Kann dir bei dieser Argumentation nicht folgen. Kannst du bei deinen Argumenten einmal bleiben und sie vertiefen, wäre für eine lebhafte Diskussion echt vorteilhaft.
Vorteilhaft wäre, wenn ich vermuten dürfte, daß
meine Vertiefungen im Bewußtsein auch ankämen.
Wie ist die Abschreibungsthese von dir zu verstehen, zumal Lufthansa ihre Flieger deutlich länger als der Tk Abschreibungszeitraum in der Flotte hat.
Davon kann keine Rede sein. Mit Datenstand 27.5.2012 lauten die Zahlen:
11,90 Jahre / 371 Flugzeuge bei Lufthansa, die mit dem Kranich am Heck fliegen (LH, Cityline, Cargo), und
10,87 Jahre / 431 Flugzeuge für sämtliche Konzernflugzeuge auf dem deutschen Register.
Teilflotten nach Gesellschaften:
[table="head;width=62%"]Teilflotte|Anzahl|mittleres Alter in Jahren
Lufthansa|294|12,97
LH CityLine GmbH|59|05,91
LH Cargo AG|18|14,14
|||
Germanwings GmbH|32|06,45
Eurowings GmbH|23|02,06
LH op. by Augsburg|5|02,86[/table]
Teilflotten nach Geschäftsfeldern:
[table="head;width=62%"]Teilflotte|Anzahl|mittleres Alter in Jahren
Kont Standardrumpf|222|13,14
Großraum|104|10,58
Cargo|18|14,14
Kont Regional|87|04,71[/table]
Besondere Teilflotten:
[table="head;width=62%"]Teilflotte|Anzahl|mittleres Alter in Jahren
älter als 20 Jahre|95|21,61
|||
B733|29|21,67
B735|22|21,16
|||
B744|28|17,76
A320|47|16,17
|||
L1649A|1|54,39
|||
jünger als 9 Jahre (CLH, DLH, Cargo)|141|03,39
jünger als 6 Jahre (CLH, DLH, Cargo)|119|02,55
jünger als 6 Jahre (DLH, Cargo)|83|02,38
[/table]
Unter den Flugzeugen älter 20 befinden sich neben zwei MD11F ausschließlich die oben genannten 737, 747 und A320. Warum?
737
Ich hatte zuletzt
hier auf den Mangel an einem Nachfolger für die 737 hingewiesen. Die rumpfseitig direkten Nachfolger der beiden Muster (735>736 und 733>73G) sind wegen des für US-Transkontflüge optimierten neuen Flügels strukturell zu schwer (Leergewicht in beiden Fällen circa plus fünf Tonnen) für die Lufthansa, die in europäischer Mittellage ein dichtes Netz kurzer Flüge in vier Himmelsrichtungen betreibt. Das höhere Gewicht frißt die grundsätzlich vorhandene Ersparnis der ebenfalls weiterentwickelten Triebwerke durch den hohen Kurzstreckenanteil in LHs 737-Netz wieder auf.
737NG zu schwer > Bobbies bleiben.
Fast vergessen ist eine Bestellung, die LH um die Jahrtausendwende plaziert hatte, für
60+60 DO728 Jets. Zu dieser Zeit flogen die noch vorhandenen 737 (2002: 73) mit 103 bis 123 Sitzen, die DO728 wären also mit Zielgröße 80 Sitze etwas kleiner gewesen und hätten nur als indirekter Ersatz dienen können. Das Segment der 80-Sitzer war aber nur mit 18 RJ85 belegt, und andererseits war das T2 in MUC am Horizont, und damit die Erfordernis von Frequenz im Münchner Flugplan. Kurze Rechnung: 73 B737 à 113 Sitze = 8249 Sitze = 103 DO728 à 80 Sitze oder 75 DO928 à 110 Sitze. Im April 2002 ging Dornier in die Insolvenz.
Dornier pleite > Bobbies bleiben.
