Donnergeräusch
Mitglied
Von Hongkong nach Ho Chi Minh
In Hongkong waren wir nun lange genug. Nicht nur hier im Forum tagelang mit diesem Bericht, sondern auch ich Anfang April. Es ist jetzt Zeit im Juni, weiterzukommen: Mir reichen die drei Tage in Hongkong im April. Von dort aus bin ich nach Guangzhou und nach Shenzhen gefahren. Termine eben, der Beruf, das Geschäft – wie immer man das bezeichnen mag. Jetzt sagt der Terminplan anderes: Ich muss, ich will auch weiter. Wenn ich Neues erlebe, dann bin ich glücklich. Deshalb bin ich ganz glücklich, dass jetzt mein nächstes Ziel Ho Chi Minh City heisst – besser bekannt als Saigon. Das liegt im südlichen Vietnam. United Airlines fliegt täglich von Hongkong nach Ho Chi Minh. Und das zur besten Abendzeit und mit First Class. Das passt zu meinem Terminplan. Was will ich mehr.
Ich will mehr. In meinem Hotel (mit dem wohl schönsten palmenumsäumten Pool Hongkongs @ merpati *smile*) nächtigt auch die United Crew. Ihr Bus steht gerade zur Abfahrt bereit, als auch ich nach meinen Koffer rufe. Ich frage den Piloten, ob ich mitfahren dürfe. Den kann man am Alter und an den vielen goldenen Anzug-Streifen zielsicher erkennen. Nein sagt er, dass ist leider nicht möglich, wegen Sicherheit und so und weil es auf der Fahrt schon Dienstliches zu besprechen gäbe. Nicht nett, denke ich mir. Ich wäre ja auch ganz ruhig gewesen. Und mein Englisch ist ja nicht das Beste, also bin ich auch keine Gefahr für die amerikanische Sicherheit, weil ich vermutlich sowieso nichts verstanden hätte. So fährt der große Bus mit den wenigen Crew Mitgliedern ohne mich los. Doch einen Vorteil hatte die ganze Sache: Ich habe die ganze Crew schon gesehen, die mich gleich nach Ho Chi Minh fliegen wird. Da macht man sich so seine Hoffnungen als der bessere First Class Passagier. Wer von den zwei jungen hübschen Stewardessen wird mich gleich in der Flugzeugschnauze der Boeing 747 umsorgen? Die Schwarze mit dem tollen Blick? Ihre Augen, wow! Oder die sexy Brunette mit dem netten Lächeln? Wie im Prospekt! Am besten beide. Beide wären mir schon recht. So im Doppelpack. Die eine reicht mir das Kissen, die andere deckt mich zu. Und dann wecken sie mich mit zartem Streicheln über meine Stirn kurz vor der Landung in Saigon auf. Ja, das wäre nett. Ja, fast schon ein Traum.
Natürlich gab es noch andere Crewmitglieder, die ich in meinem Harbourview Hotel gesehen habe. Das waren ältere Damen und einige Herren. Die werden aber bestimmt für die Economy zuständig sein, oder für Business, oder im Cockpit sitzen – so hoffe ich als grauhaariger Midlife-Mann: die beiden Mädels wären mir schon recht.
Mein Koffer ist immer noch nicht da. Der Pagenboy findet ihn nicht im Kofferraum des Hotels. Der Bus mit der Crew ist schon weg. Und jetzt auch noch der Shuttelbus, der mich zur Bahnstation bringen sollte. Ich bin deshalb leicht angesäuert - eine ungute Stimmungslage für andere Menschen, die jetzt mit mir zu tun haben. Als erster leidet darunter der Pagenboy, weil er solange braucht, meinen Koffer zu finden. Er bekommt kein Trinkgeld. Als nächster wird mein Taxifahrer leiden, der mich zum Bahnhof bringen soll, wo der Zug zum Flughafen abfährt. So und so viele Hongkong Dollar koste es zur Schnellbahnstation, sagt er vor Fahrtantritt. Mir kommt das zuviel vor. Ich bitte diesen Taxifahrer, das Taxometer anzuschalten. Er macht es. So und so wenige Hongkong Dollars kostet es dann zur Schnellbahnstation laut Taxometer wirklich. Die Differenz zwischen seiner Aussage und dem Taxometer war mir zu hoch. Wollte er mich neppen? Er bekommt auf den Dollar exakt seinen Fahrpreis, wie es sein Taxometer anzeigt. Kein Trinkgeld. Dafür rächt er sich jetzt an mir: Er macht Dienst nach Vorschrift. Er steigt an der Bahnhofsvorfahrt nicht aus, um meinen Koffer aus dem Kofferraum zu holen. Er bleibt sitzen und öffnet den Kofferraumdeckel nur per Schalter. Der Kofferraumdeckel schnallt hoch. Ich steige aus dem Taxi und darf meinen Koffer selbst herausholen. Das mache ich auch, stelle meinen Koffer auf die Strasse und sehe, dass mein Fahrer immer noch im Taxi sitzt. Er steigt nicht aus, und sein Kofferraumdeckel ist immer noch offen. So kann er nicht weiterfahren. Soll ich mich wenigstens erkenntlich zeigen und den Deckel wieder zuklappen? Sozusagen als Friedensangebot. Dann muss er nicht aussteigen. Ich mache das. Meine Hände suchen eine Stelle, wo sie anpacken können, ohne dass die Finger zu schmutzig werden. Es ist die Oberkante des Nummernschildes, an denen meine Hände greifen und dem Kofferraumdeckel den Schwung geben, dass er tatsächlich zuklappt, aber nicht schließt.
