auch da am Mietwagenzentrum des Flughafens, das vom Terminal 2 sehr weit entfernt ist. Auf dem Weg dorthin lernt man den Münchner Flughafen ganz gut kennen: Zuerst geht es in den Zentralbereich des Terminals 1, wo man an Reisebüros, Einkaufsläden und dem Airbräu vorbei dann unter das Dach des Airportcenters gelangt. Dort sieht man dann frontal das Terminal 2, dessen Front mir plötzlich anders vorkommt: Sie ist glasklar. War da nicht noch vorgestern, als ich nach Düsseldorf flog, die gesamte Front des Glaspalastes mit einer Mammutwerbung von Mercedes verklebt? Kurz denke ich, dass ich Alzheimer hätte oder so etwas. Doch mein Senatornachbar sagt: Das stimmt! Dann haben also die Flughafenmitarbeiter schnell diese Werbung weggemacht, die den gesamten Glaspalast verhunzt und vielleicht BMW geärgert hatte. Ich bin nun also da, ich bin dem Ort, wo ich in zwei Stunden fortfliege nach Seoul, Korea. Die Anfahrt ist also schon mal gelungen. Unsere nachbarschaftlichen Wege trennen sich jetzt: Der Senator, der links von mir sein Büro hat, will in die Lounge, der ehemalige HON, der eine Etage über mir wohnt, will schnell wie möglich ans Gate nach Düsseldorf und ich möchte erstmal meinen Koffer loswerden, um dann eine Apotheke aufzusuchen.
 
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Wann gehts denn "endlich" weiter :whistle:

@ Donnergeräusch: Danke, Danke, Danke!! Vielleicht solltest du alles tatsächlich mal in Buchform zusammentragen!?

Grüße,
Phil
 
Was man zwei Stunden am Münchner Flughafen machen kann

Gute zwei Stunden vor Abflug nach Seoul bin ich am Flughafen. Da hat man viel Zeit zum Einchecken, Shoppen und Lounge-Rumlungern, gerade an einem Samstag. Nirgendwo wird viel los sein, denke ich mir. Denkste. Es sind in der Tat wenig Business-Flieggäste unterwegs. Doch ist dieser Samstag ist ein besonderer Samstag. Es ist der erste Ferientag in Bayern. Das hatte ich vergessen.

Ostern steht vor der Tür, und damit stehen auch viele Familien am Lufthansa Checkin-Schalter. Ich stelle mich brav als letzter in die Reihe für Economy-Gäste, denn schließlich habe ich nur Economy gebucht und gehöre deswegen hierher. Beim Anstellen geht es voran, vor allem hinter mir: Bestimmt 10 oder mehr Familien reihen sich hinter meinem Rücken ein, alle mit vielen Koffern, manche mit kreischenden Kindern, einige mit weinenden Babys.

Die Lufthanseaten an den Economy Schaltern versuchen, zügig alle Urlaubsfamilien mit abzuarbeiten. Diese Economy Familien, manche sogar mit mitfliegenden Omas und Opas, lassen sich auch zügig abarbeiten, denn sie scheinen nicht kompliziert zu sein: Keiner hat spezielle Gepäckprioritätsvorlieben, nachträglich vegetarische Essenwünsche, eigenartige Sitzplatzpräferenzen oder kurzfristige Umbuchungsgelüste. Das Economy-Publikum ist pflegeleicht.

Es geht voran. Jede Minute einen Schritt weiter. Doch mir ist alles zu langsam, mir dauert es einfach zu lange. Ich bin ein Mensch, der nicht warten kann. Vielleicht bin ich der ungeeigneste Schlangensteher in ganz Deutschland. Beim Schlangenstehen verliere ich die Geduld. Und so ist es auch an diesem Samstag vormittag, dem ersten Osterferientag Bayerns. Nach gut 10 Minuten Schlangestehen gebe ich auf. Nur weg hier. Am besten rasch zum Business Class Check in. Da wird es schneller und ruhiger zugehen, denke ich mir. Am Business Class Schalter gibt es bestimmt keine kreischenden Kinder oder Kinder beruhigende Opas.