Im September hat dann wegen Wirtschaftskrise und Ölpreis
der Vorstand entschieden, die Ausmusterung der noch recht jungen Regionalflotte vom Typ Canadair Glump (Jet) vorzuziehen und die gerade anlaufende Lieferung der von Crossair geerbten Embraer-Bestellung zu deren Ersatz heranzuziehen, statt zum Ersatz der ähnlich großen 737. Zudem wurde entschieden, einem Teil der 737 (rund der Hälfte) eine Investition in die Struktur der Zelle zukommen zu lassen, bei dem lebensdauerbedingt relevante Teile herausgeschnitten und erneuert werden. Sehr salopp könnte man diese in Zusammenarbeit mit Boeing ausgeführte Arbeit als E-Check bezeichnen.
Die Krise > Bobbies machen ihr viertes Leben klar.
Der Clou: am Tage der Bekanntmachung der Vorstandsentscheidung, am 17.09.2009, galt fürs Flottenalter folgendes - jung scheidet aus, alt bleibt:
[table="head;width=62%"]Teilflotte|Anzahl|mittleres Alter in Jahren
Lufthansa B737|63|18,65
CRJ1 (LH & EW)|43|09,91[/table]
Aus dieser Tabelle kann man außerdem ermitteln, daß zum ursprünglich geplanten Lieferbeginn der DO728, Frühjahr/Sommer 2003, die 737 rund 6,25 Jahre jünger waren, also rund 12,40 Jahre alt. Der tatsächliche Wert lag ein wenig höher, weil zwischen 2003 und 2009 acht der älteren B733 dennoch ausgemustert worden waren.
747
Erneuerung und Ersatz der B744 sind eine ähnliche Saga; LH hat bereits um die Jahrtausendwende intensiv mit Boeing gesprochen (das stilistisch dezentere Pendant zu Al Bakers Brandreden), aber die von LH gewünschten Effizienz- und Kapazitätsgewinne befand Boeing lange für nicht erzielbar, und zwar im Wesentlichen wegen eines Mangels an Triebwerken. Bekanntlich wurden von Boeing verschiedenste Varianten einer 747NG durchgespielt, und während die schlußendlich für die B748 entwickelten GEnx (ein kleinerer Bruder des GE90) in die gleiche Schubklasse wie die ebenfalls bei LH verwendeten Trent 772 fallen (und sogar einige Prozent weniger Schub liefern), ist das Alter beider Motoren (Erstzulassung GE90 1995, Trent 700 1994) Hürde genug, die Verkleinerung auf die Erfordernisse von 787 und 747 zu einem langwierigen Prozess zu machen, da ja bestimmte Effizienzziele zu erreichen waren.
Kurz gesagt war ein Ersatz der B744 lange nicht wirtschaftlich umsetzbar, und so hatte LH aus der Zwickmühle heraus noch einzelne B744 nachbestellt, die bis 2002 ausgeliefert wurden - eine Taktik, die sich heute bei der A333 wiederholt.
Eine halbe Abhilfe war die Bestellung der (wesentlich größeren) A380, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses (übrigens noch vor Lieferung der letzten B744) ab 2007 an LH geliefert werden sollte - man überzeuge sich in obiger Tabelle, daß im Jahre 2007 die B744 mit 12,76 Jahren im besten Alter für eine Anschlußinvestition war - genaugenommen sogar jung, etwa verglichen mit der DC10, die bei Lieferbeginn der A340, 1993, bereits einen Altersschnitt von über 18 Jahren aufwies.
Ebenfalls verspätet ist die Lieferung der
2006 bestellten B748, die erst vor wenigen Wochen statt bereits 2010 zur Flotte stieß.
