Briefe von unterwegs

Liebe Leser,

Rumfliegen ist ja eine spannende Sache. Man erlebt in der großen, weiten Welt viel Erfreuliches und manchmal auch Ärgerliches.

Nach eindruckvollen Erlebnissen würde ich ja am liebsten sofort einen Brief an die Menschen schreiben, die für das Erlebnis verantwortlich sind – einen Brief voller Lob und Dank, wenn das Erlebnis erfreulich war oder einen kritischen Brief, wenn ich mich gerade geärgert habe.

Loben sollte man gewiss häufiger. Doch Kritisieren ist genauso wichtig: Durch das Niederschreiben unguter Erlebnisse findet eine manchmal geschundene Rumflieger-Seele ihre verdiente Entlastung. Oft hilft eben Schimpfen, um mit einer unangenehmen Sache abzuschließen.

Ich werde also in Zukunft in diesem Themenbereich offene und kritische Briefe schreiben – Briefe von unterwegs an Fluggesellschaften, Mietwagenunternehmen oder Hotels, aber auch Briefe an Köche, Callcenter-Mitarbeiter oder Fremdenführer. Es sind Briefe, in denen ich das gerade Erlebte aus meiner Sicht verarbeiten möchte, mit Lob und Kritik. Das hilft mir und erfreut vielleicht auch manches Forumsmitglied.

Mit dieser Ankündigung möchte ich jetzt meinen ersten offenen Brief im Mucforum abschließen - nämlich diesen Brief an alle Leser des Mucforums, die mir ans Herzen gewachsen sind. Die nächsten Briefe sind dann interessanter als diese Ankündigung.

Herzlichst grüßt Euch
Euer Donnergeräusch

P.S.:
Weil es gerade durch die Vulkanwolke sehr aktuell ist, werde ich spätestens übermorgen meinen zweiten Brief schreiben – einen Brief an den guten Herrn Ramsauer und an die besseren Piloten.
 
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Hallo Donnergeräusch,

es ist schön wieder von Dir zu hören.

Jetzt freue ich mich wieder auf Deine vielen interessanten Berichte.

Auf alle Fälle wird es garantiert wieder sehr unterhaltsam werden.

Viele Grüsse von Manuela
 
Glück gehabt

Liebe Lufthansa-Piloten,

bei Euch muss ich mich bedanken.

Danke dafür, dass Ihr für den April einen vier Tage langen Streik angedroht hattet.
Das hat mir sehr viele Unannehmlichkeiten erspart: Dank Eurer Streikdrohung sitze ich jetzt nicht als Vulkanopfer in Asien fest (um dort zum Beispiel wie viele tausende Passagiere in einem Hotel immer noch auf einen Heimflug zu warten) - Dank Eurer Streikankündigung bin ich bereits daheim und schlafe seit genau einer Woche in meinem Bett, und das trotz der großen Aschewolke!

Ich finde, dass wir beide (Ihr lieben Lufthansa-Piloten und ich) den Vulkan vorausschauend richtig gut ausgetrickst haben. Ich erzähle jetzt einmal, wie es dazu gekommen ist: Ich wollte ja ursprünglich nonstop mit Eurer Lufthansa von Seoul nach München fliegen. Doch der Flug war ja schon im Februar komplett ausgebucht, sogar die First und Business war voll. Da blieb nur die Buchung einer Umsteigeverbindung über Frankfurt.

Doch dann kam zum Glück Euere Streikdrohung: Ein paar gebuchte Passagiere haben das offensichtlich ernst genommen und schon im März ihren München-Flug storniert. Nach München waren plötzlich vier Economy-Plätze frei und einen dieser Plätze habe ich bekommen – und das genau für den Tag, an dem der entfernte Island-Vulkan ernsthaft Schwierigkeiten machen sollte: In Europa wurden Flughafen für Flughafen dichtgemacht, in Deutschland war nur noch München offen, und da wollte ich auch hin und bin dort auch gelandet.

Später habe ich erfahren, dass mein München Flug der Letzte aus Seoul war, der sein Ziel noch planmäßig aus Korea erreichte. Alle anderen Flieger nach Europa sind in Seoul entweder gar nicht mehr gestartet oder umgeleitet worden. Deshalb liebe Piloten: Danke für die Streikdrohung. Ich habe davon profitiert und war rechtzeitig daheim, um meinen Chiemgauer Nachbarn Peter Ramsauer bei seinem Krisenmanagement live zu erleben.

Herzlichst grüßt Euch
Donnergeräusch
 
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Die passende Anrede ist gesucht: Du oder Sie?

Lieber Peter,

ich weiß jetzt gar nicht, ob ich Dich noch so ansprechen darf. Wir hatten uns ja schon mal geduzt. Das war in Traunwalchen (für die Unwissenden, die nicht wissen, wo das liegt: das liegt im Chiemgau - und da wohnen der Peter und ich).

Das Duzen ist aber schon etwas her: Das war kurz vor der Zeit, bevor dieser „Opportunist“ Seehofer CSU-Parteichef und Ministerpräsident wurde. Ja, du hast ihn Opportunisten genannt, erinnerst Du dich noch? Ok, wir hatten damals etwas Bier getrunken und es war schon sehr spät abends. Da fällt eine glasklare Beurteilung leichter, und das Duzen ebenso.

Damals warst Du noch nicht Minister. Heute bist Du es. Heute bist Du ein wichtiger Mann. Das ist natürlich eine andere Situation. Normalerweise hätte ich kein Problem, Dich weiterhin zu Duzen. Aber seit Deinen Fernsehauftritten wegen dem alternativlosen Flugverbot weiß ich, dass Du nicht nur ein wichtiger, sondern ein ganz wichtiger Mann geworden bist. Also richtig wichtig. Deshalb sollte ich mein Duzen überdenken. Das habe ich gemerkt, als ich Dich im Fernsehen gesehen hatte:

Im ARD-Brennpunkt hast du Deinem Gesprächspartner (das war ein untergeordneter Lufthansa-Sprecher) ganz direkt gesagt, dass Du normalerweise nicht mit solchen Leuten wie mit ihm sprichst, sondern nur mit Leuten wie seinem Chef Herrn Mayrhuber oder mit 27 EU-Verkehrsministern. Millionen von Menschen haben das im Fernsehen gesehen. Unser Chiemgauer Stammtisch fand das richtig toll: Unser Peter hat diesem Lufthansa-Mitarbeiter live im Fernsehen gut eingeschenkt!