Denken ist manchmal Glücksache. Und so ist es auch, als ich mich an der Businessclass anstelle. Die Schlange ist bedeutend kürzer. Ich stehe fast schon am Eingang des Zugangs- und Absperrungslabyrinths – damit meine ich jenes Labyrinth, das aus Absperrungs- und Wegeführungsbändern besteht, wo man anfangs nicht weiß, wie lang die Schlange nun wirklich ist und an welchem Schalter man denn am Schluss tatsächlich rauskommt. Genau da stehe ich in der Hoffnung, spätestens in 10 Minuten meine Bordkarte zu haben und das lästige Gepäckstück los zu sein. Vor mir sind auch keine Familien mit Babys, kreischenden Kindern und mitreisenden Opas. Direkt vor mir sind nur flugerfahrene Männer mit Sakko, dem üblichen Businesshandgepäck und kleinen Koffern. Vor diesen Herren sind aber wieder Familien – Familien mit pubertierenden Töchtern, die ihre beste Freundin in Designerklamotten mit in den Urlaub nehmen dürfen, dazu ihre Mütter im billigem Pelz und besonders großen Koffern und natürlich das männliche Familienoberhaupt, der mit seiner Vielfliegerkarte für die ganze Familie plus bester Freundin am Business Schalter einchecken will, obwohl alle wie ich nur Economy fliegen. Fünf solcher Familienhorden zähle ich, die gerade an den Schaltern dran sind. An einem Schalter sehe ich, wie die Counterdame wieder alle ausgestellten Boardingpässe einsammelt, dann zerreist, um dann zum Schluss minutenlang die bestmöglich Sitzplatzkombination für sieben Leute auszutüfteln: Immer wieder schütteln einige aus dieser Grossfamilie den Kopf. Da hat die Counterdame scheinbar wieder die falsche Kombination ausgetüftelt. Irgendwann mal, so nach gefühlten 10 Minuten, sind aber alle mit ihren Sitzplätzen zufrieden und machen den Schalter frei. So ähnlich geht es auch an den anderen Schaltern zu. Ganz links scheint eine komplizierte Gepäcksache mit übergewichtigen Koffern das Problem zu sein, ganz rechts scheint es dagegen kein Problem zu geben, denn alle Familienmitglieder und das Countermädel verharren ruhig der Dinge und lächeln freundlich, während der vielfliegende Familienchef sehr lange mit dem Handy telefoniert. Warum es in dem Telefonat geht, weiss ich nicht. Aber erst nach Ende des Telefonats wird der Eincheckvorgang dieser Familie fortgesetzt, und alle lachen. Nur ich nicht. Das Privileg meiner wertvoll aussehenden Lufthansa Karte, auch am Business Class Schalter einchecken zu dürfen, ist an diesem Samstag eine Strafe. Andere Single Männer verlassen die Reihe. Vielleicht gehen sie ja zum First Class Schalter in der Annahme, dass es dort schneller geht (um es vorweg zu nehmen. Ich habe später dort kurz vorbeigeschaut. Auch dort war es voll mit Urlaubsgästen, die mit der Senatorkarte für ihren Economyflug eingeschecken wollten)

Wäre ich doch lieber in der Schlange für Economys geblieben, denke ich mir. Dann wäre ich schon fertig und in der Apotheke, um ein Medikament gegen Magenprobleme und Durchfall zu besorgen. Dieses Warten schlägt mir zusätzlich auf den Magen. An einem Schalter schimpft immer noch ein vielfliegendes Familienoberhaupt 15 gefühlte Minuten mit der Lufthansa. Ich kann es nicht hören, nur sehen – seine bittere Mine, sein strenger Mund, seine gestikulierenden Hände. Irgendwann kommt eine Lufthansa-Dame von der Seite und schafft es, den schimpfenden Vater mitsamt Familie vom Schalter wegzulotsen. Damit ist mein Schalter nun frei. Nach gefühlten 50 Minuten Anstehen (tasächlich waren es Economy und Business zusammengezählt bestimmt nicht mehr als 30 Minuten) bin ich endlich an der Reihe.