Unglücklicherweise habe ich an dem Plastikschild des Autokennzeichens so stark gegriffen, dass das Nummernschild erstens in zwei Teile zerbrochen ist und zweitens nicht mehr am Auto war, sondern auf der Strasse lag, als der Kofferraumdeckel zuklappte. Das ist nicht gut. Nur ein kleiner Plastikfetzen links oben an der Schraube war noch am Heck des Taxis. Die anderen zwei Teile lagen zerbrochen unten, eines sogar mit der verrosteten Schraube rechts. Zu meiner Verteidigung muss ich hier allerdings sagen, dass es schon ein recht altes Taxi war, ein alter Toyota, der schon Rost hatte und nicht einmal elektrische Fensterheber. Dafür aber einen automatischen Kofferraumdeckelöffner am Fahrersitz. Auch das Nummernschild war auch nicht mehr das Neuste. Da kann so etwas schon passieren.
Der Taxifahrer hat davon nichts bemerkt. Ich beeile mich, an seine Seitenscheibe zu klopfen, damit er nicht losfährt, mit fehlendem Nummerschild und einem halboffenen Kofferaumdeckel. Er fragt, was los sei. Ich sage ihm, was passiert ist. Er steigt aus, geht nach hinten und flucht – ja Hongkong Chinesen können fluchen, verdammt gut fluchen. Da ist das bayerische Granteln nix dagegen. Der Fluch war ein Erlebnis. Ich lasse diesen Taxifahrer mit seinem Fluch und Nummernschildproblem allein und gehe besser in den Bahnhof auf Hongkong Island, wo ein Schnellzug mich zum Flughafen bringen soll. Da will ich schließlich hin.
Dieser Bahnhof ist sehr übersichtlich. Und was ich sehe, überrascht mich: Da ist ein Check-In-Schalter für First und Business Gäste nur für die United. Damit hätte ich nicht gerechnet. Doch der Weg dorthin ist mir versperrt. Eine elektrische Schranke lässt mich nicht durch, weil ich das Prinzip nicht verstehe. Ich drücke also den Help-Knopf. Aha, meine Zugticket muss ich also in den Schlitz einschieben, und nicht meine Lufthansa Karte. So einfach ist das. Die Dame am United Schalter bedient mich, als ob ich jedermann wäre. Business as usual. Keine Anrede mit meinem Namen. Dabei ist gerade mein Name bei den Amerikanern sehr prominent. Manchmal muss ich sagen, dass ich mit ihm nicht verwandt bin, was auch stimmt. Aber hier, hier werde ich nicht mit Namen angesprochen. Na so was! Zumindest pappt die Dame den Priority-Sticker auf das Gepäcklabel – so dass ich hoffen darf, dass mein Koffer als erster auf das Band nach Ankunft in Ho Chi Minh City kommt.
Ich gehe zum Bahnsteig. Der Zug ist gerade abgefahren. Warten also. Ich beobachte dabei die anderen Fahrgäste. Ich mache so etwas gerne. Dann überlege ich mir, was diese Menschen wohl beruflich machen. Was sie privat tun, wenn sie abends vom Büro nach Hause kommen. Ob sie glücklich sind oder nicht. Ob sie Kinder und Frau haben, oder nicht. Und wohin sie gleich fliegen werden. Da hat meine Fantasie sehr viel Platz – und dabei entwickle ich Vorurteile, denn ich weiß ja nicht, wer diese Menschen wirklich sind. Aber es macht Spaß, sich über andere Menschen, die man gerade sieht, Gedanken zu machen. Das geht die ganze Fahrt bis zum Flughafen so. Wer ist wer? Was macht jemand? Und wo will er hin?