Für diese Äußerung bist Du zwar nachher kritisiert worden – aber auch nur von solchen Leuten wie Journalisten. Du hättest im Fernsehen rumgepöbelt, hat da einer ernsthaft von einer sehr angesehenen Tageszeitung kommentiert. Diese Kritik kann ich gar nicht verstehen. Wo kämen wir denn dahin, wenn ein einfacher Lufthansa-Vertreter bei solch einer Krise mit Dir zusammen im ARD-Brennpunkt zur besten Sendezeit gleich nach der Tageschau auftreten darf? Ja, wo kämen wir dahin?

Nein, Du bist jetzt neuer Verkehrsminister und hast gleich ein beispielloses Krisenmanagement gemacht. Erst hast du den Luftraum komplett gesperrt, um ihn dann für sichtbare Vulkanwolken teilweise zu öffnen (oder habe ich da was falsch verstanden mit der Sichtflugregeln, Peter?). Jedenfalls: Man konnte im unsicheren kontrollierten Flugraum ganz sicher nach Sicht fliegen, aber eben ohne Kontrolle - nur halt eben in der Wolke nicht. Glaskar alles! Oder ist das unklar? Oder wie?

Ich habe noch deine Regierungserklärung vor zwei Tagen im Ohr. Alle Deine angekündigten Konsequenzen sind wirklich prima (Meldezentrum für Vulkanwolken, Meldepflicht der Piloten oder die Verkürzung der Wartungsintervalle für Triebwerke...). Sie werden uns Passagieren, aber auch den Piloten, Fluglotsen und Fluggesellschaften in Zukunft wirklich nachhaltig helfen, falls noch ein zweites mal ein solch frecher Vulkan in Europa oder in der Welt ausbrechen will. Schließlich war es ja das erste Mal in der Geschichte der Zivilluftfahrt, dass ein solcher Vulkan in seiner gemeinen Art und Weise wie gerade in Island den Flugverkehr gestört hat, hast Du im Bundestag nicht wörtlich, aber sinngemäß gesagt. Es sei das erste Mal gewesen, dass ein Vulkan die Zivilluftfahrt beeinträchtigt habe, eine Premiere also. Ich persönlich erinnere mich zwar an andere Vulkane, die schon vorher ausgebrochen sind (einen von diesen Vulkanen habe ich tatsächlich zweimal besucht), doch das sind nur persönliche Erinnerungen. Die Piloten sind halt einfach um die sichtbare Vulkanwolke herumgeflogen.

Zurück zur Regierungserklärung: Danke dafür. Gut ist, dass die Ministererlasse den Flugverkehr in Zukunft ganz viel sicherer machen werden. Und lieber Peter, verzeih, dass ich Dich hier in diesem Brief geduzt habe. Als Chiemgauer Nachbar, der schon mal ein Bier mit Dir getrunken hat, tut man das einfach, auch wenn das Duzen schon über zwei Jahr her ist. Dennoch sollte ich Dich besser respektvoll anreden: Sehr geehrter Herr Bundesminister für Verkehr – oder besser noch mit allen offiziellen Zusätzen (die sind aber sehr lang, Peter).

Auf jeden Fall habe ich eine Bitte an Dich: Schmeiß diesen Brief einfach weg! Denn man hat mir gerade gesagt, dass man beim Lesen den Eindruck bekommen könnte, dass es sich um Satire handelt. Nein, diesen Eindruck will ich vermeiden: Du warst als entscheidungsfreudiger Minister wirklich toll! Ich werde in den nächsten Tagen den Brief deshalb noch mal neu anfangen und alle Details Deines Krisenmanagements auflisten. Auch werde ich die Anrede ganz ordentlich machen – nämlich so, wie es sich gehört: Sehr geehrter Herr Bundesminister für Verkehr und ..... (müssen alle Zusätze wirklich sein, Peter?)

Bis dahin grüsst Dich, lieber Peter,
ganz lieb Dein Chiemgauer Nachbar
Donnergeräusch
 
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Der Brief mit der richtigen Anrede

Sehr geehrter Herr Verkehrsminister,

verzeihen Sie, dass es länger gedauert hat, um den angekündigten Brief zu schreiben. Doch heute will ich nun meine Bewunderung für Ihr Krisenmanagement ausdrücken. Ich möchte auch deutlich dem Eindruck entgegenwirken, dass es sich hierbei um eine alternativlose Satire handelt. Das schreibe ich glasklar nicht nur hier und heute, denn der mündige Leser versteht dies auch morgen – und zwar schon beim Lesen des ersten Beispiels, dass wirklich vom guten Krisenmanagement zeugt, als in Island ein unaussprechlicher Vulkan ausgebrochen ist:

Lieber Herr Minister, Sie sind einfach ein guter Generalist und damit auch ein guter Chef. Sie haben das Große und Ganze im Blick - wie gute Chefs eben, die sich so jeder Arbeitnehmer wünscht - ein Chef, der die Detaillösungen den Spezialisten überlässt. Das war alles richtig, dass Sie den Experten nicht reingeredet hatten, als der Luftraum gesperrt wurde: Ich fand es also sehr klug, dass Sie während der Vulkankrise das nationale Krisenzentrum nahe Frankfurt nicht besucht hatten. So konnten dort die Flugsicherungsexperten ungestört arbeiten.