Ich sage nur Seoul, zeige meinen Pass und frage, ob der Flieger voll ist. Nein, ist er nicht, sagt der Mann am Lufthansaschalter, in der Business sind noch Plätze frei. Ist die Economy überbucht? Nein, ist die Antwort, sie ist ausgebucht, aber nicht überbucht. Diese Antwort ist schade, sehr schade sogar. Ich liebe überbuchte Economys, wenn ich Langstrecke fliege. Denn dann steigen die Chancen, mit einer Charme-Offensive später am Gate in die Business Class gesetzt zu werden. Damit löse ich für die Lufthansa das überbuchte Economy Problem und freue mich, für einen Schnäppchenpreis Business geflogen zu sein. Das klappt manchmal. Doch diesmal scheint eine solche Charme-Initiative chancenlos. Ich habe also auch meine Sonderfragen, wenn ich am Schalter bin. Jeder der heutigen Gäste scheint Sonderwünsche zu haben, mich ein bezogen. Ich spende deshalb Trost und Mitleid mit dem Lufthansa Mann, der an diesem ersten Ferientag seinen guten Dienst tut, um das anspruchsvolle Vielfliegerpublikum zu befriedigen, welches aber nur Economy in die Ferien fliegt. Er klagt humorvoll über das Problem meines Vorgängers, der da so lang am Schalter schimpfte. Eine bei der Buchung vergessene vegetarische Mahlzeitenbestellung für die Ehefrau und Tochter war es, die ihn so erregte.

Ich bekomme meinen Boardingpass mit vorab gebuchtem Fensterplatz und mein Carbonkoffer bekommt ein gutes Etikett mit Prioritylabel. Die Passkontrolle geht schnell, ebenso der Sicherheitscheck für das Handgepäck. Meine beiden kleinen Nagelfeilen, die ich immer ins Flugzeug bringe, bleiben bei der Kontrolle unentdeckt. Es ist mittlerweile schon viertel vor elf, eine Stunde vor Abflugszeit nach Seoul.

Die Apotheke ist bald gefunden, die Medikamente gegen Magenprobleme und Durchfall sind schnell gekauft. Und da ich gerade in einer Apotheke bin, habe ich natürlich auch noch eine wichtige Frage, die ich mir schon selbst gestellt habe: Bereise ich auf dieser langen Reise irgendwann ein akut gefährdetes Malariagebiet? Mein Wissenstand sagt nein. Die Chefin der Apotheke sagt aber ja, nachdem sie ihr kluges Buch befragt hat. In Indien werde ich am Schluss dieser Reise südlich von Jaipur in ein Gebiet fahren, wo die Prophylaxe dringlich empfohlen wird, ebenso die Empfehlung, Notfallmedikamente mitzunehmen, wenn es einen erwischt hat. Da ich aber nur zwei Tage dort bin, würde sich eine Prophylaxe nicht lohnen. Ich sehe das auch so. Mich wird schon keine Mücke stechen, sage ich mir.

