Bangkok - vor dem Rückflug
Auf dieser Reise durfte ich in der First Class fliegen und ein paar mal in sehr guten oder aussergewöhnlichen Hotels übernachten. Am schönsten war aber die einfache Herberge, die Lodge mitten im Regenwald im Norden Australiens bei Cocktown. Auch sehr schön und am besten war das viktorianissche Observatory in Sydney. Stil, Service und beste Küche – gewiss einmalig und seine vielen Sterne wert. Aussergewöhnlich war das Waterfront Hilton in Auckland mitten im Hafen auf einem Pier (ich habe noch nie mitten im Hafen geschlafen und vom Zimmerbalkon aus beobachtet können, wie ein Schiff anlegt und seine Ladung löscht). Und ungewöhnlich war auch das Mariott Resort in Bangkok. Deshalb berichte ich etwas über dieses Hotel und meinem Empfang dort. Ich muss aber auch deshalb von diesem Hotel berichten, weil es auf meinem letzten Flug zurück nach München doch etwas Einfluss genommen hat.
In Bangkok ist mir nach der Landung alles abgenommen worden. Mein Empfangthai lotst mich durch die Diplomatenpasskontrolle (obwohl ich keiner bin), das Geld ist gewechselt (trotz Schlange am Change-Counter) der Koffer ist schnell in der Hand meines Begleiters (während alle anderen Passagiere am Gepäckband noch warten), der Taxi Driver weiss Bescheid (über den Higway bitte ins Hotel) und das Mariott weiss auch irgendwoher, dass ich komme: Auf dem Meldezettel ist meine Heimatadresse schon eingetragen – und zwar fehlerfrei!
Der Checkin im Mariott ist gewohnt routiniert, wie man es in einer 5 Sterne Kettenherberge erwartet darf – ähnlich routiniert, wie es weltweit die Arbeits-Abläufe bei McDonalds sind. Ich zolle Respekt, wenn es einer Organisation gelingt, auf dem gesamten Globus und in allen Kulturen die gleichen Standards einzuhalten, wie sie einmal in Amerika eingeführt worden sind (ob dieses für eine fremde Kultur gut ist, ist eine andere Frage, die ich persönlich sehr kritisch betrachte und hier nicht diskutieren will, da es nicht zum Thema passt). Ich oute mich aber jetzt als ein McDonald Fan: Wo immer ich bin auf dieser weiten Welt ein paar Tage bin: Ich esse mindestens einmal bei meinem Aufenthalt bei McDonalds. Das gibt mir ein Heimatgefühl, so sonderbar es klingt. Ich kriege etwas, was ich gewohnt bin. Auch in Bangkok hatte ich zwei Hamburger gegessen. Auch internationale Hotelketten geben mir dieses Heimatgefühl: Man kennt sich sofort aus, man fühlt sich zu Hause – egal, auf welchem Kontinent und in welchem Land ich gerade bin.
Im Mariott bringt mich ein Thai auf mein Zimmer, der Koffer liegt schon da. Er zeigt mir alles, was ich schon weiss: Wo der Lichtschalter ist, wie man den Fernseher entdeckt, wie man die Klimaanalage regelt. Ich bin das erste Mal in diesem Hotel, aber ich kenne es schon. Es ist eben dieser weltweite Standard, der mich heimisch fühlen lässt. Der Lichtschalter ist dort, der Regler für die Klimaanlage funktioniert so, den Bademantel finde ich im Schrank, die Hausschuhe liegen meist neben dem Tresor .... Mein Zimmerthai erklärt mir stolz mein ganzes Zimmer. Ich höre ihm zu, ich sage „Yes“, ich mache sogar nach, was er mir gerade erklärt hat. Ich taste die einzelnen Tasten, obwohl ich eigentlich müde bin. Ich versuche meinem Thai zu zeige, dass ich ihn verstanden habe. Er bedankt sich mit einem Lächeln, mit gefalteten Händen und einer Verbeugung.