Herr Minister, damit wollte ich nicht sagen, dass Sie untätig waren. Damit wollte ich genau das Gegenteil sagen – nämlich, dass Sie zur Tat geschritten sind. Sie haben ja am Höhepunkt der Vulkankrise Ihr Berliner Verkehrsministerium verlassen, um ins heimatliche Bayern zu reisen. Dass es sich da um ein Wochenende gehandelt hat, war natürlich ganz ein blöder Zufall. Das ist aber auch wirklich unwichtig, denn Sie haben ja am Sonntag früh um 8 Uhr und 15 Minuten mit einem Herrn Mayrhofer telefoniert – einem Herrn, der das Flugverbot nach vier Tagen Himmelsruhe nicht einsehen wollte. Das nenne ich Einsatz, Herr Minister, denn so früh am Sonntag schlafe ich ja noch.

Ich darf Ihnen versichern, dass ich genauso gehandelt hätte: Wir sind ja Nachbarn, wohnen beide im Chiemgau und wissen deshalb, wie gesund das Chiemgau gerade in Krisenzeiten ist. Ich fahre dort auch immer hin, wenn es in meinem Betrieb raucht und qualmt, denn im Chiemgau ist die Luft einfach besser und man bekommt als Chef einen glasklaren Kopf. Vor allem aber gibt es dort Menschen, die einen verstehen.

Mein Chiemgauer Dorf hat beim Semmelholen alles verstanden, was Sie vorher im Fernsehen mit dem tollen Wortspiel ganz intelligent gesagt hatten: „Der Nachweis ... (der Asche ).... ist nachgewiesen!“ Stimmt wirklich, der Sonnenaufgang war am Samstag anders als üblich. Da waren wir uns beim Bäcker alle einig. Es gab zwar kleinere Meinungsverschiedenheiten über die Farbe des Sonnenaufgangs: War er nun eher grell gelb hell? Oder war er verschmutzt dreckig braun? Darüber kam es fast zum Streit, bis der Sepp dann meinte, dass auf den Autos ein gelblicher Staub liegen würde – Vulkanstaub also, Asche oder Lava, vielleicht sogar beides! Genaues weiß man nicht, sagte der Sepp, aber gelb war das Vulkanszeugs eben. Wenn der Sepp etwas sagt, dann muss es stimmen. Der Sepp ist nicht nur jeden Tag in den Bergen, sondern auch in der CSU. „Der Staub muss vom Vulkan gekommen sein, der in der Nacht im Chiemgau danieder gegangen ist“. Das hatte dann nicht der Sepp gesagt, sondern die Steffi. Sie meinte damit natürlich nicht den Vulkan, sondern nur den gelben Staub. Damit war aber klar: der Sonnenaufgang muss gelb gewesen sein und der Streit beim Bäcker war damit geschlichtet.

Ich habe dann selbst Untersuchungen vorgenommen. Ich habe meine Nase in diesen Staub gesteckt, in eine fremde Angelegenheit also. Das sollte man ja eigentlich nicht tun. Doch in diesem konkreten Fall war es richtig: Ich kann Ihnen versichern, lieber Herr Minister: Auch meine Nase hat den Nachweis sogar nasen-nachweislich technisch sauber erbracht, dass es sich bei dem Vulkanzeugs um einen lieblich riechenden Staub gehandelt haben muss - so ähnlich wie unser Frühjahrsblütenstaub, nur schmeckte er viel besser, irgendwie süßlicher. Sogar Bienen fanden den Staub zum Bestäuben lecker. Ich habe mir danach die Frage gestellt: Wie lecker und fruchtbar ist eigentlich Vulkanstaub? Aber mit dieser Frage komme ich vom Thema ab, denn der Staub ist nicht fruchtbar, sondern furchtbar.

Zurück zum Nachweis: Lieber Herr Minister, Sie waren damit viel schneller als ich mit meinem Hobby-Nasennachweis. Sie hatten Ihren Nachweis ja schon einen Tag vor mir. Da hatten Sie - wie ich bereits erwähnte - im Fernsehen gesagt, dass der Nachweis nachweislich nachgewiesen sei. Kannten Sie schon vorher die Ergebnisse des Versuchsfluges, der ja erst am folgenden Montag starten sollte und dessen Auswertungen erst am Mittwoch vorlagen? Sind Sie also ein Hellseher, Herr Minister, und können in die Zukunft blicken?

Verzeihung, sehr geehrter Herr Minister, ein übersinnlicher Hellseher sind Sie natürlich nicht. Ich möchte mich an dieser Stelle bei Ihnen entschuldigen, da ich gerade etwas Wesentliches verwechselt habe. Als Nachweisquelle meinten Sie natürlich diesen oberbayerischen Wetterballon, der zum ersten nachgewiesenen Nachweis der Aschewolke führte: Das war der Ballon, der öfters am Freitag am Hohen Peißenberg aufsteigt und dabei auch das Ozon misst. Und wir alle wissen ja: Ozon und Vulkanasche sind ja ungefähr das Selbe oder das Gleiche – je nachdem, wie wissenschaftlich man das nun betrachtet möchte.

Also, die Sache mit der Ballonmessung fand ich richtig gut. Sie haben sich bei der Sperrung des Luftraumes nicht nur auf das englische Computermodell und auf die täglichen Satellitenbilder verlassen, sondern auch auf diesen Wetterballon. Auch gut, dass Sie das im Fernsehen gesagt hatten, Herr Minister. Als Chef muss man manchmal so etwas glasklar sagen: Da hatte ja ein untergeordneter Meteorologe vom Deutschen Wetterdienst penetrant in allen Nachrichtensendungen etwas anderes behautptet: Man könne so viele Wetterballone aufsteigen lassen, wie man will - das würde nichts bringen. Diese Ballone könnten alles messen, nur keine Vulkanasche. Darf ein Meteorologe so etwas im Fernsehen einfach behaupten? Kann man einem solchen Meteorologen glauben? Eher nein, denn dieser Mann sah ja aus wie ein Mitglied der Alternativen Liste – der hatte einen Vollbart und ein T-Shirt. Sogar Grüne kleiden sich besser als dieser Mensch. Also, ich habe ihm nicht geglaubt. Später habe ich dann zwar in einer Zeitung gelesen, dass es wirklich nichts gebracht hätte, denn von ein dutzend deutscher Ballon-Laser-Messgeräten war nur eines einsatzbereit: eben dieses Gerät am Hohen Peißenberg. Die anderen Regionalgeräte wurden gerade alle gewartet. So etwas haben Journalisten geschrieben, aber denen sollte man auch nicht alles glauben.