Ich habe für diese Reise keine besonderen Vorbereitungen getroffen. Sie kam eigentlich ganz plötzlich. Noch sechs Wochen vor der Reise wusste ich gar nicht, dass ich verreisen werde. Deshalb läuft der ganze Trip auch etwas ungeplant ab mit all den vielen Umbuchungen. Ich habe vorher nicht einmal nach Malaria gefragt. Ich habe erst gestern abend um 10 Uhr den Koffer gepackt, als ob ich mal für ein verlängertes Wochenende nach Südtirol fahren würde. In diesem Koffer habe ich viel Blödsinn eingepackt, eine warme Outdoorjacke zum Beispiel, die ich höchstens in Korea brauchen könnte, aber sonst nirgends auf dieser Reise. Dafür habe ich mein Jacket vergessen, dass ich in Schwellenländer immer brauche wegen der vielen praktischen Taschen, wo man diebstahlsicher seine wertvollen Sachen verstauen kann, wie Geldscheine zum Beispiel. Auch habe ich mich nicht um die ortsübliche Währung gekümmert: Ich brauche den Wong. Das ist die südkoreanische Währung, die gerade soviel an Wert verliert. Wo bekomme ich nun den Wong am Münchner Flughafen? Irgendjemand wird doch wohl ein paar tausend Wongs für mich haben, wenn denn schon ein Flug ins Wongland geht. Bekomme ich den Wong bei dieser Reisebank? Nein, versuchen sie es bei der anderen, sagt man mir. Doch wo ist die. Ich mag nicht weiter suchen und sage mir, dass ich eben ohne tausende Wongs nach Korea fliegen werde. Schliesslich habe ich ja noch gut 300 Euro Bares dabei und meine wertvoll aussehende Lufthansa Karte, mit der ich bis jetzt überall in der zivilisierten Welt mein ortsübliches Bargeld bekommen hatte.

Es ist mittlerweile schon viertel nach elf. Noch 30 Minuten bis zum Abflug. Da lohnt sich kein Loungebesuch mehr, aber in einem Bistro ist noch Zeit für eine schnelle Coke zur Magenberuhigung und ein italienisches Brötchen, das einfach zu lecker aussieht und deshalb gegessen werden muss, trotz Magenprobleme. Dazu schlucke ich gleich drei Pillen, die ich gerade besorgt habe. Wird schon gut gehen. Und es geht auch gut. Ich bin irgendwie ganz gelassen, und gehe dann auch zum Gate, wo der Airbus A 340 nach Seoul steht. Dort ist alles ziemlich übersichtlich: Drei Lufthansa Frauen stehen am Schalter, sonst niemand. Ja, wo sind sie denn, die anderen Fluggäste? Schon drin im Flieger, sagt ein Lufthansa Mädel. In der Tat. Als ich den Flieger auf dem Weg zu meinem Platz durchschreite, sitzen fast alle Mitflieger schon brav auf ihren Plätzen. Mein Platz ist 43 K. Ein guter Platz am Fenster. Der Nachbarsitz ist überraschenderweise frei. Das ist das schönste. Glück gehabt, denke ich mir, mein Nachbar scheint ein No Show zu sein, ein Passagier, der nicht erscheint. Meine Ledertasche lege ich deshalb auf den Boden des Nachbarsitzes, und auf den Sitz lege ich alles, was ich so auf Langstrecke brauche: die Süddeutsche Zeitung, den Stern, den Spiegel und den Focus. Zeitungen sind mal die Grundlage für jeden Langestreckenflug. Und auf diese Grundlage lege ich das Zubehör: Mein IPhone mit den grossen Ohrhöhrern, dann mein aufblasbares Nackenkissen, daneben eine gerade gekaufte Plastikflasche mit Wasser gegen den Durst wegen der fehlenden Luftfeuchtigkeit an Bord und natürlich meine Wolljacke, falls ich frieren sollte.

Ich mache es mir also richtig gemütlich auf meinen beiden Economysitzen. Und ich freue mich, dass es nun in ein paar Minuten losgeht nach Seoul, Korea – wo eine Reise beginnt, an die ich später noch lange zurückdenken werde. Von diesem Flug aber später in den nächsten Tagen.
 
Hallo Donnergeräusch!

Es geht voran. Jede Minute einen Schritt weiter. Doch mir ist alles zu langsam, mir dauert es einfach zu lange.
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Ich bekomme meinen Boardingpass mit vorab gebuchtem Fensterplatz und mein Carbonkoffer bekommt ein gutes Etikett mit Prioritylabel.




