Flug im A380 Business Class
Eine hübsche Singapore-Stewardess empfängt mich an der Oberdeck-Türe. Sie wirkt fast wie eine Puppe. Sie geleitet mich zu meinem Sitz: 15 K. Er ist ganz vorne im Oberdeck. Es ist der neue Business-Class-Schlafsitz von Singapore Airlines im A380.
Mein Schlafsitz. Was für ein Sitz. Ich schaue ihn mir an. Er ist beige, das Leder dunkelbraun. Er ist groß, sehr groß. Man würde sagen: Er hat Masse. Viel mehr Masse als die zarten First-Class-Sitze von Lufthansa. Er ist schwer zu beschreiben, deshalb setze ich mich mal hin. Er ist breit, sehr breit. Man muss sich entscheiden, ob man lieber den rechten oder linken Arm auf eine der beiden schmalen Armlehnen legen möchte. In das entsprechende Eck dieses Sitzes muss man sich dann aber auch setzen. Beides gleichzeitig geht nicht. Ich schätze, der Sitz ist einen Meter breit. Mir kommt er doppelt so breit vor, wie der First-Class-Sessel von Lufthansa. Man könnte sich zu zweit gut in diesen Sitz kuscheln, wenn man denn eine Kuschelpartnerin hätte. Ich habe keine. Deshalb brauche ich jetzt große Kissen. Eins liegt schon da, zwei weitere kommen. Ich lege sie auf die Gangseite, denn an der Fensterseite habe ich viele Ablagen und Fächer auf Armlehnen-Höhe. Ich könnte in diese Fächer zwei mal 10 kg Handgepäck tun, steht da geschrieben. Soviel habe ich aber nicht. Nur 3 kg ingesamt. Und die sind schon oben verstaut. Ich lege mal den Kerkeling auf die Fensterablage, vielleicht lese ich ja. Unter der Ablage finde ich ein kleines Fach. Da tue ich meine persönlichen Ohrhörer mitsamt IPhone rein. Musikhören werde ich auf jeden Fall. Auch für eine große Flasche ist schon mal passend Stauraum da.
Am Vordersitz ist der grosse Flachbildschirm angebracht. Er ist so nach hinten zu mir versetzt, dass man die Türchen für weitere Ablagen links und rechts vom Bildschirm ohne Aufstehen gut erreicht. Auf der rechten Seite finde ich unten im Vordersitz die große Ablage für meine Füße, wenn ich mich denn ausstrecken möchte.
Das Boarding ist beendet. Die Business Class ist voll, kein Sitz mehr frei. Vielleicht stimmt es ja doch, dass die Maschine komplett ausgebucht ist und ich von Glück reden kann, an Bord zu sein. Der Flight Manager bringt mir die Kopie meines handgeschriebenen Tickets (das Original braucht er zur Abrechnung mit Lufthansa) und entschuldigt sich für die Unannehmlichkeiten und fragt, ob ich mit dem Sitzplatz zufrieden bin. Es geht los. Der A380 ist leise, schon beim Anlassen der Triebwerke, auch beim Rollen zur Startbahn und beim Start Richtung Sydney - ein acht Stunden Nachtflug, vier Stunden kürzer als München - Singapur, aber der zweite Nachtflug in Folge.
Wir fliegen, aber der Sitz beschäftigt mich weiter. Ob ich ihn schön finde? Nein, er ist zu massig und erinnert mich an einen Strandkorb. Man hat zwar seine Privatsphäre, man kann sich im Sitz ja fast verstecken. Aber er hat keine Leichtigkeit. Die Businessclass wirkt deshalb verbaut. Die Gänge sind schmal. Man blickt nur auf wuchtige, beige Sitzelemente.
Aber er ist praktisch: Der Sitz soll sich sogar in ein richtiges Bett verwandeln lassen - ein richtiges Bett ohne Ritzen. Ich drücke darum alle Knöpfe: Die Fußstützen gehen nach oben, die Sitzfläche nach vorn, die Rückenlehne nach hinten. Ich habe jetzt zwar einen bequemen Fernsehsessel, aber kein richtiges Bett. Und nach meiner Logik geht es auch nicht, da vorne und hinten nicht genügend Platz vorhanden ist.