Lieber Herr Minister, trotz der Erkenntnisse des Wetterballons wollten Sie vermutlich auf "Nummer Sicher gehen" und haben einen Versuchsflug angeordnet – und zwar sehr früh, schon zwei Tage nach Ausbruch der Vulkankrise. Der Flieger ist zwar dann erst am Montag gestartet, also fünf Tage nach Krisenausbruch und damit eher spät. Sie sind dafür kritisiert worden. Das war aber nicht Ihre Schuld und damit ungerecht. Hätten diese Kritiker doch besser recherchiert:

In Braunschweig stand für solche Zwecke ja ein neues Flugzeug bereit – eigentlich nagelneu, wenn man von ein paar vorherigen Starts und Landungen absieht. In dieses Flugzeug waren modernste Klima- und sonstige Messgeräte eingebaut - darunter auch Geräte, mit denen man nicht nur Ozon, sondern sogar Asche erfassen kann. Dieses Flugzeug war startklar, doch es fehlte ein Detail: die Betriebsgenehmigung – einen Genehmigung, auch mit Messgeräten fliegen zu dürfen. Es gab deshalb keine Starterlaubnis, obwohl das Flugzeug schon ein paar Mal ohne Messgeräte geflogen ist. Am Wochenende haben deshalb 70 Techniker und Ingenieure viele Geräte aus diesem Flugzeug ausgebaut. Diese Geräte wurden dann ins 600 Kilometer entfernte Oberpfaffenhofen transportiert. Dort wurden sie in ein 30 Jahre altes Flugzeug wieder eingebaut. Das war toll: Dieses alte Flugzeug hatte eine Betriebsgenehmigung! Da haben sich dann alle gefreut.

Doch bevor dieses Versuchsflugzeug am Montag Nachmittag starten durfte, hatte die Genehmigungsbehörden am Vormittag eine ganz andere und wirklich sehr pfiffige Idee (ist diese Idee eigentlich von Ihnen gekommen, Herr Minister?): Man erlaube es der Lufthansa oder der AirBerlin, trotz gesperrtem Luftraum herumzufliegen – und zwar mit vollbesetzten Passagierflugzeugen. Das nenne ich einen echten Praxistest. Denn wenn diese großen Jets mit ihren vielen Fluggästen wieder heil herunterkommen, dann kann dem Versuchsflugzeug mit seiner überschaubaren Besatzung eigentlich auch nichts passieren.

Ich habe aber bald verstanden, dass dies nicht Ihre Überlegung war, Herr Minister. Doch irgendwie würde es mich ja schon interessieren, an was Sie sich gedacht hatten, als der Vulkan-Wolken-Himmel für Instrumentenflüge gesperrt und für Sichtflüge freigegeben wurde? Hatten Sie dabei fürsorglich an die Piloten gedacht? Das könnte ja sein und würde ja irgendwie Sinn machen: Diese Piloten sind ja mit Ihrer Lufthansa unzufrieden, weil sie dort nur wenig mitreden dürfen. Deshalb wollen diese Flugzeugführer auch immer wieder streiken, streiken und nochmals streiken. Damit die Piloten endlich wieder zufriedene Menschen werden, wurde ihnen erlaubt, nach Sicht zu fliegen! Das war trotz gesperrtem Luftraum ab sofort möglich. Die Hobbypiloten fliegen schließlich auch nach Sicht, und Profis können bestimmt besser sehen als Propellerflieger, denn schließlich sind die Profis ja Berufspiloten, die sich auch einem Sehtest stellen müssen. Also, das war eine geniale Idee! Die Piloten hatten endlich ihre gewünschte Macht, denn nach Sichtflugregeln darf ihnen niemand reinreden - kein Politiker, kein Fluglotse und auch kein Herr Mayrhuber, den die Piloten ja nicht mögen. War das Ihr Gedanke, lieber Herr Minister?

Einige Piloten hatten ihre große Freude bei diesem Gedanken. Zumindest unser Chiemgauer Dorfpiloten. Der ist natürlich kein Dorfpilot, sondern ein echter Verkehrsflugzeugführer mit Lizenz. Der fliegt oft am Münchner Flughafen herum. Sein Flugzeug heisst Airbus und hat zwei Düsen. Damit düst er jährlich 900 Stunden durch ganz Europa. Dabei muss er immer nach Instrumenten fliegen. Das steht so in seinem Piloten-Handbuch. Nach Sicht fliegen darf er nicht. Doch jetzt darf er es ganz plötzlich. Darüber hat sich unser Dorfpilot gefreut: „Endlich kann ich zeigen, dass ich ein tollkühner Mann bin“, hat er uns beim Bäcker gesagt. Beim nächsten Flug von Frankfurt nach München möchte er zwischen den Cumuluswolken einen sportlichen Jetset-Slalom mit 850 Sachen hinlegen – per Joystick mit der linken Hand mal nach links und dann nach rechts wedeln und dabei niemals eine Wolke berühren, denn das darf er nach Sichtflugregeln nicht machen. Das sei eine sichere Sache, sagte er, denn es wären ja genügend Brechtüten an Bord, falls es einem Passagier beim Slalomfliegen übel werden sollte. Beim Landeanflug auf München möchte er dann noch nah am Atomkraftwerk Ohu vorbei fliegen, weil er die weiße Wolke aus dem Kühlturm schon immer interessant fand. Die möchte er sich deshalb mal genauer anschauen, sagte unser himmlischer Dorfpilot.

