Unfälle (Zwischenfälle/Sicherheitslandungen) mit Flugzeugen

Ahnungsloses Handelsblatt

Handelsblatt hat gesagt.:
Unglücks-Airbus von São Paulo flog mit defekter Turbine...

...Der Umkehrschub an einem der beiden Triebwerke habe nicht richtig gearbeitet - also die eingebaute Bremse des Flugzeugs für die Landung...
Das ist BILD-Niveau:mad:
*Spekulationsmodus an*
Wenn sich die Redaktion mal an ihren FS spielenden Praktikanten gewand hätte, würde nicht so ein Stuss rauskommen.
*Spekulationsmodus aus*
 
Zum Thema landing distance möchte ich ein paar Fakten beitragen:
Nach dem mit vorliegenden Handbuch beträgt die actual landing distance bei 70to mit conf full auf nasser Bahn 1370m, die autobrake landing distance mit autobrake medium 1460m. Für 2600ft elevation sind die Distanzen um 13% zu erhöhen, da haben wir schon 1550 bzw 1650m. Wir nun nicht mit Vls sondern wie meistens mit Vls+5kt angeflogen, kommen noch mal 10% dazu, wir errechnen 1705 bzw. 1815 m. Das ist schon verdammt nah an der landing distance available. Aufsetzen z.B. am 2000ft-Punkt wäre da schon zu weit, Grundlage der Berechnung ist Aufsetzen ohne großen flare am 1000ft-Punkt.
Wenn man jetzt noch berücksichtigt, dass die Daten für wet runway aus denen für dry runway errechnet werden, nach Flugversuchen aus den 60-70er Jahren, und sich nasse Bahnen leider nicht immer an diese Vorgaben halten, besonders wenn sie neu asphaltiert sind, wird klar, dass dieser Anflug auch ohne große Fehler schon zumindest kritisch war.
Im selben Handbuch findet sich eine required landing distance für 70to und wet runway von 2010m, die für die elevation um 13% zu erhöhen ist, also 2270m. Für 62to findet man 1780m, korrigiert also 2010m, bei 58to findet man 1670m, korrigiert also 1890m.
Ein Anflug darf nur begonnen werden, wenn die required landing distance nicht größer ist als die landing distance available von 1879m. Das Anfluggewicht dürfte also nicht höher als ca 58to gewesen sein, um legal anzufliegen - es sei denn, TAM-A320 hätten andere performance-Werte.
Bei einem gering angesetzten DOW von ca 42to (LH A320 habe ca 43,5to) und 186 Personen a 75kg errechnet sich ein Gewicht von 55,95to - ohne Restkraftstoff und Gepäck oder Fracht, und davon war ja wohl auch noch was an Bord.

Werner Huß
 
Laut "TZ" von heute hat der Technikchef der Airline Probleme mit dem Umkehrschub eingeräumt.

Vielleicht ist ja doch was dran... :think:
...
weiß/blau grüßt

Es ging mir nicht um das Vorhandensein des Fehlers an sich, sondern um die Art der Gleichsetzung.

BILD-Niveau:
Probleme mit dem Umkehrschub = defekte Turbine
Umkehrschub = die eingebaute Bremse des Flugzeugs für die Landung
 
Stand heute in der Bild-Zeitung:
London - Das war knapp! Auf dem Flug von London nach München hatter der Pilot einer British Airways Maschine vergessen, das Cockpit-Fenster richtig zu verriegeln. Kurz nach dem Start flog das Fenster in 2000 Meter Höhe auf. Der Wind fegte mit 400 km/h in Cockpit. Der Druckabfall zwang die Piloten zur Umkehr. Notlandung! Keine Verletzten!
 
Defekte Störklappen möglicher Grund für Unglück in Brasilien

2.8.2007, Brasilia/São Paulo (dpa) - Defekte Spoiler haben möglicherweise das Unglück in São Paulo vor zwei Wochen mit verursacht. Weiterlesen
 
@ ATC-Eric: Nur, wenn man sich diese Meldung aus pilots.de (http://www.pilots.de/ubb/NonCGI/Forum1/HTML/004134.html) ansieht, hatte das wohl ne ganz andere Ursache, dass die Spoilers nicht auf gingen:


FROM : AIRBUS FLIGHT SAFETY DEPARTMENT TOULOUSE
ACCIDENT INFORMATION TELEX - ACCIDENT INFORMATION TELEX
The data which follow have been approved for release by the Brazilian investigation
authorities.
It is confirmed that the aircraft was dispatched with the Engine 2 thrust reverser inoperative
as authorized by the MEL.
It is confirmed that the associated operational procedure of TAM MEL was updated
according to current MMEL page 02-78 p1 SEQ 001 REV 29 which reminds the crew to
select both thrust levers to idle before touchdown and requires to select both reversers at
touchdown.
The following is the sequence of events according to the recorders:
Final Approach phase
· The aircraft was approaching runway 35L.
· The last wind information given to the crew by the ATC was 330°/8kts.
· The runway condition given to the crew by the ATC was wet and slippery.
· Landing configuration was established with Slats/Flaps fully extended, gear down,
ground spoilers armed, autobrake selected to MED.
· Approach speed was 145 kts
· The final approach was performed with Autopilot OFF - disconnected at about 370
feet (radio-altitude), Flight Directors ON, Auto-Thrust (ATHR) ON.
· The CM1 was the Pilot Flying.
· The crew approach briefing included a reminder that only the left engine thrust
reverser was available. Flare and touch-down
· During the flare, the "RETARD" call-out has been normally triggered
· The "RETARD" call-out has been triggered 3 times, ending at the selection of the
engine 1 reverser.
· Before touchdown, the engine 1 throttle was retarded to idle.
· The engine 2 throttle is recorded in the Climb position and remained in this position to
the end of recording.
· Preliminary trajectory computation indicates that the aircraft landed in the touch-down
zone.
Landing roll
· Just after touch-down, idle reverse was selected on engine 1, followed within 2
seconds by the selection of max reverse which was kept to the end of recording.
· Following reverser 1 selection, the ATHR disconnected as per design and remained
disconnected to the end of recording.
· With the engine 2 throttle being in the Climb position: 1/ the engine 2 EPR remained
at a value of approximately 1.2 corresponding to the EPR at the time of ATHR
disconnection; and 2/ the ground spoilers did not deploy and the autobrake was not
activated.
· Maximum manual braking actions began 11 seconds after touch-down.
· Rudder inputs and differential braking have been applied during the landing roll.
· The aircraft overran the runway at approximately 100 kts.
DFDR and CVR data show no evidence of aircraft malfunction.
At this stage of the investigation, and as already indicated in the previous AIT n°3,
Airbus remind all operators to strictly comply with the following procedures:
A- During the flare at thrust reduction select ALL thrust levers to IDLE.
B- For the use of the thrust reversers when landing with one Engine Reverser inhibited
refer to :
· For A318/A319/A320/A321 MMEL 02-78 Page 1 Rev 29
· For A310 MMEL 02-78 Page 1 Rev 17
· For A300-600 MMEL 02-78 Page 1 Rev 15
· For A330 MMEL 02-78 Page 1 Rev 17
· For A340 200/300/500/600 MMEL 02-78 Page 1 Rev 19

Damit erklärt sich die Sache eigentlich ganz gut, find ich.
Und es unterstreicht die Bedeutung des"RETARD-Calls"...
 
@ ATC-Eric: Nur, wenn man sich diese Meldung aus pilots.de (http://www.pilots.de/ubb/NonCGI/Forum1/HTML/004134.html) ansieht, hatte das wohl ne ganz andere Ursache, dass die Spoilers nicht auf gingen:




Damit erklärt sich die Sache eigentlich ganz gut, find ich.
Und es unterstreicht die Bedeutung des"RETARD-Calls"...

Danke für die Infos und den Link. Sehr interessant. Endlich mal Fakten und keine Spekulationen von "sogenannten Experten". Und man sieht ja gleich an dem anderen Artikel dass da wieder jemand was rausinterpretiert hat und nicht verstanden hat.
 
Zuletzt bearbeitet:
In der Tat sehr interessant. Nur um das nochmal kurz klar zu machen. Das heißt also, dass Engine 2 noch Vorwärtsschub erzeugt hat und dadurch die Spoiler und Auto-Brake nicht in Kraft traten?:confused: Ich kenn mich da nicht so aus. Danke euch schonmal.
 
Zuletzt bearbeitet:
In der Tat sehr interessant. Nur um das nochmal kurz klar zu machen. Das heißt also, dass Engine 2 noch Vorwärtsschub erzeugt hat und dadurch die Spoiler und Auto-Brake nicht in Kraft traten?:confused: Ich kenn mich da nicht so aus. Danke euch schonmal.

Wie es auch in diesem Forum diskutiert wurde war scheinbar der TL (Thrustlever) von Engine 2 noch auf der CLB-Setting, während der von Eng 1 auf Idle zurückgeschoben wurde. Sobald der Autothurst über den seitlich am TL angebrachten Schalter deaktivert wird, übernimmt das FADEC die aktuellen Stellungen des TL für die Schubsetzung. In diesem Fall hat das bedeutet, dass Eng 1 auf Idle gegangen ist und Eng 2 auf den für die Stellung CLB entsprechenden EPR Wert. Und CLB ist eine vergleichsweise starke Schubstellung, zwar nich Vollgas aber schon ordentlich Schub.

Und dadurch, dass ein Schubhebel nicht "at or near idle" (so steht es im A320 AOM) war konnten die Ground Spoiler nicht ausgefahren werden. Dieser Schutzmechanismus existiert auch bei anderen Flugzeugtypen.