Solche Gedanken sind bester Zeitvertreib: Die Anreise zum Flughafen ist schnell vergangen, hat aber dennoch viel Zeit geschluckt. Bestimmt 90 Minuten war ich unterwegs vom Hotel bis zum Ziel, alle Wartezeiten mit einberechnet. Und jetzt folgt der Sicherheitscheck. Es gibt für mich als First Class Passagier keine besondere Vorzugsbehandlung. Ich muss mich anstellen wie alle anderen auch. Das dauert. Irgendwann bin auch ich durch und habe Zeit, durchzuatmen und für das Mucforum einige Fotos von diesem Flughafen zu machen. Ich fahre dafür mit der Rolltreppe nach oben. Dort hat man eine gute Aussicht auf das Innenleben des Terminals. Dann fahre ich wieder nach unten, denn ich muss mal Richtung Gate gehen, denn die Zeit ruft.
Mein Gate hat eine hohe Nummer, 63 oder so. Irgendwo dort soll auch die Lounge sein, hat mir die Check-In-Dame am Bahnhof gesagt. Sie hatte auch gesagt, dass ich spätestens um 8 Uhr dort sein soll. Und es ist schon halb acht. Also gehe ich mal Richtung Gate 63 oder so. Ich gehe vorbei an 20, dass auf der rechten Seite liegt und 21, das linke Pendant gegenüber. Ich springe aufs Fahrband und fahre vorbei an 36 und 37. Ich fange an, auf dem Fahrband schneller zu gehen, mir wird meine Ledertasche plötzlich schwer, ich fange auch leicht an zu schwitzen, denn ich habe heute ein zweites Handgepäck dabei: Dummerweise habe ich meinen Anzug diesmal nicht in den Koffer gepackt, sondern in den Kleidersack, den ich auch noch schleppen muss. Damit nichts knittert. Ich bin jetzt auf Höhe von Gate 44 und 45. Und immer sehe ich noch kein Lounge-Schild. Endlos scheint dieses Flughafengebäude. Und irgendwann nach langen Wegen und einer Rolltreppe in die Galerie-Etage bin ich drin, im Red Carpet Club von United – ein Club nur für First Class Passagiere und Goldmembers, amerikanische Elite also. Dort erwarten mich zwei United Damen mit strengem Blick, aber guter Höflichkeit. Die rechte Türe bitte sehr, sagt man mir. Dahinter finde ich dann diesen Red Carpet Club. Ein übersichtlicher Club. Da gibt es ein paar Sessel, drei PC-Stationen, eine Toilette, einen Fernseher und auch ein Buffet. Dieses ist praktisch klein, so dass man keine Probleme hat bei der Auswahl des Abendessens. Ich will etwas Warmes: Ich probiere von den drei dargebotenen fingerfertigen Happen je einen. Und damit habe ich mich durch das warme Buffet gegessen. Später sehe ich, dass es noch etwas anderes Warmes gegeben hätte, aber das war irgendwie versteckt: es war ein Suppentopf. Und dann gab es natürlich auch Kaltes, Nüsse und solche Sachen.
Ich bin der einzige Gast in der Lounge. Ich esse drei Happen, und gehe ins Internet an einem der drei PCs. Die Türe geht auf, die United Dame kommt und ruft: „Ho Chi Minh City!“ Sie ruft das wie ein General, wo man als Rekrut sofort aufspringt, um diesem Befehl Folge zu leisten: Ho Chi Minh – das bin ich! Ich springe auf. Ich packe meinen Kleidersack und – der Kleiderhacken geht kaputt! Ich habe den gebogenen Chrom-Aufhängerhacken in der Hand, und der Jacket- und Hosenbügel liegt mit samt Anzug und Kleidersack auf dem Boden. Die Raumreinigungsfrau holt einen United-Kleiderbügel, wir packen den Anzug darauf und dann wieder in den Kleidersack. „Ho Chi Minh City“, ruft nochmals der weibliche United General. „That’s me!“, rufe ich nochmals zurück. Aber wer soll es den anderes sein als ich. Ich bin doch der einzige hier. Die Raumreinigungsfrau wird sie wohl nicht meinen. Der weibliche United-General geht nach schon mal nach draußen und ich komme dann nach, nachdem der Kleidersack wieder transportfähig ist und ich auch meine Ledertasche sicher in der Hand habe.