Doch bei uns erdlichen Dorfbewohnern blieben viele Fragen, ja sehr viele Fragen. Die wichtigste Frage stellte der Sepp: Lieber Pilot, wenn Du trotzdem durch dummen Zufall in die Aschewolke fliegst und beide Düsen fallen aus? Was machst du dann? Doch unser Chiemgauer Profi wusste natürlich Bescheid, lieber Herr Minister, was da zu antworten ist: Dann würde er einfach im sicheren Segelflug nach Sichtflugregeln landen. Das klappt bei den Segelfliegern weltweit täglich tausende Male, und auch auf unserem Chiemgauer Segelflughafen in Unterwössen geht das meistens gut. Alle Hobbypiloten seien bisher herunter gekommen, sagte er, also werden es die Profis auch schaffen: Runter kommen wir immer, sagte er dann nocheinmal. Ich überlegte kurz und musste ihm zustimmen.

Leider wurde unser Dorfpilot nicht zum Sichtflugdienst eingeteilt. Dem Sepp war das recht, denn er fühlte sich nicht wirklich sicher, als unser Pilot von seinen tollkühnen Vorhaben erzählte: Geht das wirklich gut, wenn schnelle Jets und langsame Hobbypiloten im gleichen Luftraum nach Sicht fliegen? Die Steffi stellte dagegen praktische Fragen: Wer hat da eigentlich Vorfahrt, wenn sich beide begegnen? Muss der Jet bremsen, weil er so schnell mit 800 Stundenkilometer daherfliegt? Oder bremst das kleine Segelflugzeug, welches gemütlich mit 80 Kilometer seine Kurven dreht? Da hatte der Bäcker dann auch eine Frage: Gilt bei Propellerflugzeugen eigentlich rechts vor links und Segelflugzeugen oben vor unten? Oder umgekehrt?

Lieber Herr Minister, ich habe mir ganz andere Fragen gestellt als der Sepp, die Steffi und der Bäcker. Meine Fragen waren viel intelligenter: Wissen diese Vulkan-Asche-Wolken-Partikelchen eigentlich Bescheid, dass sie nur den Jets gefährlich werden dürfen, aber nicht den kleinen Propellermaschinen und schon gar nicht den Chiemgauer Segelflugzeugen? Denn schließlich, lieber Herr Minister, galt Ihr Flugverbot ja nur für die großen Düsenflugzeuge, die von berufsmässigen Profipiloten gesteuert wurden. Für kleine Propeller- oder Segelflugzeugen mit den Hobbypiloten am Steuer galt das Flugverbot ja nicht. Diese Aschepartikelchen müssen also deshalb schon sehr intelligent sein. Sie müssen schnell lernen, wem sie gefährlich werden dürfen und wem nicht: dem Berufspiloten ja, dem Hobbypiloten nicht.

Herr Minister, sind diese Partikel eigentlich wirklich so klug und gebildet, solche Unterscheidungen zu machen? Schließlich kommen diese Partikel ja aus Island. Nach der Finanzkrise könnte man ja meinen, dass sie deshalb eher dumm statt klug sind. Denn die Isländer haben ja schon viele unkluge Sachen gemacht. Zuerst haben sie unsere verdiente Kohle verbrannt und jetzt schicken sie uns die Asche rüber - nur mal so nebenbei angemerkt. Schon wieder gibt es Milliarden Euro Schäden.

Herr Verkehrsminister, verzeihen sie meine unprofessionellen Deutungen. Aber so ein anderer Minister, den die Merkel ganz toll findet, muss sich auch solche komische Überlegungen gemacht haben. Der fand das nämlich gar nicht gut, dass trotz gesperrtem Flugraum plötzlich Düsenflugzeuge herumfliegen. Wenn da ein Flugzeug abstürzt, hat der Minister gewarnt, dann wäre die Wahl in Nordrheinwestfalen verloren – wegen hunderter Toten. Das habe ich mich auch gefragt: Was nützt es da, dass man wegen der Sichtflugregel einen Verantwortlichen hätte – nämlich den Piloten, der ein Segelflugzeug nicht gesehen hat? Die Bildzeitung würde dann vielleicht groß titeln: „Lufthansa-Pilot übersieht Vorfahrt: 200 Tote!“ Doch Nordrheinwestfalen wäre verloren, und das wäre ein echtes Drama. Schließlich waren nach Umfragen gerade in Nordrheinwestfalen weit über 60 Prozent für das Flugverbot, obwohl beim Sonntags-Grillen dort kein Mensch die Aschewolke gesehen hatte. Ein gutes Umfrageergebnis also.

Ja, jetzt musste man nur noch diese Aschewolke finden, an die alle glaubten - denn sie hatte sich ja mittlerweile über ganz Europa flächendeckend ausgebreitet, weil es ein Computermodell so wollte. Deswegen ist nach Ihrer Anweisung, Herr Minister, auch das Versuchsflugzeug gestartet - und zwar fünf Tage nach dem Ausbruch der Vulkankrise. Es flog von Oberpfaffenhofen nach Norden, es streifte dabei den Osten, es flog über Leipzig und später dann auch ein wenig nach Westen und sogar über die Beneluxstaaten, es flog aber natürlich auch über München – es war stundenlang in einem tausend Kilometer großen Luftraum unterwegs, um nach der Aschewolke zu suchen. Und es hat die Aschewolke dann auch gefunden. Das sagte der Versuchsleiter dann nach der Landung: „Die Wolke gibt es!“ Die Zuschauer des Tagesschau waren beruhigt: „Die Wolke gibt es wirklich!“ Und wir im Chiemgau waren noch beruhigter: „Die Wolke gibt es wirklich – und der Himmel war trotzdem blau!“

Am nächsten Tag, dem sechsten Tage nach dem Vulkanausbruch, schrieb der Versuchsleiter dann seinen ersten Kurzbericht. Er schrieb auf Englisch. Und da Sie als Minister ein Mann von Welt sind, haben Sie diesen englischen Bericht vermutlich besser verstanden als ich. Ich nämlich muss gestehen, dass Englisch nicht unbedingt meine Stärke ist. Ich habe nur soviel herausgelesen: Über Leipzig war die Aschekonzentration am höchsten und über München war die Wolke sogar doppelschichtig. Das einzige, was ich aber sofort verstanden hatte, war das Foto, das dem Bericht beilag. Da sah man ein paar weiße Wolken und im Hintergrund einen grauen Horizont. Das war aber nicht der Horizont, wie ich dachte, sondern das war die Aschewolke. Damit das auch jeder kapiert – also auch solche Leute wie ich, die kaum oder nur schlecht Englisch verstehen - haben die Wissenschaftler über diesen grauen Horizont auf gut Deutsch geschrieben: Aschewolke! Ja, da war sie also, die so lange gesuchte Aschewolke! Jetzt habe ich sie auch gesehen.

