Short on fuel?

cirrus123

Mitglied
Guten Morgen,

hat jemand dies gelesen?

Sind die dort angegebenen Fuel Massen nach der Landung gängige Werte? Auch nach zwei abgebrochenen Landeanflügen und einem divert? Kommen PAN & MAYDAY häufig vor wegen short on fuel?

Wie sind die "Freimengen", die die Companies den Piloten zugestehen, die sie nach eigenem Ermessen über die kalkulierte Menge hinaus tanken dürfen?

Aus einer low cost Airline hörte ich mal, dass die Piloten dort unter erheblichem Druck stehen, wenn sie mehr bunkern wollen als gerechnet wurde.

Einen schönen Tag noch
 
Sind die dort angegebenen Fuel Massen nach der Landung gängige Werte? Auch nach zwei abgebrochenen Landeanflügen und einem divert?

Die gesetzlich vorgeschriebenen Fuel-Mengen sehen iW wie folgt aus:

Tripfuel
Reserve (3-5% vom Tripfuel, min. 5 Minuten)
Alternate Fuel
Final Reserve Fuel (30 Minuten)

Bei einem Flug ohne Extra-Fuel findet man sich nach einen Go-Around an der Destination sehr schnell in einer blöden Ecke wieder.

Legal ist es ohne weiteres, den Alternate Fuel anstatt für die Diversion für ein kurzes Holding oder einen zweiten Anflug aufzubrauchen, früher hiess dieses Verfahren ganz offiziell 'commitment to stay', nach JAR-OPS bzw. EU-OPS wird es einfach in die Fuel Policy hinein-interpretiert. Wenn der Plan aufgeht und ich mit mehr als Final Reserve Fuel ereignislos lande, wird nie jemand davon erfahren.

Ob es ein schlauer Plan ist, sowas an einem Airport mit nur einer Runway zu bringen möchte ich mal dahingestellt lassen, da es ja immer sein kann, dass die Bahn (wenn auch nur kurzzeitig) blockiert ist. Wenn man dann noch diverten muss, wird man definitiv unter Final Reserve Fuel landen, das ist dann ein MAYDAY mit vollem Programm und muss natürlich gemeldet werden. Hinterher wird die Entscheidung dann in aller Ruhe zerlegt.

Beim A320 ist Final Reserve Fuel (30 Minuten Holding Fuel in 1.500 AGL über dem ALTN) etwa 900-950 kg, dürfte für den Bobby ähnlich sein. Sieht also so aus (va in Verbindung mit dem MAYDAY Call) dass die Kollegen drunter waren: Blöd gelaufen.

Dass dies natürlich auch eine zwangsläufige Folge der Sprit-Knauserei bei vielen LCCs ist, ergibt sich von selber. Nur wenn ich mit Minimum Fuel unterwegs bin, was ja erlaubt ist und nicht unsicher sein muss, dann brauche ich halt einen knallharten Plan für 'in case of' und muss bereit sein, ihn ohne jegliche Hemmungen umzusetzen. Ausserdem muss ich wissen, wie mein Alternate Fuel im OFP berechnet ist, da gibt es bei vielen Companies sehr kreative Methoden die zu einem Alternate Fuel führen, den man in real life nie erreichen wird (sondern viel mehr), z.B. direct distance, long range cruise, FL = Distance uvm. Dazu kommt noch die Anzeigegenauigkeit der Spritmessung, das ganze Gebimmel unter ~ 45' Restflugzeit (Fuel low level) => Braucht kein Mensch!

LG MAX reverse
 
Danke für die umfangreiche Antwort.
Gibt es auch noch etwas zu den Grenzen der Freiheit für die Crew etwas mehr zu tanken?
 
Habe nicht die Kompetenz wie Max, aber da mich deine zweite Frage ebenfalls interessiert, füge ich hier meine These hinzu, deren Wahrheit oder Unwahrheit morgen von Max oder einem anderen Kollegen bestätigt werden wird.

Soweit ich weiß hat der Kapitän, der in seiner Position als verantwortliche Person die Tankfüllung beim Tankwart abnimmt und mit seiner Unterschrift besiegelt, natürlich die Möglichkeit, zusätzliches Fuel mitzunehmen, natürlich vorausgesetzt das TOW bleibt unterhalb der MTOW-Grenze.