Eine Frage an Dich, und zwei Fragen an alle:
  • Warum checkst Du nicht am Quick Checkin Automaten mit Gepäck-Aufgabe ein? Da habe ich noch nie warten müssen. Und am Tag zuvor kann man ja schon im Internet Checkin den Sitzplatz aussuchen.
  • Warum gibt es die Quick Checkin Automaten mit Gepäck-Aufgabe eigentlich quasi nur in München? In Düsseldorf gab es mal welche, die haben sie aber wieder abgebaut und stattdessen dort den First Class Checkin hingebaut.
  • Wenn man nun an so einem Automaten eincheckt und den Koffer-Aufkleber selber dranpappt, wie kommt dann das "Priority" bei Bedarf dahin? Wird das mit ausgedruckt? Das rote Label fehlt dann aber, oder?
Viele Grüße,
Matthias
 
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  • Wenn man nun an so einem Automaten eincheckt und den Koffer-Aufkleber selber dranpappt, wie kommt dann das "Priority" bei Bedarf dahin? Wird das mit ausgedruckt? Das rote Label fehlt dann aber, oder?
Viele Grüße,
Matthias

Auf dem Gepäckaufkleber, der aus dem Automaten rauskommt, steht dann einfach schwarz gedruckt "PRIORITY" drauf.....ist zwar nicht rot und steht nicht im rechten Winkel weg, wird aber von den Loadern scheinbar dennoch bemerkt.

Gruss aus ETSF
 
@ Barny:

Für Europa und Deutschland checke ich immer mit meinem IPhone ein,
die Langstrecke dagegen immer am Schalter. Ich meine, dass dies auch
nicht anders geht, denn die Fluggesellschaft will ja die Gültigkeit des
Passes sehen und eventuell das Visum. Das geht meines Wissens nur
am Schalter. Der Sitzplatz wird bei mir von meinem Reisebüro immer
schon vorab reserviert.

So, und nun schreibe ich weiter, wie ich nach Seoul geflogen bin.
 
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Nachts nach Korea mit dem Rosenkranz-Koreaner

Ich sitze in meinem Economy Sitz mit der Nummerierung 43 K in einem Flugzeugtyp namens A 340 – 300 mit dem Ziel Seoul in Südkorea. Ich freue mich, denn mein Nachbarsitz bleibt frei und das Boarding scheint beendet: Die Lufthansa Stewardessen haben längst alle Gepäckfächer geschlossen. „Boarding Completed“ müsste es gleich heißen – jenes Signal für die Flugbegleiter, dass es gleich losgeht und für mich die Gewissheit, dass ich sogar in der Economy einen sehr angenehmen Flug haben werde. Zwei Sitze für mich – das ist wie Premium Class. Man kann die mittlere Armlehne hochstellen. Da hat man dann Platz. Und man bleibt ungestört. Denn ein Sitznachbar kann ganz schön störend sein, wenn man sich mit ihm auf Langstrecke nicht versteht.

Ich freue mich also schon ein wenig. Doch die Freude wird rasch weniger, als ich sehe, dass von vorne noch ein kleiner Koreaner in weißen Hemd dahergelaufen kommt. Hoffentlich ist noch woanders ein Platz frei, denke ich mir. Doch der Koreaner läuft den Gang nach hinten immer die Sitzplatzschilder oben an den Gepäckfächern im Blick. Er kommt näher iund näher. Hoffentlich ist hinter mir noch ein Platz frei, denke ich mir. Jetzt sich umdrehen und nachsehen wäre aber sehr verdächtig. Also bleibt mein Blick beim laufenden Koreaner, der dann auch in Reihe 43 stoppt. Er lächelt mich an. Auf seiner Stirn sind Schweißperlen.

Ich lächle zurück. Ich verstaue einen Teil meiner vielen Zeitschriften in der Ablage vor mir, die Süddeutsche Zeitung lasse ich in inoffizielle Ablage gleiten. Dies ist der Platz zwischen Fenstersitz und Flugzeugaußenwand. Dort kommt auch die Wasserflasche hin und meine Strickjacke. Das Iphone und sein Kopfhörer zwänge ich in die Vordersitzablage. Und meine schwarze Ledertasche kommt unter den Vordersitz. Sie dient später als Fußablage.