Ich bedanke mich einem Lächeln und mit Trinkgeld. Das tue ich gerne. Doch mit dem Trinkgeld ist das so eine Sache. Wieviel soll man geben, wieviel darf man geben? Was ist angemessen? Das ist von Kultur zu Kultur und von Land zu Land unterschiedlich. Es gibt sogar Länder und Kulturen, wo Trinkgeld eine handfeste Beleidigung darstellt. Das sollte man vorher wissen, wenn man ein Land bereist. Ich muss gestehen, dass ich mich nicht informiert habe, was in Bangkok üblich ist (obwohl ich schon ein paar mal in Thailand war, aber man vergisst so vieles, man merkt sich in meinem Alter ja nicht mehr alles). Normalerweise frage ich vorher, oder lese es nach. Doch diesmal hatte ich es vergessen, mich kundig zu machen, bei dieser Einreise nach Thailand.
Ich habe für Trinkgeldsituationen immer viele amerikanischen One-Dollar-Scheine im Sakko und in der Hosentasche (ich habe keine Brieftasche und auch kein Portemonaie – das hat den Vorteil, dass man mir dieses Sachen auch nicht klauen kann!). Ich gebe üblicherweise immer einen Dollar für eine kleinere Dienstleistung, wenn ich mir unsicher bin, was angemessen ist. Dsa mache ich weltweit so. Ich gebe gerne Trinkgeld. Ich gebe diesen Dollar auch meinem Zimmerthai, wobei ich schon ein schlechtes Gewissen habe: den Gepäckthai hatte ich gar nicht gesehen, und der hätte auch einen Dollar verdient gehabt, denn der hat ja meinen Kofer auf mein Zimmer gebracht. Und eine weitere Frage stelle ich mir: Waren die drei Dollar für meinem Empfangthai am Flughafen wirklich angemessen, zuviel oder zu wenig (für das einmalige Erlebnis, das er mir brachte, waren die drei Dollar zu wenig, ja zu knausrig, ich weiss). Doch ab wann fängt man an, eine gewachsene fremde Kultur durch unangemessene Trinkgeldzahlungen kaputt zu machen, ja sogar das landestypische Einkunftsvermögen durcheinander zu bringen? Ich weiss es nicht ... Ich weiss nur: Dollars sind willkommene Trinkgelder, und den Wert eines Dollars kann ich einschätzen.
Ich habe gerade vorgelesen, was ich geschrieben habe – und dabei hat man mir ins Ohr geflüstert, dass ich doch mal kurz beschreiben soll, wie ich das mit dem Trinkgeld in München so halte, wenn ich mit der Dienstleistung zum Beispiel in einem Restaurants nicht einverstanden bin, also wenn das Essen oder der Service schlecht war, oder schlimmstenfalls sogar beides. Kurzum: Was tue ich, wenn ich extrem unzufrieden bin! Dann gebe ich Trinkgeld! Ja, richtig gelesen: Ich gebe Trinkgeld, wenn ich mit einer Sache nicht zufrieden bin. Trinkgeld als Strafe sozusagen! Das geht so: Ich lasse den Rechnungsbetrag von 197,20 Euro doch gerne auf 198,00 Euro aufrunden, der Rest ist dann Trinkgeld – immerhin 80 Cent! Diese bewusste Knausrigkeit soll die geringe Wertigkeit ausdrücken, in der Hoffnung, dass dies als Kritik verstanden wird. Doch oft reagiert man pampig darauf. Dann folgt die Höchststrafe: Ich fordere eine ordentliche Rechnung – dass heisst: eine personalisierte Rechnung auf meinen Namen mit meiner Firmenanschrift mit korrekter Bezeichnung der Kapitalgesellschaft – und mit dem exakten Ausweis des Trinkgeldes. So eine Rechnung macht Arbeit, doch ich bin im Recht: Die Anforderungen an eine vollinhaltlich korrekte Rechnung ist in eindeutigen Steuerrichtlinien geregelt. Jeder Geschäftsführer eines Restaurants weiss das. Wer also einmal mit einer Dienstleitung wirklich unzufrieden ist, der kann sich über eine bewusste Trinkgeldzahlung am Retaurant rächen. Ich mache das aber nur, wenn ich extrem unzufrieden bin. Das kommt bei mir alle zwei Jahre vor. Ansonsten gebe ich gerne Trinkgeld, denn es ist meine Verbeugung vor einer Dienstleistung. So, damit beende ich den Excurs zum Thema Trinkgeld (das hat ja mit Fliegen nun gar nichts zu tun, und im Flugzeug muss man ja noch kein Trinkgeld bezahlen, vielleicht kommt das aber bald bei einigen Billigairlines als Lohn für die Flugbegleiter .... )
Zurück ins Hotel: Mit dem Mariott Resort in Bangkok hatte ich eine gute Adresse: Ich habe ein Zimmer bekommen im Hauptflügel genau in der Mitte, nur wenige Schritte vom Aufzug entfernt. Vom Balkon blicke ich über das Resort mit seinem Swimmingpool und seiner Gartenanlage auf dem Fluss hinaus, wo sich etwas Leben abspielt und Schiffe vorbeifahren. Dieses Hotel liegt mitten in Bangkok (wobei die Mitte von Bangkok sehr schwer zu definieren ist). Es vermittelt auf jeden Fall ziemlich viel Urlaubsstimmung. Es ist in der Tat ein Resort. Frühmorgens habe ich die Palmen und den Pool beim „Aufwachschwimmen“ für mich ganz alleine, das anschliessende Frühstück hat sogar Urlaubscharakter. Das Hotel wird auch eher von Urlaubern besucht. Man geht aber nach einem so guten Morgen anders an das Tagewerk heran – und man schliesst es auch anders ab. Eintauchen in den Pool, dann ein paar Minuten auf der Liege liegen, vom Urlaub träumen. Dieses Mariott hat Urlaubscharakter.