Lieber Herr Minister, ich denke, dass Sie sich über dieses Foto noch mehr gefreut haben als ich. Denn was wäre passiert, wenn die Wissenschaftler ohne Nachweisfoto zurückgekommen wären? Dann hätten Sie sich ganz schön blamiert: keine Aschewolke am blauen Himmel zu sehen. Mein Gott, wäre das peinlich gewesen. Zum Glück haben die Wissenschaftler aber nicht nur das Foto, sondern auch ein paar Messergebnisse mitgebracht und am siebten Tage nach dem Krisenausbruch auch ausgewertet. Man sei nicht „in der Wolke“, sondern „durch die Wolke“ geflogen, sagten die Wissenschaftler. Und durch die Wolke gemessen war die Konzentration der Asche über Leipzig offensichtlich am höchsten - fast so hoch, wie die täglich gemessene Feinstaubbelastung in der Landshuter Allee, wie später eine Münchner Zeitung schrieb. Wer diese Allee nicht kennt: Das ist eine Strasse mitten im Münchener Stau- und Berufsverkehr. Das ist wichtig zu wissen, denn über dieser Allee herrscht schon immer absolutes Flugverbot. Da durfte noch nie ein Airbus rüberfliegen. Damit war der Nachweis nun endgültig erbracht: Das Flugverbot in ganz Deutschland war absolut richtig! Ich habe es endlich verstanden.

Ich kann deshalb die Österreicher gar nicht verstehen. Die haben das Flugverbot ja schon einen ganzen Tag früher aufgehoben. Das haben Österreicher vermutlich nur deshalb gemacht, weil dieser Nicki Lauda das Flugverbot eben nicht verstand (für diejenigen, die Nicki Lauda nicht kennen: Er war mal ein Autorennfahrer, der immer im Kreis gefahren ist. Das fand er dann langweilig. Deshalb fliegt er heute Flugzeuge).

Ich will damit nicht sagen, dass der Nicki Lauda und die Österreicher komische Leute sind, Herr Minister, schließlich wohnen Sie ja wie ich nur wenige Luftkilometer von Salzburg entfernt. Doch was dort am Flughafen passierte, war ja schon beeindruckend. Dort durften Flieger starten, doch sie mussten nach dem Abheben sofort eine scharfe Rechtskurve machen, denn zwei Kilometer nach der Startbahn war sie ja: die bedrohliche Aschewolke! Sie trennte an der Landesgrenze das wolkenfreie Österreich von Deutschland! Hier war klare Luft, dort aber war die Wolke. Ein Computermodell hatte das genau ausgerechnet.

Es ist mir ein Rätsel, warum auch anderen Staaten den Luftraum schon früher freigaben, lieber Herr Minister. Sie hatten sich doch auf einer Telefonkonferenz auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt, oder? Doch da macht jeder Staat wieder sein eigenes Ding. Dabei fand es ja ganz toll, dass Sie sich schon fünf Tage nach Sperrung des Luftraumes mit Ihren 26 Kollegen zu dieser Konferenz verabredetet hatten. Das ging ja wirklich schnell! Wenn ich als Geschäftsführer meine 26 Kollegen einladen möchte, dann dauert das schon lange, bis alle mal Zeit haben für eine Telefon- und Videokonferenz. Da gibt es immer ganz viele Terminprobleme: Da will der eine nicht auf sein wohlverdientes Wochenende im schönen Oberbayern verzichten, da hat der andere keine Zeit, weil er zur Einweihung eines Bahnüberganges eingeladen worden ist, und der nächste kann erst in zwei Wochen, weil er sich heute um leise Autobahnen kümmern muss. Ich hätte also Wochen gebraucht, um 26 Kollegen gleichzeitig an die Strippe zu bekommen. Sie waren mit den fünf Tagen weltmeisterlich schnell. Das war goldmedaillenverdächtig.

Überhaupt, lieber Herr Minister, ich komme aus dem Schwärmen nicht mehr heraus. Was ich da letzte Woche im Spiegel gelesen hatte, hat mich besonders gefreut. Da sagten Sie, dass die Fluggesellschaften es versäumt hätten, sich rechtzeitig um Grenzwerte zu kümmern. Damit haben Sie mir aus dem Herzen gesprochen: Ich finde auch, dass wir uns alle selbst um Grenzwerte kümmern sollten – die Fluggesellschaften um Vulkangrenzwerte und wir Autofahrer um Geschwindigkeitsgrenzwerte. Das ist endlich ein richtiger Ansatz.

Und wie gut dieser Ansatz ist, sieht man auf der Autobahn A8. Sie führt ja in unser Chiemgau, lieber Herr Minister. Da darf man meistens nur 120 Stundenkilometer schnell fahren. Ihr Chauffeur hat sich darüber bestimmt auch schon geärgert. Der ist auch so ein Autofahrer wie ich. Und als Autofahrer halte ich diesen Grenzwert für ziemlich unbegründet und möchte deshalb einen anderen Grenzwert vorschlagen: 240 Stundenkilometer! Ihr Chauffeur versteht bestimmt meine Argumentation: Ich fahre eine Z4. Dieser BMW kann 240 Kilometer schnell fahren und ist damit fast so schnell wie Ihr Dienstauto, Herr Minister. Ich habe seit über 25 Jahren keinen Unfall gebaut. Meine Haftpflicht- und Vollkasko-Versicherung ist deshalb sehr billig. Ich habe auch keine Punkte in Flensburg. Deshalb bin ich mir ganz sicher, dass man den Grenzwert auf 240 Kilometer festlegen kann. Was meint Ihr Chauffeur dazu? Der hat doch bestimmt auch keine Punkte in Flensburg. Wir können ja noch ein paar andere Autofahrer fragen, den Sepp zum Beispiel oder die Steffi. Dann legen wir den neuen Grenzwert fest.