Jetzt hat er Platz, mein Nachbar aus Korea. Er nimmt sich diesen Platz und lächelt freundlich. Er schwitzt am ganzen Körper. Besonders an der Stirn, aber auch an den Armen. Ich reiche ihm die Wasserflasche. Er schüttelt mit dem Kopf. Ich öffne die Flasche und trinke selbst einen Schluck und reiche sie ihm wieder. Diesmal nimmt auch er einen Schluck. Er steht auf und geht nach hinten. Er kommt wieder mit einem Plastikbecker voll mit Wasser. Er trinkt den Bacher aus, ohne abzusetzen. Er schnallt sich an. „Boarding Completed“, ertönt es aus dem Lautsprecher.

Ich habe also jetzt einen Nachbarn. 11 Stunden wird er neben mir sitzen, dabei essen, trinken, lesen, schlafen und sonstige Sachen machen. Er scheint auf jeden Fall außergewöhnlich zu sein. Ich kann mich nicht erinnern, jemals so kurz vor dem Start einen schwitzenden Koreaner als Nachbarn bekommen zu haben, der trotz Stress immer freundlich lächelt.

Mittags fliegen wir los. Wie immer hebt der A 340 mit Mühe kurz vor Ende der Startbahn ab. Dann geht es gemächlich nach oben – nicht steil, sondern eher flach. Man könnte meinen, dass es dieser Airbus nicht nötig hätte, schnell nach oben zu kommen, um seine Gäste ebenso schnell nach Korea zu fliegen. Dieser Airbus steigt nicht steil in den Himmel, sondern nähert sich ihm behutsam. Ich glaube, erst über Polen hat er seine Reiseflughöhe erreicht, 11.000 Meter oder mehr. Er surrt nun ruhig Richtung Asien.

Ich lege mir die Ohrhörer an, starte mit meinem Iphone die Musik und probiere gleichzeitig ein paar Spiele aus, die ein Freund in den letzten Tagen geladen hat, damit ich mich in Flugzeugen nicht langweile: Schach, Backgammon, Mühle, Tetris und weitere Spiele, bei denen man ein wenig nachdenken muss. Auch so ein Gehirnjoggerprogramm habe ich jetzt. Ich probiere es aus. Aber ich bin schnell frustriert: Ich scheine ein dummer Mensch zu sein, sagt mir das Programm bei der Auswertung. Zu Langsam beim Rechnen, Kombinieren und Zuordnen. Auch meine Gedächtnisleistung scheint die eines 80 jährigen zu entsprechen, die sich scheinbar nichts mehr merken können. Na toll. Dieses Spiel macht mir keinen Spass und ich habe dieses Programm seitdem auch nicht mehr ausprobiert.

Meine Gedächtnisleistung. Wenn ich gerade so schreibe und den Flug Revue passieren lasse, dann meine ich, mich an viele Dinge sehr gut erinnern zu können. Zum Beispiel daran, wie ich über Russland aus dem Fenster schaute, um durch ein paar Wolkenöffnungen die noch schneebedeckte Landschaft mit den schnurrgeraden Strassen und den kleinen Dörfern gesehen zu haben. Das ich mich daran gut erinnere, liegt natürlich auch daran, dass meine Mutter dort aufgewachsen ist und ich mit ihr beiden Dörfer bereist hatte, in denen sie als Kind wohnte. Solche Erlebnisse bleiben im Gedächtnis haften – und so wird auch ein Blick aus dem Flugzeugfenster auf die scheinbar langweilige monotone Landschaft Russlands plötzlich sehr interessant, ja fast emotional, denn meine Mutter wohnt jetzt leider im Himmel, dem ich nun 11.000 Meter näher bin.