Eigentlich ist dieser weibliche United General ganz nett. Eine Dame in den besten Jahren. Eine Amerikanerin in Hongkong, vielleicht 55 Jahre alt. Sie bringt mich jetzt zum Flugzeug. 10 Minuten gehen wir. Wir unterhalten uns dabei nett über alle Nebensächlichkeiten, die diese Welt zu bieten hat, zum Beispiel über Kleidersäcke, und wo man sie im Flugzeug verstaut. Am Gate angekommen, müssen wir warten. Dort steht ein weiterer First Class Gast, der nicht in der Lounge war. Die United-Dame begrüßt diesen Mann, der aussieht, wie ein Vietnam-Veteran - also wie ein US-General im Rentenalter, der damals vor 35 Jahren den Vietnam-Krieg noch voll miterlebt hat. Er grüsst zurück. Auch ich komme später mit ihm ins Gespräch. Ja, er war dabei im Krieg. Und jetzt will er sehen, wie es heute aussieht. Er zollt dem Vietkong Respekt, dass diese kleinen Einheiten die große USA geschlagen hatten. Er will sich alles ansehen, die Gräben, die unterirdischen Gänge, die Fallen und alles, was damals der Vietkong gemacht hatte, um die Supermacht USA zu besiegen. Da sitzt also dieser Veteran in der First Class. Und dann kommt noch ein vollbärtiger, vietnamesischer Regierungsbeamter samt seiner Frau dazu. Er hat sein olivegrünes Beamten-Gewand an, seine Frau ist dagegen farbenfroh angezogen. Wir sind also eine interessante Mischung in der First Class. Diese Mischung verträgt sich, ist höflich und fliegt so von Hongkong nach Ho Chi Minh – oder Saigon, wie der alte US-Veteran sagen würde.
United hat in diesen Jumbo schon die neuen First Class Sitze eingebaut. Es sind die besten Flugzeugsessel, die ich bis jetzt erlebt habe. Sie stehen im leichten Winkel weg von der Flugzeugaußenhaut. Man schaut also Richtung Innenraum, also anders als bei der Asiana, wo man Richtung Fenster blickt. Das macht das „Einsteigen“ in diesen Space-Sitz leichter. Er ist sehr bequem. Man sitzt nicht zu weich, aber auch nicht zu hart. Und wenn man den Sitz zum Bett ausfährt, dann spürt man kaum die Ritzen. Der Sitz fühlt sich dann fast so an wie ein echtes Bett. Das haben die Amerikaner wirklich gut gelöst. Sogar Dreipunkt-Sicherheitsgurte gibt es. Für mich ist das bis jetzt der komfortabelste First Class Sessel.
Auch die Bedienung des Sitzes ist einfach. Ich verstehe sofort, welchen Knopf ich bedienen muss, damit ich gleich ein Bett habe. Bei allen anderen Airlines habe ich oft nach der Methode „Versuch und Irrtum“ einzelne Knöpfe gedrückt, um bequem sitzen oder schlafen zu können. Bei United verstehe ich die Logik, und brauche auch keine Stewardess zu rufen, die mir hilft, mich einfach bequem hinzusetzten. Das hat was!
Ja, die beiden Stewardessen, die ich gerne gerufen hätte. Wo sind sie denn? Sie sind nirgends zu sehen in der First Class. Denn keine Frau, sondern ein Mann ist zuständig für uns vier Gäste: Es ist ein Schwarzer. Er hat bestes Benehmen. Ein toller Kerl. Er schreibt mir sofort das Label des kalifornischen Weines auf, der mir so gut gemundet hatte. Ich habe den Wein einfach gelobt. Und schon bekomme ich den Zettel mit allen notwendigen Angaben, ohne dass ich danach gefragt hätte. so etwas beeindruckt mich. Er serviert auch das Abendessen stilvoll. Sein Service ist wirklich gut – genau richtig zwischen Kontakt und Distanz. Das Abendessen ist dagegen eher zweckmäßig: ein Teller mit Reis, Gemüse und dazu etwas Ähnliches wie Rindergeschnetzeltes.
Bevor ich mit diesem Bericht in Saigon spätabends lande – oder Ho Chi Minh City, wie der vietnamesische Regierungsbeamte korrekt sagen würde, muss ich ja noch eine Frage beantworten: Wo sind denn nun die beiden hübschen Mädels geblieben, von denen ich nach der Abfahrt im Hotel geträumt hatte? Sie sind auch an Bord. Sie machen ihren Job hinten in der Economy, wo ich nicht sitze. Ich bin da mal auf der Suche nach ihnen durch das Flugzeug gelaufen. Sie sind wirklich hinten eingesetzt. Deshalb reichen mir beide auch kein Kissen und keine Decken. Das ist schade. Aber das wäre auch nicht nötig gewesen, denn der Flug dauerte nur etwas mehr als 2 Stunden. Und das Bett hatte ich ja selbständig ausprobiert, ohne Hilfe von hübschen Stewardessen. Ja, so hart kann das Leben eines First Class Passagiers sein, ein Leben ohne First Class Mädels, weil diese in der Economy ihren Dienst tun ....