Lieber Herr Minister, Sie hatten ja schon in Ihrer Regierungserklärung die Sache mit den Grenzwerte im Blick. Da sagten Sie, dass „glasklare“ Regeln und Vorschriften zum „alternativlosen“ Flugverbot führten. Die Regeln und Vorschriften waren wirklich so glasklar, dass man einfach durchschauen konnte. Das war alles klar wie Glas: Keiner konnte diese Regeln sehen, und die Grenzwerte auch nicht. Deshalb fand ich es gut, dass Sie nach Ihrer Regierungserklärung alle deutschen Verantwortlichen ganz schnell zu einem Expertenrating geladen hatten. Da mussten dann alle kommen: Airlineleute, Wettervorhersager, Flugsicherungsmenschen und viele mehr. Es war ja eher eine Ladung statt einer Einladung. Aber richtig, nur so geht es. In Ihrer Eröffnungsrede haben Sie sich dann für europaweit (glasklare) Regeln und Vorschriften eingesetzt, falls mal in Europa wieder ein böser Vulkan ausbricht und Asche spuckt. Für diese Einigung wünsche ich Ihnen und Ihren 26 Kollegen viel Erfolg.

Es grüsst hochachtungsvoll
Ihr Chiemgauer Nachbar
Donnergeräusch


P.S.
Ich habe gerade im Fernsehen so einen Wissenschaftler gesehen, der da folgendes behauptet hat: Durch das Flugverbot seien in Europa hundertausende Flugpassagiere auf Autos umgestiegen. Dadurch hätte sich die Zahl der Verkehrstoten erhöht. Kann doch nicht sein, oder?
 
Zuletzt bearbeitet:
Da kann ich mich nur anschließen: Herrlich, ganz toll zu lesen ... und das Schmunzeln will auch nicht verschwinden ... ;)

KLASSE!!! :thbup:

Servus,
Robert
 
Luftverkehrssteuer

Liebe Bundesregierung,
liebe Kanzlerin und alle genauso lieben Bundesminister,

ich schreibe Euch heute mal einen Brief:

an einem Wochenende im Juni habt Ihr Euch in Klausur zurückgezogen, um zwei Tage lang ernsthaft nachzudenken, wo man denn sparen könnte. Der Grund war klar: Die einzelnen Ministerien haben einfach zu viel Geld ausgegeben. Wir in meiner Familie machen das auch so, wenn das Geld mal knapp wird. Dann überlegen wir uns auch am Wochenende, wo wir sparen könnten. Bei uns in der Familie kommt dabei meist etwas vernünftige heraus. Euren Sparvorsatz in der Sparklausur fand ich deshalb richtig gut. Ich war also ganz gespannt auf Eure Sparbeschlüsse und hatte mir deshalb an dem Sonntagabend damals im Juni die Tagesschau angesehen:

"Wir sparen!" Das habt Ihr (Angie, Guido, Wolfgang) dann auch in den Nachrichten stolz verkündet und gleich dem Volk erklärt, wie Sparen auf Schäuble-Neudeutsch funktioniert. Wir Minister wollen sparen, indem wir neue Abgaben einführen - zum Beispiel eine Umwelt- und Ökoabgabe auf Flugtickets (wobei Ihr damals noch nicht wusstet, wie man dieses Ding denn juristisch korrekt benennen soll: Gebühr? Abgabe? Steuer?)

In den nächsten Tagen habe ich dann in der Süddeutschen Zeitung nachlesen können, was Ihr Euch bei den Sparbeschlüssen in dieser Klausur so gedacht habt. Auf Flugtickets soll nur in 2011 ein Jahr lang eine Gebührenabgabe erhoben werden, sagte der Peter (also Euer Verkehrsminister, der mit Nachnamen Ramsauer heisst). Maximal 25 Euro sollten es sein. Denn ab 2012 wird es ja den schon beschlossenen umweltgerechten Emissionshandel geben, an dem Air Berlin und Lufthansa teilnehmen und dann viel Geld einzahlen werden. Nur bis dahin sollte die Umweltabgabe erhoben werden. Sozusagen als Überbrückung.

Das fand ich ok. Umwelt finde ich generell immer gut. Ich habe zwar nicht ganz verstanden, was Umwelt mit "Sparen" und der "Sparklausur" zu tun hat, aber der Umwelt zuliebe ist einfach und immer alles so gut, dass man dafür gerne auch mal zusätzlich 25 Euro für einen Langstreckenflug zahlt, wenn dieses Geld denn der Umwelt nachher auch tatsächlich hilft.

Umwelt hin, Umwelt her - ich möchte ganz offen zu Euch sein, liebe Minister der Bundesregierung: Für mich hatte das Wort "Sparen" bis zu Euren Sparbeschlüssen einen andere Bedeutung. Sparen, dass heisst doch weniger Geld ausgeben, oder irre ich mich da? Sparen heisst Kosten kürzen, Preise senken, das Geld in die Sparbüchse werfen oder zur Bank zu bringen (wenn man in eine Bank noch Vertrauen hat). Das ist sparen, habe ich gedacht. Ich habe im alten Duden nachgesehen, ob der das auch so sieht. Ja, tut er! Aber der Duden ist alt. Und ich bin es auch. Aber wir haben eine neue Situation, eine neue Lage, wie ich höre. Da funktionieren alte Rezepte nicht mehr.