Die Triebwerke des Airbus surren ihr Programm ab. Die Stewardessen machen ihren ersten Getränkeservice. Ich trinke Cola, mein Koreanischer Nachbar Wasser. Wir lächeln uns immer an. Wir wechseln aber kein Wort. Die Stewardessen fragen, welches Menu wir mögen. Bei mir siegt trotz der Magenverstimmung die Unvernunft: Koreanisch bitte, wie mein Nachbar. Gut gewürztes Hackfleisch auf Reis. Es schaut verbrannt aus, schmeckt aber herrlich. Dazu gibt es noch eine Tüte mit koreanischem Gemüse, Bimpab wird es genannt. Das klingt harmlos, ist aber gefährlich. Ich schaffe nur einen einzigen Bissen und muss den Geschmack und die Schärfe sofort mit Wasser löschen. Mein koreanischer Nachbar dagegen genießt es in vollen Zügen und lächelt mich an. Er reicht mir seine Nachspeise, mein Bimpab Angebot lehnt er aber ab.

Der Airbus fliegt und fliegt. Fast alle schauen sich den Film an, der über den Fernsehmonitor gezeigt wird. Nur mein Nachbar und ich nicht. Wir lesen lieber. Und als draußen langsam dunkel wird und er fertig gelesen hat, holt er sich eine Perlenkette aus seinem Gepäck, die er innig in seinen Händen hält – und in den Fingern Perle für Perle langsam weiterreicht. Am Ende der Perlenkette ist ein Kreuz. Jesus am Kreuz. Mein koreanischer Nachbar betet zum Abend den katholischen Rosenkranz. Damit hätte ich nicht gerechnet.

Draußen ist es bereits stockfinster. Nicht einmal der Mond scheint. Der Airbus fliegt und fliegt. Mein Nachbar steht auf. Ich denke, er geht bestimmt auf die Toilette. Eine gute Gelegenheit für mich, auch aufzustehen, um die Füße ein wenig zu vertreten und um ein paar Gymnastikübungen zu machen. Ich treffe meinen Nachbarn ganz hinten. Da steht er und macht auch Gymnastik. Wir lächeln uns an: Die Plätze 43 J und K machen Gymnastik und schauen dabei den Flugbegleiten zu, wie sie den nächsten Getränkeservice vorbereiten. Und diesen Service machen die Stewardessen in der Economy Class so gut, dass ich diesen ausdrücklich loben will. Vielleicht liest ja ein Lufthanseat mit und richtet mein Kompliment aus, wobei ich anmerken möchte, dass sich die Flugbegleiter aus der Economy und der Business Class abwechselten. Jederzeit bekommt jeder in der Economy etwas zu trinken, freundlich serviert. Ich rede ein wenig mit einer Stewardess und merke, dass es der ganzen Mannschaft Spass macht, in der Luft zu arbeiten.

Zu einem gelungen Flug gehört immer der Service. Der ist hier in der Economy Class fast perfekt und sehr persönlich. Zu einem guten Flug gehört auch ein interessanter Sitznachbar. Den habe ich. Auch das Essen ist bei mir wichtig, damit ein Flug für mich ein Erfolg wird: Das Hauptgereicht schmeckte, auch wenn es nicht gut aussah. Man kann sagen: Dieser Flug ist gelungen, obwohl ich Economy fliege. Das einzige, was nicht klappt, ist zu schlafen. Egal wie ich mich positioniere und wo ich meinen Kopf mit zwei Kissen und meiner aufblasbaren Nackenstütze anlehne. Das Einschlafen will nicht funktionieren. Das Problem liegt nicht im Kopf, sondern eher am Hintern. Die linke Pobacke findet einfach keine gute Position, mit der sie zufrieden ist. Die unzufriedene Pobacke macht das Einschlafen unmöglich.

Deshalb stehe ich wieder auf, denn auch mein Koreaner ist aufgestanden. Der Airbus surrt und surrt, fast alle Economy Gäste schlafen. Nur mein Koreaner, ich und ein paar andere Passagiere nicht. Manche Wachpassagiere stehen wie ich ganz hinten, um den Stewardessen beim Arbeiten zuzusehen. Sie lassen sich geduldig zusehen. Das ist schön und entspannend. Sie füllen laufend Plastikbecher mit Wasser, Cola, Orangen- oder Apfelsaft. Man darf sie auch nach Knabbergepäck fragen. Und man darf sich auch mit ihnen unterhalten. Eine Stewardess sagt, dass gerade heute besonders angenehme Passagiere in der Economy an Bord wären. Das wäre sonst nicht so. So etwas hört man als Passagier gerne. Das Kompliment gebe ich zurück. Ich gehe ein wenig herum und strecke dabei meine Arme und Beine aus.

