Statement von Dr. Michael Kerkloh, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Flughafen München GmbH, anlässlich des Pressegesprächs zum Beginn der Planungen für eine dritte Start- und Landebahn
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich freue mich, dass Sie trotz der kurzfristigen Einladung so zahlreich zu diesem Pressegespräch erschienen sind. Ich denke, dass dieses starke Medieninteresse die große Bedeutung unseres heutigen Themas unterstreicht.
Wie Sie ja bereits der Einladung zu diesem Termin entnehmen konnten, haben uns unsere Aufsichtsgremien gestern -vorbehaltlich der Zustimmung durch den bayerischen Ministerrat und den Stadtrat der bayerischen Landeshauptstadt - die Genehmigung erteilt, die Planungen für eine Erweiterung unseres Bahnsystems aufzunehmen. Wir haben damit die Chance, die überaus erfolgreiche Wachstumsentwicklung unseres Münchner Flughafens fortzusetzen und diesen leistungsfähigen Airport dauerhaft im Kreis der führenden europäischen Luftverkehrsdrehscheiben zu etablieren. Wir wollen diese Chance nutzen, indem wir jetzt unverzüglich mit den Planungen für eine dritte Start- und Landebahn beginnen.
Bevor ich auf das weitere Prozedere zu sprechen komme, möchte ich ihnen noch einmal darlegen, warum diese dritte Bahn für die Zukunft unseres Flughafens von so zentraler, ja existenzieller Bedeutung ist. Dass wir uns 13 Jahre nach der Flughafeneröffnung überhaupt mit diesem Thema beschäftigen, hat natürlich zuallererst mit der enormen Wachstumsdynamik dieses Airports zu tun. Seit 1992 ist das Passagieraufkommen in München pro Jahr um durchschnittlich 6,9 Prozent gestiegen, die Anzahl der Starts und Landungen nahm um durchschnittlich 6,4 Prozent zu. Sowohl das Passagier- als auch das Bewegungsaufkommen haben sich seit 1992 mehr als verdoppelt. Um dieses enorme Wachstum überhaupt bewältigen zu können, haben wir in den vergangenen Jahren bereits eine ganze Reihe von Ausbaumaßnahmen im Bereich der Passagierabfertigung durchgeführt. Ich darf hier an die verschiedenen An- und Ausbauten beim Terminal 1, vor allem aber an den Bau des Terminal 2 erinnern. Darüber hinaus haben wir auch unser Angebot im sogenannten Non-Aviation-Bereich massiv erweitert - denken Sie nur an das 1999 eröffnete München Airport Center.
Wir haben also in den letzten Jahren nicht nur eine neue Flughafenquantität, sondern auch eine neue Flughafenqualität geschaffen. In enger Zusammenarbeit mit unseren Partnern - insbesondere der Deutschen Lufthansa, mit der wir gemeinsam das Terminal 2 betreiben - ist es uns gelungen, den Münchner Flughafen zu einem internationalen Luftdrehkreuz - oder wie man in der Branche sagt - zu einem leistungsfähigen Hub weiterzuentwickeln. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Wir müssen den Hubausbau in den kommenden Jahren weiter konsequent vorantreiben und insbesondere den Langstreckenverkehr noch erheblich verstärken, um München dauerhaft als eine der führenden europäischen Drehscheiben etablieren zu können.
Während der Flughafen insgesamt seit 1992 also bereits einige gravierende Veränderungen erfahren hat, besteht unser Start- und Landebahnsystem heute wie bereits im Jahr 1992 noch immer aus zwei parallelen, 4000 Meter langen Runways. Dieses Bahnsystem ermöglicht uns im Sommer 2005 pro Stunde maximal 89 planbare Starts und Landungen abzuwickeln. Das ist der Koordinationseckwert, der in den letzten Jahren durch eine ganze Reihe von Maßnahmen kontinuierlich erhöht worden ist. So wurden beispielsweise zusätzliche Schnellabrollwege angelegt, Kurvenradien optimiert und Staffelungsabstände verkürzt, um die Kapazität des bestehenden Bahnsystems aufzustocken. Inzwischen haben wir allerdings einen Punkt erreicht, an dem selbst durch weitere Optimierungen keine nennenswerte Kapazitätserhöhung mehr erzielt werden kann.
Wenn wir die Wachstumsprognosen für die kommenden Jahre zugrunde legen, so zeichnet sich ab, dass wir uns bereits in naher Zukunft mit Kapazitätsengpässen im Bahnsystem beschäftigen müssen. Voraussichtlich bereits ab 2008, spätestens aber ab dem Jahr 2010 ist eine bedarfsgerechte Bereitstellung von Bahnkapazitäten für den Luftverkehr in München mit dem gegebenen Zwei-Bahn-System definitiv nicht mehr möglich.
Wenn wir also nicht unverzüglich mit der Planung einer dritten Bahn beginnen, entziehen wir dem weiteren Wachstum des Münchner Flughafens die Grundlage. Mehr noch: Langfristig würde der Münchner Flughafen nicht nur Wachstumschancen verspielen, sondern auch erhebliche Teile des bestehenden Verkehrsangebotes verlieren. Lufthansa und andere Gesellschaften wären dann nämlich gezwungen, ihre Umsteigerverkehre über andere Flughäfen zu führen. München verlöre mit seiner Hubfunktion einen Grossteil seiner Langstrecken und fiele dadurch auf den Status eines Zielflughafens von eher regionaler Bedeutung zurück. Die Konsequenzen eines solchen Szenarios würden weit über den Flughafenzaun hinausreichen. Denn im gleichen Maße, in dem ein boomender Münchner Flughafen Konjunktur und Beschäftigung im gesamten süddeutschen Wirtschaftsraum ankurbeln kann, würde ein schrumpfender Münchner Airport die Standortqualität beeinträchtigen und den Arbeitsmarkt belasten.