Ground Spoiler Logik nachzulesen in Kapitel 1.27.10 auf Seite P12:
http://www.smartcockpit.com/site/pd.../airbus/A320/systems/A320-Flight_Controls.pdf

Details zum A320 Schubhebel und seinen Settings in Kapitel 1.22.30 ab Seite P59:
http://www.smartcockpit.com/site/pdf/download.php?file=plane/airbus/A320/systems/A320-Autoflight.pdf
 
Vielen Dank MANAL, werde mich mal da reinlesen. Gibt's da nicht einen Schutzmechanismus gegen sowas? Sonst ist doch alles irgendwie doppelt und dreifach gesichert.:help:
 
Vielen Dank MANAL, werde mich mal da reinlesen. Gibt's da nicht einen Schutzmechanismus gegen sowas? Sonst ist doch alles irgendwie doppelt und dreifach gesichert.:help:
Wenn du mit "sowas" bei Schubhebel weit weg von Idle kein Autobrake oder keine Groundspoiler meinst, dann ist das ja schon ein Schutzmechanismus.

Bei einem Go Around will man ja beides nicht haben...
 
Nee eigentlich nicht. Ich meinte damit, dass man so stark unterschiedliche "Schubeinstellungen" setzen kann; einmal starker Vorwärtsschub und einmal Idle. Oder kann das nur der Pilot einstellen und es handelte sich hier um einen Pilotenfehler?
 
Also für mich sieht's recht eindeutig nach nem Bedienfehler aus; klar, die Situation ist an sich schon "tense", halbwegs schwerer Bus im Anflug auf ne kurze Bahn bei Nacht, rutschige Bahn und 1 Reverser inop...Erschwerend kommt hinzu, dass ja normalerweise beim reversen die engines auch wieder hochlaufen, dann halt mit offenem Reverser. So ist halt das linke engine im Reverse-mode hochgelaufen, das rechte ohne...
Manche halten die Tatsache, dass sich beim Bus die Thrustlevers bei Autothrust engaged nicht mitbewegen und somit über weite Teile des Flugs nur "Thrust-mode selectors" sind, als hinderlich, um sofort zu erkennen, was los ist...Sollte aber doch eigentlich für jemanden mit Erfahrung auf dem Flieger kein Problem sein?
 
Nochmal Danke an Manal. Hab mich mal reingefitzt und wollte nur nochmal fragen ob ich alles soweit richtig verstanden habe. Auto Thrust war aktiv bis zur Landung. Als dann der Reverser an Triebwerk 1 aktiviert wurde, flog der ATHR raus und der Schubhebel von Engine Nr. 2 blieb da wo er war, bei CL, und erzeugte ab diesem Zeitpunkt den Vorwärtsschub. Daurch wurde die Autobrake und die Spoiler nicht aktiviert und den Rest kennen wir leider.:(
 
Nochmal Danke an Manal. Hab mich mal reingefitzt und wollte nur nochmal fragen ob ich alles soweit richtig verstanden habe. Auto Thrust war aktiv bis zur Landung. Als dann der Reverser an Triebwerk 1 aktiviert wurde, flog der ATHR raus und der Schubhebel von Engine Nr. 2 blieb da wo er war, bei CL, und erzeugte ab diesem Zeitpunkt den Vorwärtsschub. Daurch wurde die Autobrake und die Spoiler nicht aktiviert und den Rest kennen wir leider.:(

So würde ich es aus dem Manual auch entnehmen. Ganz klar ist mir allerdings nicht wieviel Schub das Eng 2 nach deaktivieren des ATHR geliefert hat. Mit den EPR-Werten der IAE-Triebwerke kann ich ehrlich gesagt nix anfangen. Wieviel N1 ist denn 1.2 EPR? Kann uns da jemand einen Tip geben?

Bei diesem tragischen Unfall muss man sich wirklich die Frage stellen warum nicht der TL2 auch auf Idle gezogen wurde. Wäre ja normalerweise die übliche Handlung. Auch bei der Airbus-Logik ist zumindest eines klar, ist der Schubhebel auf Idle, dann ist auch das Triebwerk auf Idle, egal ob die Automatik an ist oder nicht.
Und dass ich beim Aufsetzen nur einen TL auf Idle ziehe ist schon sehr seltsam. Vor allem, dass die Piloten das Eng 2 nichtmal bis zum Crash in den Leerlauf ziehen. Im Notfall hätt ich halt ganz nach dem Motto "vielleicht geht ja doch irgendwas" da auch mal den Reverser noch aufgezogen.

Die Piloten haben sich wohl irgendwas (leider fatalerweise völlig falsches) gedacht als sie nur einen Schubhebel betätigt haben.

Aber Zeitdruck, hohe Arbeitsbelastung, Stress und schlechtes Wetter führen leider immer wieder zu Fehler bei denen man sich frägt warum jemand nicht das naheliegende gemacht hat. Umso wichtiger ist da natürlich auch die Flugvorbereitung wenn irgendwelche Dinge "non-Standard" sind, wie z.B. der defekte Reverser. Da sollte man sich doch besser nochmal genauer überlegen was zu tun ist und wie das eingeschränkte System funktioniert.

Bleibt nur mein Mitgefühl den Opfern und den Hinterbliebenen und die Hoffnung aus solch einem Unfall zu lernen und die Fehlerquellen zu analysieren und für die Zukunft zu vermeiden.
 
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