Der Airbus fliegt durch die asiatische Nacht. Vielleicht noch drei Stunden bis nach Seoul. Ich komme wieder zu meinem Sitzplatz zurück. Doch ich kann meinen Sitz nicht mehr erreichen. Mein koreanischer Nachbar macht es mir unmöglich. Er schläft in einer Schlafstellung, die ich so noch nie erlebt habe: Er hat den Tisch ausgeklappt. Darauf liegen verschränkt seine Arme. Und auf seinen Armen liegt sein Kopf. Und so schläft er nun, mein Koreaner, mit dem ich nur ein paar englische Wortfetzen, dafür aber viel Lächeln ausgetauscht habe. Er ist mir irgendwie sympathisch. Soll ich ihn jetzt wecken, weil ich an meinen Fensterplatz will? Ich muss ihn wecken, damit ich mich wieder setzen kann.

Noch eine gute Stunde bis nach Landung nach Seoul. Das Licht geht im Airbus an, der Lautsprecher weckt alle auf: Frühstück! Draußen ist es zwar noch dunkel, auch die Morgendämmerung ist nicht in Sicht. Und in Deutschland, wo wir vor 11 Stunden los geflogen sind, ist es eigentlich gerade 9 Uhr abends. Trotzdem gibt es Frühstück. Der Airbus setzt langsam zum Landeanflug an. Es ist 5 Uhr morgens in Korea, als die Maschine in der Dunkelheit landet. Wir sind angekommen auf einem der weltweit vielleicht schönsten Flughäfen dieser Welt, zumindest was die Innenarchitektur betrifft: der Flughafen Incheon, wo alle internationalen Flüge Seouls abgewickelt werden.
 
Seoul Incheon ist bestimmt einer der eindrucksvollsten Airports auf dieser Welt - zumindest, was die Architektur betrifft. Ich habe versucht, mit 5 Schnappschüssen die Architektur einzufangen. Das ist mir mehr oder minder gut gelungen. Für die schlechte Qualität möchte ich mich entschuldigen, da ich nur mit einem IPhone unterwegs bin. Man sieht auf den Fotos nur wenige Menschen, das liegt daran, dass die Fotos frühmorgens entstanden sind. Die ersten beiden Bilder sind vom Airportbahnhof, wo der Zug zum Inlandsflughafen abfährt, der nahe an Seoul liegt. Die anderen drei Bilder sind aus dem Terminal. Wissenswert: Dieser internationale Flughafen von Seoul, auf dem ich gerade gelandet bin, liegt nahe einer ganz anderen Millionenstadt, die Incheon heisst und etwas mehr als 50 Kilometer von Seoul entfernt liegt. Seoul selbst hat nur einen Asien- und Inlandsflughafen, der etwa 20 Kilometer von der Hauptstadt Südkoreas entfernt liegt. Es gibt eine Schnellbahnverbindung, die beide Flughäfen verbindet. Nach Seoul selbst fährt aber keine Schnellbahn. Es ist aber geplant, die Schnellbahn nach Seoul zu verlängern. Und hier nun die Fotos: Zuerst zwei vom Bahnhof, dann drei aus dem Terminal.
 

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Zuletzt bearbeitet:
... Er schläft in einer Schlafstellung, die ich so noch nie erlebt habe: Er hat den Tisch ausgeklappt. Darauf liegen verschränkt seine Arme. Und auf seinen Armen liegt sein Kopf...

Das ist lustig zu lesen. So schlafe ich auch meistens. Unangenehm wird es nur dann, wenn unverhofft der Vordermann seine Lehne nach hinten fährt. Das kann ganz schön weh tun.
Schöner Bericht übrigens!
 
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