In Hongkong waren wir nun lange genug. Nicht nur hier im Forum tagelang mit diesem Bericht, sondern auch ich Anfang April. Es ist jetzt Zeit im Juni, weiterzukommen: Mir reichen die drei Tage in Hongkong im April. Von dort aus bin ich nach Guangzhou und nach Shenzhen gefahren. Termine eben, der Beruf, das Geschäft – wie immer man das bezeichnen mag. Jetzt sagt der Terminplan anderes: Ich muss, ich will auch weiter. Wenn ich Neues erlebe, dann bin ich glücklich. Deshalb bin ich ganz glücklich, dass jetzt mein nächstes Ziel Ho Chi Minh City heisst – besser bekannt als Saigon. Das liegt im südlichen Vietnam. United Airlines fliegt täglich von Hongkong nach Ho Chi Minh. Und das zur besten Abendzeit und mit First Class. Das passt zu meinem Terminplan. Was will ich mehr.
Ich will mehr. In meinem Hotel (mit dem wohl schönsten palmenumsäumten Pool Hongkongs @ merpati *smile*) nächtigt auch die United Crew. Ihr Bus steht gerade zur Abfahrt bereit, als auch ich nach meinen Koffer rufe. Ich frage den Piloten, ob ich mitfahren dürfe. Den kann man am Alter und an den vielen goldenen Anzug-Streifen zielsicher erkennen. Nein sagt er, dass ist leider nicht möglich, wegen Sicherheit und so und weil es auf der Fahrt schon Dienstliches zu besprechen gäbe. Nicht nett, denke ich mir. Ich wäre ja auch ganz ruhig gewesen. Und mein Englisch ist ja nicht das Beste, also bin ich auch keine Gefahr für die amerikanische Sicherheit, weil ich vermutlich sowieso nichts verstanden hätte. So fährt der große Bus mit den wenigen Crew Mitgliedern ohne mich los. Doch einen Vorteil hatte die ganze Sache: Ich habe die ganze Crew schon gesehen, die mich gleich nach Ho Chi Minh fliegen wird. Da macht man sich so seine Hoffnungen als der bessere First Class Passagier. Wer von den zwei jungen hübschen Stewardessen wird mich gleich in der Flugzeugschnauze der Boeing 747 umsorgen? Die Schwarze mit dem tollen Blick? Ihre Augen, wow! Oder die sexy Brunette mit dem netten Lächeln? Wie im Prospekt! Am besten beide. Beide wären mir schon recht. So im Doppelpack. Die eine reicht mir das Kissen, die andere deckt mich zu. Und dann wecken sie mich mit zartem Streicheln über meine Stirn kurz vor der Landung in Saigon auf. Ja, das wäre nett. Ja, fast schon ein Traum.
Natürlich gab es noch andere Crewmitglieder, die ich in meinem Harbourview Hotel gesehen habe. Das waren ältere Damen und einige Herren. Die werden aber bestimmt für die Economy zuständig sein, oder für Business, oder im Cockpit sitzen – so hoffe ich als grauhaariger Midlife-Mann: die beiden Mädels wären mir schon recht.
Mein Koffer ist immer noch nicht da. Der Pagenboy findet ihn nicht im Kofferraum des Hotels. Der Bus mit der Crew ist schon weg. Und jetzt auch noch der Shuttelbus, der mich zur Bahnstation bringen sollte. Ich bin deshalb leicht angesäuert - eine ungute Stimmungslage für andere Menschen, die jetzt mit mir zu tun haben. Als erster leidet darunter der Pagenboy, weil er solange braucht, meinen Koffer zu finden. Er bekommt kein Trinkgeld. Als nächster wird mein Taxifahrer leiden, der mich zum Bahnhof bringen soll, wo der Zug zum Flughafen abfährt. So und so viele Hongkong Dollar koste es zur Schnellbahnstation, sagt er vor Fahrtantritt. Mir kommt das zuviel vor. Ich bitte diesen Taxifahrer, das Taxometer anzuschalten. Er macht es. So und so wenige Hongkong Dollars kostet es dann zur Schnellbahnstation laut Taxometer wirklich. Die Differenz zwischen seiner Aussage und dem Taxometer war mir zu hoch. Wollte er mich neppen? Er bekommt auf den Dollar exakt seinen Fahrpreis, wie es sein Taxometer anzeigt. Kein Trinkgeld. Dafür rächt er sich jetzt an mir: Er macht Dienst nach Vorschrift. Er steigt an der Bahnhofsvorfahrt nicht aus, um meinen Koffer aus dem Kofferraum zu holen. Er bleibt sitzen und öffnet den Kofferraumdeckel nur per Schalter. Der Kofferraumdeckel schnallt hoch. Ich steige aus dem Taxi und darf meinen Koffer selbst herausholen. Das mache ich auch, stelle meinen Koffer auf die Strasse und sehe, dass mein Fahrer immer noch im Taxi sitzt. Er steigt nicht aus, und sein Kofferraumdeckel ist immer noch offen. So kann er nicht weiterfahren. Soll ich mich wenigstens erkenntlich zeigen und den Deckel wieder zuklappen? Sozusagen als Friedensangebot. Dann muss er nicht aussteigen. Ich mache das. Meine Hände suchen eine Stelle, wo sie anpacken können, ohne dass die Finger zu schmutzig werden. Es ist die Oberkante des Nummernschildes, an denen meine Hände greifen und dem Kofferraumdeckel den Schwung geben, dass er tatsächlich zuklappt, aber nicht schließt.