Es ist Freitag abend, und den Samstag habe ich für mich alleine, bevor ich am Sonntag endlich zurück nach München fliege. Ich nehme mir vor, an diesem Freitag meine Freiheit mit dem Abendbuffet zu eröffnen. Ein Vorhaben, das ich lieber nicht hätte machen sollen. Erstens schmeckt es mir nicht unbedingt, denn nach drei Wochen meist doch edlem Essen ist mir eigentlich nach einem Schweinbraten oder besser noch nach einem paniertem Kotelett zumute, dazu ein Fransziskaner Weissbier. Darüber würde mich jetzt wirklich freuen. Doch ich bin in Bangkok und gehe ans Buffet, wo es sicherlich viel Gutes gibt, frisch zubereitet von den vielen Mariott-Köchen – frisch gegartes Fleisch oder Fisch, man steh dabei, wie es bruzelt. Ich starte diesen Reiseabschlussabend, den ich ganz für mich alleine habe, mit Austern – mit vielen Austern. Man gönnt sich ja sonst nichts, und ich habe schon lange keine Austern gegessen, also hole ich nach. Dann geht es weiter mit dem grossen Fressen, bis ich - so verrückt wie ich gerade drauf bin – ich mich ins Cafe abseits des Buffets setze, und dort noch einen guten Schockoladenkuchen esse. Sozusagen als Abschluss: Eine Reise ist zu Ende, da lass dir mal den Magen vollschlagen, auch wenn du eigentlich auf viele Leckereien gar keinen Hunger hast. Ich weiss bis heute nicht, warum ich an diesem Abend eine Fressorgie veranstaltet hatte, ganz alleine für mich. Ich weiss nur, dass ich mich auf Samstag freute: auschlafen, dann der Pool und dann das Frühstück, dann mit dem Boot ins Zentrum Bangkoks, dann das private Eintauchen ins quierlige Leben dieser asiatischen Metroplole. Ich liebe Städte, in denen sich in jeder Strasse Leben abspielt. Ich bin süchtig danach. Ich freue mich, und gehe schlafen.
So gegen vier Uhr bin ich wach geworden. Es drückte irgendwie. Ich lag wach da und dachte, es wird schon irgendwie weggehen, diese komische Gefühl im Bauch und Magen. Doch Bauch und Magen dachten genauso wie mein Kopf: Es soll etwas weggehen, und es ging auch etwas weg – zuerst über den Mund, dann über den Hintern. Ich musste mich übergeben – und das nicht nur einmal. Ich glaube, es waren ein paar Austern zuviel. Auch mein Darm funktionierte nicht mehr so richtig. Ich erlebte eine neue Dimension von Durchfall – eine Dimension, die ich so noch nie erlebt hatte (wobei die Krankheit, die man gerade erlebt, immer die schlimmste ist, denke ich mal). Um sieben Uhr morgens war mir bewusst: Den Bangkok-Besuch kann ich streichen! Den Tag werde ich im Bett ohne Essen erleben! Appetit habe ich sowieso nicht. Ich werde viel Trinken müssen, Tee und vielleicht Cola! Ich sollte versuchen, so schnell wie möglich wieder reisefit zu werden. Ich kann keinen Tag dranhängen. Ich muss am Sonntag nach München, denn ich sitze am Dienstag schon wieder im Flugzeug. Ich brauche den Montag in München, um mich mit meinem Team auf den nächsten Termin vorzubreiten. Ich muss also zurück, obwohl ich lieber einen Tag mehr gehabt hätte, um mich zu erholen.