Liebe Regierung: Heute habt Ihr Eure Sparbeschlüsse konkretisiert und endgültig verkündet, dass es keine Umweltabgabe oder Gebühr, sondern so etwas wie eine Luftverkehrssteuer wird. Diese soll nun über 2011 hinaus Gültigkeit haben und paralell zum oben genannten Emissionshandel auch später noch erhoben werden. Diese Steuer wollt Ihr auch noch rückwirkend erheben: Es werden alle Flugtickets besteuert, die heute gekauft wurden, bevor das Gesetz ab 1. Januar 2011 in Kraft tritt. Das ist echt cleveres Schäuble-Sparen. Das heisst: Mein heute gekauftes Ticket nach New York wird also nicht billiger, sondern es wird teurer. Nicht wie ursprünglich mal gesagt maximal um 25 Euro, sondern gleich 45 Euro werde ich nachzahlen müssen. Meine Fluggesellschaft (die als Inkassobüro für diese Steuer benutzt wird), wird es mir nachbelasten.

Das ist pfiffig, liebe Angie, Guido, Wolfgang und auch lieber Peter: Das müssen wir dem Duden mitteilen - wir müssen dem Duden sagen, das heute "Sparen" etwas anderes heisst als gestern noch, dass sich die Bedeutung des Wortes geändert hat und heute "Sparen" nicht mehr so funktioniert wie noch vor ein paar Monaten. Ja, das müssen wir dem alten Duden mitteilen, er sollte darüber Bescheid wissen.

Zurück zu dieser Luftverkehrs-Ökosparsache: Es soll also keine Umweltgebühren oder Abgabe werden, habe ich gelesen. Ein Abgabe oder eine Gebühr wäre ja irgendwie zweckgebunden, sagen Juristen. Dann müssten also meine 45 Euro tatsächlich für die Umwelt verwendet werden. Aber es wird nun eine Steuer. Als Steuer getarnt, lieber Sparfuchs Wolfgang, kannst Du das Geld so verteilen, wie Du willst. Das hast Du geschickt eingefädelt. Man muss das Ding nur richtig benennen, damit es juristisch sauber ist.

Gut gemacht, Schäuble: Du kannst diese neue Steuereinnahmen jetzt zum Beispiel Deiner Bundestagsverwaltung geben. Diese kann damit für die Abgeordneten die Flugkosten für ihre Heimflüge bezahlen, die ja durch die Steuer teurer werden. Ich habe gehört, dass die Bundestagsverwaltung schon mal ernsthaft nachgerechnet hat, wie sich diese neue Steuer auf deren Haushalt auswirken wird. Soll ich Dir das verraten, Wolfgang?

Also: Heimflüge der Abgeordneten werden nicht um 8 Euro teurer, sondern um 16 Euro, denn innerdeutsch werden Hin- und Rückflug ja jeweils einzeln besteuert (steht zumindest so im Gesetzesentwurf). Um 8 Euro teurer wird es für Hin- und Rückflug nur dann, wenn der Abgeordnete am Wochenende nicht nach Hause, sondern viel weiter nach New York fliegt und er in London, Paris oder Amsterdam umsteigt. Er muss dort umsteigen, das ist ganz wichtig. Sonst wird es noch teurer und er denkt damit nicht an uns Steuerzahler. Fliegt er mit Lufthansa und steigt in Frankfurt um, dann kostet dieser Flug 45 Euro Steuern mehr. Will dieser Abgeordnete aber Air Berlin nicht benachteiligen und beide deutsche Fluggesellschaft gleich gut behandeln (dann ist er aber ganz blöd!) dann wird es richtig teuer. Nur dumm ist es, wenn er zum Beispiel auf einem Rückflugticket mit Lufthansa von Berlin nach Düsseldorf fliegt, um dort mit einem anderen Ticket in einen Flieger von Air Berlin einzusteigen, um dann nach Amerika zu fliegen. Das kostet ingesamt 61 Euro mehr an Steuern, die in Wirklichkeit wir Bürger als Steuerzahler dem flugreisenden Abgeordneten zahlen, auch wenn wir gar nicht fliegen.

Lieber Sparfuchs Wolfgang, das ist wirklich so! Aber keine Sorge: Das wird die Bundestagsverwaltung Dir bald mitteilen, denn die Flugkosten werden steigen, falls die Abgeordneten weiterhin mit Lufthansa oder Air Berlin fliegen und nicht Fremdfliegen mit Air France oder British Airways. Ich gehe davon aus, dass die Berliner Abgeordneten den deutschen Fluggesellschaften schon treu bleiben. Doch bald muss deshalb schon wieder gespart werden bei den Flugkosten in der Bundestagsverwaltung.

Liebe Bundesregierung, vermutlich habt ihr deshalb ja auch vorsorglich in Euren Gesetzesentwurf geschrieben, dass man (bei der nächsten Sparklausur?) im Jahr 2012 alles überprüfen will. Dann kann man ja nachbessern und schäuble-neudeutsch wieder "sparen" - wie zum Beispiel mit der Einführung einer neuen "Passagierstartsteuer", oder einer "Luftverkehrslandesteuer", oder einer "Flugverkehrsgepäckstücksteuer", oder mit der "Luftraumlärmverkehrssteuer", oder die "Flughafenbenutzungssteuer", oder sogar eine "Vulkanaschewolkensicherheitsluftraumschließungss teuer"...

Jetzt - genau jetzt in diesem Moment, in dem ich gerade die möglichen Steuern zusammen geschrieben habe - jetzt in diesem Moment verstehe ich Eure Sparbeschlüsse vom Juni wirklich, liebe Bundesregierung: Ihr seid sparsam umgegangen mit möglichen neuen Steuern und habt nur eine neue Steuer eingeführt. Das nenne ich sparen, wirklich sparsam! Es hätte ja noch mehr kommen können. Danke dafür!

Also liebe Angie, lieber Wolfgang, Guido, und auch alle anderen Minister:
Macht weiter so! Spart weiter in unserem Sinne.
Herzlichst grüsst Euch Euer
Donnergeräusch
 
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