Unglücklicherweise habe ich an dem Plastikschild des Autokennzeichens so stark gegriffen, dass das Nummernschild erstens in zwei Teile zerbrochen ist und zweitens nicht mehr am Auto war, sondern auf der Strasse lag, als der Kofferraumdeckel zuklappte. Das ist nicht gut. Nur ein kleiner Plastikfetzen links oben an der Schraube war noch am Heck des Taxis. Die anderen zwei Teile lagen zerbrochen unten, eines sogar mit der verrosteten Schraube rechts. Zu meiner Verteidigung muss ich hier allerdings sagen, dass es schon ein recht altes Taxi war, ein alter Toyota, der schon Rost hatte und nicht einmal elektrische Fensterheber. Dafür aber einen automatischen Kofferraumdeckelöffner am Fahrersitz. Auch das Nummernschild war auch nicht mehr das Neuste. Da kann so etwas schon passieren.
Der Taxifahrer hat davon nichts bemerkt. Ich beeile mich, an seine Seitenscheibe zu klopfen, damit er nicht losfährt, mit fehlendem Nummerschild und einem halboffenen Kofferaumdeckel. Er fragt, was los sei. Ich sage ihm, was passiert ist. Er steigt aus, geht nach hinten und flucht – ja Hongkong Chinesen können fluchen, verdammt gut fluchen. Da ist das bayerische Granteln nix dagegen. Der Fluch war ein Erlebnis. Ich lasse diesen Taxifahrer mit seinem Fluch und Nummernschildproblem allein und gehe besser in den Bahnhof auf Hongkong Island, wo ein Schnellzug mich zum Flughafen bringen soll. Da will ich schließlich hin.
Dieser Bahnhof ist sehr übersichtlich. Und was ich sehe, überrascht mich: Da ist ein Check-In-Schalter für First und Business Gäste nur für die United. Damit hätte ich nicht gerechnet. Doch der Weg dorthin ist mir versperrt. Eine elektrische Schranke lässt mich nicht durch, weil ich das Prinzip nicht verstehe. Ich drücke also den Help-Knopf. Aha, meine Zugticket muss ich also in den Schlitz einschieben, und nicht meine Lufthansa Karte. So einfach ist das. Die Dame am United Schalter bedient mich, als ob ich jedermann wäre. Business as usual. Keine Anrede mit meinem Namen. Dabei ist gerade mein Name bei den Amerikanern sehr prominent. Manchmal muss ich sagen, dass ich mit ihm nicht verwandt bin, was auch stimmt. Aber hier, hier werde ich nicht mit Namen angesprochen. Na so was! Zumindest pappt die Dame den Priority-Sticker auf das Gepäcklabel – so dass ich hoffen darf, dass mein Koffer als erster auf das Band nach Ankunft in Ho Chi Minh City kommt.
Ich gehe zum Bahnsteig. Der Zug ist gerade abgefahren. Warten also. Ich beobachte dabei die anderen Fahrgäste. Ich mache so etwas gerne. Dann überlege ich mir, was diese Menschen wohl beruflich machen. Was sie privat tun, wenn sie abends vom Büro nach Hause kommen. Ob sie glücklich sind oder nicht. Ob sie Kinder und Frau haben, oder nicht. Und wohin sie gleich fliegen werden. Da hat meine Fantasie sehr viel Platz – und dabei entwickle ich Vorurteile, denn ich weiß ja nicht, wer diese Menschen wirklich sind. Aber es macht Spaß, sich über andere Menschen, die man gerade sieht, Gedanken zu machen. Das geht die ganze Fahrt bis zum Flughafen so. Wer ist wer? Was macht jemand? Und wo will er hin?