Man bietet mir an, den Arzt zu holen. Ich bin stolz, möchte nicht wehleidig erscheinen und auch meine Erfahrung zeigen, dass ich mit einer solchen Situation schon ganz gut alleine umgehen kann, denn mir ging es ja schon manchmal schlecht im fernen Ausland. Ein Arzt also? Nein Danke, sage ich, eine Apotheker tut es auch. Im Rückblick kann ich es nicht erklären, warum ich eine solche Antwort gegeben habe. Wo ist der Unterschied zwischen Arzt und Apotheker? Ich habe auch nicht in München angerufen, um meinen Krankheitsstand zu erklären. Ich habe es dann nicht mit einem Apotheker zu tun, sondern mit einer Apothekerin. Sie gibt mir die üblichen verdächtigen Mittel: Antibiotika gegen das drohende Fieber, Immodium Akut gegen den Durchfall, dann ein Medikament gegen den Brechreiz und noch eine weiter Pille, an die ich mich nicht mehr erinnere.
Ich schlucke alles brav nach Fahrplan, ich liege in meinem Zimmer, ich liege im Bett, ich schaue TV und zappe rum, bei gewohnten Bilder bleibe ich plötzlich stecken: Ich sehe im japanischen Fernsehen einen Bericht über München (!) – einen wirklich aussgewöhnlich netten Bericht, den man sogar auch ohne Japanisch-Kenntnisse versteht. Ein Reporter und sein Kameramann gehen durch Haidhausen und sprechen spontan Münchner an, was sie so machen. Eine Münchnerin ist Kindergärtnerin, und das japansche Fernsehen ist dann gleich im Kindergarten. Es war ein Bericht, der mich gefesselt hat. Es wird Zeit, das ich heimkomme...
Der Samstag, den ich zur Erholung geplant hatte, geht im Bett irgendwie rum. Abends meine ich, ein Hungergefühl zu verspüren – denn schliesslich habe ich seit 24 Stunden nichts gegessen. Der Roomservice soll mir Weissbrot bringen - schlichtweg einfaches Weisssbrot. Das bestelle ich. Das ist eine ungewöhnliche Bestellung im Mariott. Nur Weissbrot? Der Roomservice kommt: Ich erhalte auf einem Tablett viele Toastbrote, ganz viele Toasts - dazu Butter und Marmelade, dazu Käse und Schinken. Ich schicke den armen Thai wieder weg (wenn ich mich nicht wohl fühle, bin ich nicht gut erträglich im direkten Kontakt, der Thai möge es mir verzeihen). Die Küche ruft an, was denn falsch gewesen sei. Alles, schimpfe ich! Die Küche sagt, dass man meine Wunschbestellung nicht verbuchen könnte – das gäbe es nicht in der Buchungsmakse. Ich versuche es jetzt ganz einfach zu machen: Just Rice, no Spicy, just Boiled Rice. Der Versuch scheitert (schon an meinen Wort boiled!) Der Roomservice kommt: Reis im warmen Wasser! Dazu etliche nett dargebotene Saucen – von Süss sauer bis weiss der Teufel was. Dazu Brot, nicht Weissbrot, sondern kleine Brötchen. Alles lieb gemeint. Alles auf einem grossen Tablett. Schön angerichtet. Mir aber ist der Appetit vergangen. Ich lasse alles stehen, und versuche einzuschlafen, trinke viel Tee, und schlucke meine Pillen. Mein einziger Trost: Draussen gewittert es, der Regenschauer ist rekordverdächtig, der Wind auch. Mit meinem IPhone mache ich davon Fotos! Bangkok bei Blitz und Donner. Ich wünsche mir Gutes: Morgen geht es nach München, so Gott will und ich wirklich fit bin. Ich wünsche es mir. Ich möchte zurück. Ich freue mich auf meine Leute. Ich freue mich, in München abgeholt zu werden. Drei Wochen können schon lange sein – trotz Telefon und Mails. Irgendwann bin ich dann eingeschlafen.