Es gibt Abendessen, schon wieder Essen. Soweit ich mich erinnere, habe ich ein asiatisches Rindfleischgericht mit Nudeln gewählt. An die Vor- und Nachspeise kann ich mich nicht mehr erinnern. Vermutlich liegt es daran, dass mich der Sitz so beschäftigt, weil ich die Konstruktionsweise verstehen möchte. Wie mache ich daraus jetzt ein zwei Meter langes Bett?
Ich kapituliere. Im Bordprogramm gibt es einen kleinen Film, der zeigt, wie man mit einem Handgriff aus dem Sitz ein Bett macht. Ich spiele den Film ab. Hut ab vor diesem Konstrukteur, der auf diese einfach Idee gekommen ist. Man muss nur die Rückenlehne nach vorne (!) klappen, schon hat man das Bett - fertig bezogen mit Bettlacken und Decke. Man liegt im 45 Grad Winkel, die vorhin beschriebene Fußablage ist dann das etwas schmale Bettende. Die Stewardess sieht es, kommt sofort zu mir und deckt mich mit der Bettdecke zu. Genau wie im Film. Mir ist das fast zuviel Nähe von einer Stewardess. Da liege ich nun, obwohl ich ja noch gar nicht schlafen will, sondern nur das Bett ausprobieren wollte. Das machen mir jetzt aber fast alle nach. Meine Reihe geht komplett schlafen, die einzelnen Lichter gehen aus. Nur an einem Sitzplatz ist noch Licht.
Als ich wieder aufwache, ist dieses auch aus. Ich höre nur ein grosses Massen-Geschnarche. Ich glaube, jeder der 20 Passagiere vorne ist ein Schnarcher, auch die einzige Dame unter uns. Ich denke an Eugen Roths Vers: Ein Beispiel, dies mach dir klar, der Schnarcher selbst schläft wunderbar. Ich schlafdöse wieder (und schnarche wahrscheinlich auch) und wache wieder auf. Ich setzte mich im Schneidersitz auf das Bett und schaue aus dem Fenster. Es ist Vollmond. Man sieht die Tragfläche und die sehr grossen Triebwerke im Mondlicht. Diesen Anblick lasse ich eine Weile auf mich wirken - vermutlich, weil ich noch nie in einem Flugzeug im Schneidersitz auf einem Bett gesessen habe. Dann schlafe ich wieder - und so geht das bis ich entscheide, als erster das Licht anzumachen. Die Stewardess kommt und fragt, ob ich frühstücken wolle. Ja, sage ich. Frühstück im Bett! Das geht: Ich sitze im Schneidersitz, vor mir der Tisch. Das Frühstück ist bei Singapore Airlines sehr aufgreäumt und übersichtlich: Eine große Porzellanschale mit ein wenig frischen Früchten drin. Dann gibt es etwas Butter und Marmelade, dazu Brötchen. Reicht eigentlich auch. Nur das Plastikmesser passt nicht zum Edelstahlbesteck.
Ich mache mich mal wörtlich auf die Socken und versuche, diesen Riesenairbus zu erkunden. Die Toilette ist ein Raumwunder. Endlich Platz, viel Platz. Vorne geht eine breite Treppe nach unten, sie ist aber durch eine Kordel abgesperrt. Hinter uns setzt sich die Businessclass fort, dann kommen ein paar Economy-Sitze auf dem Oberdeck, und dahinter ist auch eine breite Treppe, die zum Hauptdeck führt. Dort sieht man 300 oder mehr Economyplätze - alles schmale Flugsitze, soweit das Auge reicht.
Wir landen in der Samstags-Morgendämmerung in Sydney. Gerade noch rechtzeitig da. Ich stehe am Gepäckband. Trotz Priority ist mein Gepäck nicht das schnellste. Schnell bin ich aber in der Stadt. Sie wirkt um halb sieben am Samstag morgen wie ausgestorben. Im Hotel erwartet man mich schon. Es ist das "Observatory" mitten in Rocks, dem alten Stadtviertel von Sydney gleich bei der Harbour Bridge. Ein kleines, aber feines Haus. 50 Zimmer. ein Restaurant, eine Bar, 6 Sterne. Wer mal zufällig in Sydney dort eingeladen ist, sollte diese Einladung nicht ablehnen.