... Ich hatte mich nach der Planfeststellung recht intensiv mit den eingereichten Unterlagen beschäftigt und kann mich nicht erinnern, dass da jemals von einer höheren maximalen Kapazität die Rede gewesen wäre. ...
Na unter diesen Umständen durfte es Ihnen sicher keine Mühe bereiten, die von Herrn Kerkloh genannten 440 Tsd. unmittelbar und "sauber belegt" mit den entsprechenden Gutachten nachzuweisen.
Um zu vermeiden, dass wir uns hier nur wegen Missverständnissen zu Definitionen in die Haare kriegen, hier die meinen bzw. was ich aus den Gutachten zusammengetragen habe:
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"Betonkapazität" : maximale Kapazität eines S/L Systems in Bew/h unter Einbeziehung der relevanten luftseitigen Parameter und des Flugzeugmixes. Keine Beachtung/Begrenzung der auftretenden relativen Verspätungen. Entscheidend ist nur der in Hinsicht Flugsicherung maximale Durchsatz im Best Case.
"Planbare Kapazität" : oder auch "(max.) Koordinationseckwert", Bruchteil der Betonkapazität in Bew/h, die unter Vorgabe einer bestimmten mittleren Verspätung (i.a. üblich 4 Minuten = "gute Servicequalität", aber auch 5 oder mehr ...) planbar genutzt werden kann.
"Planbare Jahreskapazität" : Ergibt sich aus : ( Planbare Kapazität * Betriebsstunden + Nachtflug ) * 365
"Nutzbare Jahreskapazität" : Bruchteil der "Planbaren Jahreskapazität", berücksichtigt typische tages-, wochentages- und jahreszeitliche Schwankungen bei den Flugbewegungen aufgrund des entsprechenden Verlaufs der Nachfrage.
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Natürlich gilt:
(Jahres)Betonkapazität >= Planbare Jahreskapazität >= Nutzbare Jahreskapazität
Nun zu Zahlen:
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"Betonkapazität": Tatsächlicher Wert für MUC unveröffentlicht, im Realbetrieb sind Werte bis 117 Bew/h (2005) belegt (Spitzenstunde, Stat. Jahresbericht 2005). Seit 2007 wird dieser Wert nicht mehr veröffentlicht.
"Planbare Kapazität" : Im Gutachten "Funktionsnachweis der luftseitigen Verkehrsflüsse ...", DFS 2007 wird durch Simulation der Betriebsabläufe ein Wert von
93 Bew/h für das 2-Bahn System ermittelt. Die Methode wird detailliert beschrieben. Ein einer Stelle steht "Die von der Abteilung TES bei der DFS eingesetzte Simulationssoftware TAAM ermöglicht eine
sehr realitätsnahe und detaillierte Abbildung der luftseitigen Verkehrsabläufe auf Flughäfen und in Lufträumen, sowie deren vielschichtige Auswertung." Soweit ersichtlich beeinhaltet die Simulation alle wesentlichen Betriebsabläufe und geht über ein bloßes Einhalten der min. Staffelungsabstände weit hinaus.
"Planbare Jahreskapazität": Dazu muss die mögliche Nachtflugkapazität abgeschätzt werden - in München ist ja ein Lärmkontingent vorgegeben. Unter Betrachtung des derzeitigen Aufkommens (im Mittel etwa 60 Bew/Nacht bei etwa 60% Ausnutzung des Kontingentes) kommt man auf ca. 100 Bew / Nacht. In Summe also:
= ( 93 Bew/h * 16h + 100 Bew ) * 365 = ca. 580 Tsd. Bew / a
"Nutzbare Jahreskapazität" =
(Siehe - wie von Ihnen zitiert - LVP 2007, S155 unten)
= Planbare Stundenkapazität / Spitzenstundenanteil * Überschreitungskoeffizient
= 93 Bew/h / 0,21 Promille * 1,1 = 487 Tsd.
Sie haben recht, dass eine Spitzenstundenanteil von 0,21 Promille bislang erst in FRA und LHR erreicht worden ist. Somit ist allerdings auch belegt, dass die Annahme nicht unrealistisch ist. Ausserdem wurde der Überschreitungskoeffizient mit 1,1 eher konservativ (als Mittelwert und nicht Spitzenwert von Vergleichsflughäfen) gewählt.
Den von Ihnen verwendeten Begriff "theoretisch maximale Kapazität" finde ich in den Gutachten nicht. Angesichts des Zahlenwertes meinen Sie damit vermutlich die "Nutzbare Jahreskapazität".
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Was ist noch bekannt?
- für den Planungsnullfall wurden für 2020 und 2025 473 bzw. 480 Tsd. Bew. pro Jahr prognostiziert. Dabei handelt es sich um real erwartete, nicht theoretisch / hypotetisch / max. mögliche Bewegungen. Grundlage (zumindest der 2020 / 473 Tsd. Prognose) ist ein durch die FMG erstellter Planungsflugplan (siehe LVP 2007), der die von der Intraplan prognostizierten Passagieraufkommen korrekt abbildet und dabei auch m.W.n. realistische Flugdaten und konkrete Umläufe enthält.
- diese 473 / 480 scheinen realistisch, da sowohl in FRA als auch in LHR ähnliche Jahresbewegungszahlen mit verleichsweise deutlich geringeren KEW ( FRA z.B. 82 Bew/h) abgewickelt wurden. Natürlich hatte FRA da kein Nachtflugverbot, das tatsächliche Aufkommen ausserhalb der Tageszeit von 6-22 Uhr war aber nicht wesentlich größer als das mögliche Nachtflugkontingent in München.
- dieser Planungsflugplan für MUC 2020 beschreibt den typischen Spitzentag. Darin sind rund 1550 Bew/Tag enthalten. Im Mittel (473 Tsd. / 365) treten dabei rund 1295 Bew/Tag auf. Das Verhältnis typ. Spitzentag / durchschnittlicher Tag = 1550 / 1295 = ca. 1,2 ist dabei sogar etwas größer als die tatsächlichen Werte z.B. in 2014 (stat. Jahresbericht: ca. 1200 / 1032 = ca. 1,18). Das ist bemerkenswert, da man bei einer Sättigung der vorhandenen Kapazität doch von einer Annäherung von (typ.) Spitzenwert zu Mittelwert ausgehen sollte.
- Im Planungsflugplan (Nullfall) für den typ. Spitzentag 2020 tritt im Tagesmittel ein KEW von rund 90,6 auf. Nur zeitweilig wird 93 Bew/h erreicht.
Ergo: Die besagten 473 / 480 Tsd. Jahresflugbewegungen sind hinsichtlich vorh. Kapazität ("Nutzbare Jahreskapazität") als realistisch zu betrachten. Das heißt allerdings nicht, dass der tatsächliche Bedarf derartige Bewegungszahlen (in diesen Jahren oder je) hervorbringen wird.
NB: Gleich meine Entschuldigung für die längliche Antwort