Um das hier noch einmal unmissverständlich klarzustellen: Eine Option, den Luftverkehr auf dem heutigen Niveau einzufrieren, gibt es nicht. Wenn wir unseren Steigflug nicht fortsetzen, ist die einzige Alternative der Sinkflug.
Wir wollen - auch und gerade im Interesse des gesamten süddeutschen Wirtschaftsraumes - die Erfolgsgeschichte dieses Airports als Aktivposten der Infrastruktur und leistungsfähige Jobmaschine fortsetzen. Um die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit unseres Flughafens und der gesamten Region nachhaltig zu sichern, benötigen wir eine Bahnkapazität von mindestens 120 Bewegungen pro Stunde, also ein Drittel mehr, als gegenwärtig verfügbar. Das ist die klare Vorgabe, die wir an eine dritte Start- und Landebahn für den Flughafen München stellen müssen. Zu allen anderen Fragen, die im Zusammenhang mit dieser dritten Bahn zu klären sind, können wir heute noch keine Aussagen treffen, da wir jetzt erst am Beginn des Planungsprozesses stehen. Insbesondere die Frage, wo die dritte Bahn liegen wird, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantworten, auch wenn ich natürlich volles Verständnis dafür habe, dass gerade diese Frage unsere Nachbarn in der Flughafenregion besonders beschäftigt.
Es ist mir persönlich ein sehr wichtiges Anliegen, dass die Interessen unserer Nachbarn beim Ausbau des Bahnsystems berücksichtigt werden. Keine Frage, eine dritte Start- und Landebahn schafft zusätzliche Belastungen und Betroffenheiten in der Region. Um so wichtiger erscheint mir deshalb, dass wir uns von Anfang an gemeinsam um verträgliche Lösungen und einen fairen Interessenausgleich bemühen. Wie wichtig die enge Kooperation mit dem Umland ist, zeigt auch die Tatsache, dass bereits gestern erste öffentliche Spekulationen über die mögliche Lage einer dritten Bahn angestellt worden sind. Solche Spekulationen halte ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt, zu dem noch keinerlei Standortfestlegung getroffen ist, für äußerst verantwortungslos, weil sie lediglich zur Verunsicherung der Flughafennachbarn beitragen.
Um so wichtiger ist für uns die intensive Kooperation mit der Region. Der Startschuss für den Dialog mit den Flughafennachbarn ist bereits heute Vormittag gegeben worden. Bei der Sitzung des Flughafenforums, in dem Repräsentanten der Flughafenregion regelmäßig mit uns zusammenkommen, wurde die Gründung eines sogenannten Nachbarschaftsbeirates beschlossen. Dieser Beirat, der sich vorwiegend aus Mandatsträgern und Interessenvertretern aus dem Flughafenumland zusammensetzen wird, soll das Ausbauprojekt begleiten. Unabhängig von den gesetzlichen Genehmigungsverfahren und den darin enthaltenen weitreichenden Beteiligungsmöglichkeiten für die Flughafennachbarn - die ja durch gesetzliche Vorgaben noch einmal deutlich ausgeweitet worden sind - bietet der Beirat die Chance für einen offenen Dialog zwischen dem Flughafenbetreiber und den Anrainern. Hier können frühzeitig Interessenkonflikte erkannt und gemeinsame Lösungen entwickelt werden.
Die FMG wird die hier generierten Anregungen und Ideen aufgreifen und deren Umsetzungsmöglichkeiten prüfen. Wir sind - das möchte ich noch noch mal betonen - an Lösungen interessiert, die alle Beteiligten tragen können.
Mit Frau Edda Huther, der ehemaligen Präsidentin des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes und des Oberlandesgerichtes München, ist eine äußerst integere und anerkannte Persönlichkeit mit dem Vorsitz des Nachbarschaftsbeirates betraut worden. Ich freue mich, dass Frau Huther unserer spontanen Einladung gefolgt ist, an diesem Pressegespräch teilzunehmen. Über ihre Aufgaben und die des Beirates wird Frau Huther anschließend selbst noch Auskunft geben.
Wie geht es nun weiter? Vorbehaltlich der Zustimmung des bayerischen Kabinetts am nächsten Dienstag werden wir in den kommenden Wochen und Monaten die erforderlichen Unterlagen erarbeiten, um dann ein Raumordnungsverfahren beantragen zu können. Nach vollzogener Raumordnung werden wir dann das Planfeststellungsverfahren für eine dritte Start- und Landebahn bei der Regierung von Oberbayern beantragen. Erst nachdem ein entsprechender Planfeststellungsbeschluss erlassen worden ist, wird über den Baubeginn für eine dritte Bahn zu entscheiden sein. Natürlich ist es angesichts der Unwägbarkeiten, die solchen Verfahren naturgemäß anhaften, schwierig, einen konkreten Zeitplan vorzulegen. Nach heutiger Einschätzung ist aber damit zu rechnen, dass der gesamte Prozess kaum unter fünf Jahren zu schaffen ist.