Solche Gedanken sind bester Zeitvertreib: Die Anreise zum Flughafen ist schnell vergangen, hat aber dennoch viel Zeit geschluckt. Bestimmt 90 Minuten war ich unterwegs vom Hotel bis zum Ziel, alle Wartezeiten mit einberechnet. Und jetzt folgt der Sicherheitscheck. Es gibt für mich als First Class Passagier keine besondere Vorzugsbehandlung. Ich muss mich anstellen wie alle anderen auch. Das dauert. Irgendwann bin auch ich durch und habe Zeit, durchzuatmen und für das Mucforum einige Fotos von diesem Flughafen zu machen. Ich fahre dafür mit der Rolltreppe nach oben. Dort hat man eine gute Aussicht auf das Innenleben des Terminals. Dann fahre ich wieder nach unten, denn ich muss mal Richtung Gate gehen, denn die Zeit ruft.
Mein Gate hat eine hohe Nummer, 63 oder so. Irgendwo dort soll auch die Lounge sein, hat mir die Check-In-Dame am Bahnhof gesagt. Sie hatte auch gesagt, dass ich spätestens um 8 Uhr dort sein soll. Und es ist schon halb acht. Also gehe ich mal Richtung Gate 63 oder so. Ich gehe vorbei an 20, dass auf der rechten Seite liegt und 21, das linke Pendant gegenüber. Ich springe aufs Fahrband und fahre vorbei an 36 und 37. Ich fange an, auf dem Fahrband schneller zu gehen, mir wird meine Ledertasche plötzlich schwer, ich fange auch leicht an zu schwitzen, denn ich habe heute ein zweites Handgepäck dabei: Dummerweise habe ich meinen Anzug diesmal nicht in den Koffer gepackt, sondern in den Kleidersack, den ich auch noch schleppen muss. Damit nichts knittert. Ich bin jetzt auf Höhe von Gate 44 und 45. Und immer sehe ich noch kein Lounge-Schild. Endlos scheint dieses Flughafengebäude. Und irgendwann nach langen Wegen und einer Rolltreppe in die Galerie-Etage bin ich drin, im Red Carpet Club von United – ein Club nur für First Class Passagiere und Goldmembers, amerikanische Elite also. Dort erwarten mich zwei United Damen mit strengem Blick, aber guter Höflichkeit. Die rechte Türe bitte sehr, sagt man mir. Dahinter finde ich dann diesen Red Carpet Club. Ein übersichtlicher Club. Da gibt es ein paar Sessel, drei PC-Stationen, eine Toilette, einen Fernseher und auch ein Buffet. Dieses ist praktisch klein, so dass man keine Probleme hat bei der Auswahl des Abendessens. Ich will etwas Warmes: Ich probiere von den drei dargebotenen fingerfertigen Happen je einen. Und damit habe ich mich durch das warme Buffet gegessen. Später sehe ich, dass es noch etwas anderes Warmes gegeben hätte, aber das war irgendwie versteckt: es war ein Suppentopf. Und dann gab es natürlich auch Kaltes, Nüsse und solche Sachen.
Ich bin der einzige Gast in der Lounge. Ich esse drei Happen, und gehe ins Internet an einem der drei PCs. Die Türe geht auf, die United Dame kommt und ruft: „Ho Chi Minh City!“ Sie ruft das wie ein General, wo man als Rekrut sofort aufspringt, um diesem Befehl Folge zu leisten: Ho Chi Minh – das bin ich! Ich springe auf. Ich packe meinen Kleidersack und – der Kleiderhacken geht kaputt! Ich habe den gebogenen Chrom-Aufhängerhacken in der Hand, und der Jacket- und Hosenbügel liegt mit samt Anzug und Kleidersack auf dem Boden. Die Raumreinigungsfrau holt einen United-Kleiderbügel, wir packen den Anzug darauf und dann wieder in den Kleidersack. „Ho Chi Minh City“, ruft nochmals der weibliche United General. „That’s me!“, rufe ich nochmals zurück. Aber wer soll es den anderes sein als ich. Ich bin doch der einzige hier. Die Raumreinigungsfrau wird sie wohl nicht meinen. Der weibliche United-General geht nach schon mal nach draußen und ich komme dann nach, nachdem der Kleidersack wieder transportfähig ist und ich auch meine Ledertasche sicher in der Hand habe.