A320
Am Beispiel der A320 schließlich läßt sich ein drittes Mal die Verlängerung des Innovationszyklus im Flugzeugbau demonstrieren. Die Verfügbarkeit von substantiell verbesserten Nachfolgemustern ist heute im Vergleich zu den 1970er, 1980er Jahren verzögert, zugleich vergrößert sich das Wissen um die Dauerfestigkeit (damit Dauerhaltbarkeit) von Flugzeugen, sodaß die technische Bedeutung des Flottenmerkmals JUNG weiter abnimmt, weil das Wissen um die Alterungsprozesse immer genauer wird und damit der Performanceverlust über die Betriebszeit jedes einzelnen Exemplars in immer engere Grenzen gelenkt werden kann. Bei den drei jüngsten Großprojekten (A380, 787, 748) ist außerdem erkennbar, daß der erwartete und teils zugesicherte wirtschaftliche Mehrnutzen einer neuen Generation oder "Halbgeneration" offenbar durch immer größeren Aufwand (aka Kosten) im Vorfeld erkauft werden muß, und von dieser Seite her der Längerbetrieb (länger als bis in die 1990er üblich) der Flotten eher wahrscheinlicher, weil wirtschaftlich sinnvoller, wird**. Damit ist nicht JUNG das entscheidende Qualitätsmerkmal, sondern eine kompetente WARTUNG.
Zum Produktionszyklus:
[table="head;width=62%"]Typ|Erstflug|Einstand LH|gebaut|Backlog|Produktionsende|Dienstende LH
A32S|1987|1989|ca. 5010|ca. 3370|offen|offen
Boeing 727|1963|1964|1832|0|1984|1992
[/table]
Somit hätte bereits um das Jahr 2008 die letzte A32S vom Band laufen müssen. Tatsächlich aber wird sie weiter produziert (natürlich in Details immer wieder verbessert) und bei LH hat 2007 eine zweite Beschaffungsperiode des Typs begonnen, nachdem in den Jahren 2001 bis 2006 keine A32S zur Flotte kam.
Wie sinnvoll wäre es gewesen, funktionierende, zwölfjährige A320 aus den ersten Produktionsjahren für einen kleinen Bilanzgewinn als Starthilfe für Konkurrenten aus der Hand zu geben?
[table="head;width=62%"]Teilflotte|Anzahl|mittleres Alter in Jahren
A320-211|36|20,51
A320-214|11|01,93
|||
A321-131|20|16,69
A321-231|40|03,57
|||
A319-114|20|14,98
A319-112|12|06,78
|||
Summe A32S|139|11,63
[/table]
Entscheidend ist, daß LH zu keinem Zeitpunkt die Anschlußinvestitionen ausgesetzt hat.
Die Kritik an einem vermeintlich zu hohen Flottenalter wurzelt im Zeitalter des regulierten Luftverkehrs und läuft im Kern auf die Forderung hinaus, weniger Flugzeuge zu betreiben. Damit hätte Lufthansa eine rein statistisch jüngere Flotte, mit älterem Personal (und Personal im Karrierestau, wie man an AUA besichtigen kann) und höheren Preisen, wäre also insgesamt ein schwächeres Unternehmen.
Flottenalter über zwei Jahrzehnte:
[table="head;width=62%"]Teilflotte|Anzahl|mittleres Alter in Jahren
Lufthansa 31.12.2001 (DLH, CLH, Cargo)|334|08,10
dieselbe Flotte 27.5.2012|371|11,90
|||
Lufthansa 1.6.92 (Passage
ohne DLT)|220|05,64
dieselbe Flotte 27.5.2012|294|12,97[/table]
Damit ist seit dem Vorabend der Gründung der EU 1993 die Flotte der Lufthansa im engen Sinne pro Jahr um 3,7 Flugzeuge gewachsen, und zugleich pro Kalenderjahr um 0,37 Jahre gealtert. Das älteste Flugzeug mit dem Kranich am Heck war 18 Jahre alt, nur die voll LH gehörende German Cargo hatte einige Flugzeuge älter 20.
Nimmt man die sich ihrer Ablösung hartnäckig widersetzenden Problembären 733, 735 und 744 versuchsweise aus der Flotte, erhält man folgendes Bild:
[table="head;width=62%"]Teilflotte|Anzahl|mittleres Alter in Jahren
Lufthansa 1.6.92 (Passage
ohne DLT)|132|08,07
dieselbe Flotte 27.5.2012|215|10,33[/table]
Wie ist die Abschreibungsthese von dir zu verstehen, zumal Lufthansa ihre Flieger deutlich länger als der Tk Abschreibungszeitraum in der Flotte hat.