Eigentlich ist dieser weibliche United General ganz nett. Eine Dame in den besten Jahren. Eine Amerikanerin in Hongkong, vielleicht 55 Jahre alt. Sie bringt mich jetzt zum Flugzeug. 10 Minuten gehen wir. Wir unterhalten uns dabei nett über alle Nebensächlichkeiten, die diese Welt zu bieten hat, zum Beispiel über Kleidersäcke, und wo man sie im Flugzeug verstaut. Am Gate angekommen, müssen wir warten. Dort steht ein weiterer First Class Gast, der nicht in der Lounge war. Die United-Dame begrüßt diesen Mann, der aussieht, wie ein Vietnam-Veteran - also wie ein US-General im Rentenalter, der damals vor 35 Jahren den Vietnam-Krieg noch voll miterlebt hat. Er grüsst zurück. Auch ich komme später mit ihm ins Gespräch. Ja, er war dabei im Krieg. Und jetzt will er sehen, wie es heute aussieht. Er zollt dem Vietkong Respekt, dass diese kleinen Einheiten die große USA geschlagen hatten. Er will sich alles ansehen, die Gräben, die unterirdischen Gänge, die Fallen und alles, was damals der Vietkong gemacht hatte, um die Supermacht USA zu besiegen. Da sitzt also dieser Veteran in der First Class. Und dann kommt noch ein vollbärtiger, vietnamesischer Regierungsbeamter samt seiner Frau dazu. Er hat sein olivegrünes Beamten-Gewand an, seine Frau ist dagegen farbenfroh angezogen. Wir sind also eine interessante Mischung in der First Class. Diese Mischung verträgt sich, ist höflich und fliegt so von Hongkong nach Ho Chi Minh – oder Saigon, wie der alte US-Veteran sagen würde.
United hat in diesen Jumbo schon die neuen First Class Sitze eingebaut. Es sind die besten Flugzeugsessel, die ich bis jetzt erlebt habe. Sie stehen im leichten Winkel weg von der Flugzeugaußenhaut. Man schaut also Richtung Innenraum, also anders als bei der Asiana, wo man Richtung Fenster blickt. Das macht das „Einsteigen“ in diesen Space-Sitz leichter. Er ist sehr bequem. Man sitzt nicht zu weich, aber auch nicht zu hart. Und wenn man den Sitz zum Bett ausfährt, dann spürt man kaum die Ritzen. Der Sitz fühlt sich dann fast so an wie ein echtes Bett. Das haben die Amerikaner wirklich gut gelöst. Sogar Dreipunkt-Sicherheitsgurte gibt es. Für mich ist das bis jetzt der komfortabelste First Class Sessel.
Auch die Bedienung des Sitzes ist einfach. Ich verstehe sofort, welchen Knopf ich bedienen muss, damit ich gleich ein Bett habe. Bei allen anderen Airlines habe ich oft nach der Methode „Versuch und Irrtum“ einzelne Knöpfe gedrückt, um bequem sitzen oder schlafen zu können. Bei United verstehe ich die Logik, und brauche auch keine Stewardess zu rufen, die mir hilft, mich einfach bequem hinzusetzten. Das hat was!
Ja, die beiden Stewardessen, die ich gerne gerufen hätte. Wo sind sie denn? Sie sind nirgends zu sehen in der First Class. Denn keine Frau, sondern ein Mann ist zuständig für uns vier Gäste: Es ist ein Schwarzer. Er hat bestes Benehmen. Ein toller Kerl. Er schreibt mir sofort das Label des kalifornischen Weines auf, der mir so gut gemundet hatte. Ich habe den Wein einfach gelobt. Und schon bekomme ich den Zettel mit allen notwendigen Angaben, ohne dass ich danach gefragt hätte. so etwas beeindruckt mich. Er serviert auch das Abendessen stilvoll. Sein Service ist wirklich gut – genau richtig zwischen Kontakt und Distanz. Das Abendessen ist dagegen eher zweckmäßig: ein Teller mit Reis, Gemüse und dazu etwas Ähnliches wie Rindergeschnetzeltes.
Bevor ich mit diesem Bericht in Saigon spätabends lande – oder Ho Chi Minh City, wie der vietnamesische Regierungsbeamte korrekt sagen würde, muss ich ja noch eine Frage beantworten: Wo sind denn nun die beiden hübschen Mädels geblieben, von denen ich nach der Abfahrt im Hotel geträumt hatte? Sie sind auch an Bord. Sie machen ihren Job hinten in der Economy, wo ich nicht sitze. Ich bin da mal auf der Suche nach ihnen durch das Flugzeug gelaufen. Sie sind wirklich hinten eingesetzt. Deshalb reichen mir beide auch kein Kissen und keine Decken. Das ist schade. Aber das wäre auch nicht nötig gewesen, denn der Flug dauerte nur etwas mehr als 2 Stunden. Und das Bett hatte ich ja selbständig ausprobiert, ohne Hilfe von hübschen Stewardessen. Ja, so hart kann das Leben eines First Class Passagiers sein, ein Leben ohne First Class Mädels, weil diese in der Economy ihren Dienst tun ....
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