Ich glaube, das ist klar: Die Abschreibungsperiode ist zwar mehr oder weniger wählbar (wie man an der sehr unterschiedlichen Handhabung bei verschiedenen Unternehmen der Branche ablesen kann), soll aber widerspiegeln, wie lange ein Anlagegut (hier: Flugzeug) wirtschaftlich einträglich...
Oder nach der sinnvollen Nutzungsdauer.
... nutzbar ist, bevor ich ein neues benötige - die gewählte Periode soll also begründbar, und damit im Kern sachgerecht sein. Es
kann, wie oben ausgeführt, eine sachgerechte Annahme sein, einen bestimmten Flugzeugtyp über 20 Jahre wirtschaftlich nutzen zu können - Turkish Airlines schreibt dem Grundsatz nach über 20 Jahre ab - "zahlt" dadurch aber auch zwanzig Jahre lang an dem entsprechend veranlagten Anlagegut, und zwar auch noch in demjenigen Fall, daß annahmewidrig bereits im Jahr 15 nach der Anschaffung mit diesem Flugzeug kein Geld mehr zu verdienen wäre - selbstgestellte Falle. Der zweite Effekt ist ein höherer Bilanzwert (des Anlageguts) zu jedem gegebenen Zeitpunkt, und damit erscheint das Unternehmen kreditwürdiger. Ein (linear) abgeschriebenes Flugzeug der LH steht nach 14 Jahren mit einem Restwert von 5% des Kaufwertes in der Bilanz
[S.5], bei TK [
"... estimated useful lives, using the straight-line method." (S.18)] ist nach denselben 14 Jahren noch gut 35% des Kaufwertes vorhanden, also mehr als das siebenfache. Mit dem tatsächlichen Wert des Flugzeugs (insbesondere, wenn ich verkaufen will oder muß) haben beide Ansätze aber nicht das geringste zu tun. Die Abschreibungsperiode ist also auch zu lesen als die Zusicherung des Unternehmens, in welchem Zeitraum es anstrebt, das Anlagegut durch ein neues, moderneres, leistungsfähigeres ersetzen zu können.
Daher beweist komödiantische Gesinnung, wer eine bestimmte Flotte als besonders modern anpreist (und bislang ist kein Grund erkennbar, das "modern" anders zu verstehen als "jung"), wenn das zugehörige Unternehmen nicht nur bereits heute bereits 20 Jahre an dieser Flotte festhalten will, sondern sogar just von der vorletzten Bilanz auf die letzte die Abschreibungsperiode von "15-20 Jahre" (
S.16) auf 20 Jahre vereinheitlicht und damit erhöht hat. Die Aufforderung lautet also
eigentlich: Fliegt [Unternehmensname]! Noch ist die Flotte jung!
** Tatsächlich erhalten die direkten Betriebskosten, darin die Spritkosten, ein immer höheres Gewicht in der Kalkulation, wodurch es zu einem Zeitpunkt wirtschaftlich werden kann,
trotz sich verlängernder Innovationszyklen eine Anschlußinvestition zu erwägen, obwohl erst ein kleiner technischer Fortschritt erzielt und käuflich erwerbbar ist.
... Der Spritpreis macht bei der LH heute 40-50% aus. Beispiel 747-8 vs. 744 laut Lh und Boeing wird 15-20% weniger verbraucht. Das heißt im Umkehrschluss es ist eine Ergebnisverbesserung von 6 bis 10% pro Flug. Und das bei einer operativen Marge von 2,1%.
Nun nehmen wir mal an, früher war der Sprit nur 30% der Gesamtkosten eines Fluges. Die neue Generationen haben auch mal schätzungsweise 15-20% gebracht. Dann liegen wir nur noch bei 4,5 bis 6%. ...
Der Posten Treibstoff an den Gesamtaufwendungen des Konzerns betrug 20,6% im GJ 2011 [
S.50] (und 21,5% im Q1 2012 [
S.5]), gegenüber 14,5% im GJ 2001, und 8,8% im GJ 1991.
Damit war der Anstieg im Verlauf der 1990er signifikanter als im zuletzt vergangenen Jahrzehnt.