Ebenso bin ich der Meinung, dass die Abweichungen vom OFP so großzügig sind (wobei das wohl companyabhängig ist), dass ich als Kapitän auch z.B. bei delay oder kurzfristigen Preiserhöhungen des JetA1 über den Ort des Tankens entscheiden kann. Bsp. Umlauf MUC-HAM-MUC-TXL-MUC - gab Nebel in HAM sodass der Flug 30 Minuten später off block geht, um die Verspätung zu kompensieren, entscheidet der Kapitän respektive das Cockpitteam in MUC mehr Sprit aufzunehmen, um in TXL ein wenig Spielraum zu haben, sprich er tankt statt nur für das Leg MUC-TXL gleich den Bedarf für TXL-MUC mit.
Wobei.... wahrscheinlich sind die Kollegen im OPS in der Zwischenzeit genauso schlau und haben, da sie ja die Daten schon vor sich haben und die Crew die Load Sheets der anderen Legs nicht hat, die Load Sheets aktualisiert sodass von vornherein für MUC-TXL-MUC getankt wird.

Gute Nacht
 
Grundsätzlich liegt die Entscheidung wieviel "Extra" getankt wird bei der Crew und in letzter Instanz beim Kapitän.
Trotzdem handhaben die einzelnen Flugbetriebe das verschieden.
Es soll Airlines geben wo man mal zum Gespräch gebeten wird wenn man permanent viel Extra Fuel mitnimmt.

Ich kann nur für den LH Regio Bereich sprechen und hier das das wirklich einzig und allein eine Entscheidung der jeweiligen Crew.
Kollegen die aus anderen Flugbetrieben zu uns gewechselt sind haben mir schon gesagt wie angenehm sie es teilweise empfinden das in dieser Hinsicht kein Druck ausgeübt wird.

Das heisst aber nicht das man als Crew bei jedem Flug eine Stunde Extra Fuel mitnimmt nur weil das nicht hinterfragt wird.
Man wägt wirklich bei jedem Flug die verschiedensten Dinge ab und entscheidet sich dann gemeinsam für das "Extra".
Trotzdem kann man nicht alle Variablen schon vorher kennen und auch mit konservativer Tankstrategie mal Probleme bekommen.


Noch ein Wort zum Tanken für mehrere Legs:

Im LH Bereich gibt es auf dem OFP (Operational Flight Plan) eine Empfehlung an die Crew ob "durchgetankt", also hin- und zurück , oder nur für ein Leg getankt werden sollte.
Dies wird anhand des Mehrverbrauchs und der unterschiedlcihen Spritpreise an den jeweiligen Airports errechnet und uns dann auch als monetärer Wert ausgegeben. (z.B. 120 $ extra pro Tonne)

Es ist und bleibt aber eine Empfehlung, die Crew hat das letzte Wort und es gibt durchaus öfters Sitautionen die es rechtfertigen davon abzuweichen.
(z.B. wenn man stark verspätetet ist und die Turnarroundzeit am Zielflughafen auf ein Minimum reduzieren will)
 
In den USA ist z.B. bei vielen 'majors' üblich, dass für Inlandsflüge der Blockfuel vom Dispatcher festgelegt und ggf. bereits vorgetankt wird. Möchte die Crew mehr, ist das dann einerseits ein organisatorisches Problem, andererseits kann es durchaus eine psychologische Hemmschwelle bedeuten. In meinen Augen keine sinnvolle Operation.

Bei immer mehr (deutschen und internationalen) Airlines muss man die Mitnahme von mehr als z.B. 10 Minuten Extra-Fuel kurz schriftlich begründen. Auch nicht so doll.

Einzig sinnvolle Alternative kann nur sein, die Crew mit aussagefähigen Wetterinfos, brauchbaren statischtischen Daten über jedes City-Pair und brauchbaren OFPs zu versorgen und dann selbständig entscheiden zu lassen. Zwar akzeptiert man damit zwangsläufig, dass es ein paar Pappnasen gibt, die immer mit 30 Minuten Extra fliegen, egal ob CAVOK oder +TS, das geht aber wohl nicht anders.

Das Minimum-Tanken wurde kürzlich durch eine Empfehlung entschärft, auch bei gutem Wetter immer mit einer Rest-Endurance von ~1 Stunde an der Destination anzukommen, weil das durch eine kurzfristigen RWY-Schliessung ausgelöste Chaos/Delay nach ausgiebigen Simulationen etwa im Bereich 30 Minuten liegt, so dass man dann (falls man sich gegen eine Diversion etscheidet) gerade noch mit Final Reserve Fuel landen kann. Daraus ergiebt sich bei normal weit entfernten Alternates ein Extra Fuel von etwa 15 bis 20 Minuten.

Das 'Durchtanken' für normale innerdeutsche bzw. innereuropäische Flüge ist idR sinnlos, da das Aus-und Einsteigen von 150 Paxen und Cleaning ein Vielfaches der Zeit des Betankens dauert, sich aus dem Tankvorgang alleine also normalerweise kein Delay ergeben sollte. Wenn es doch mal knapp wird, ist an immer mehr Airports das Tanken während des Aus- und Einsteigens erlaubt. Von daher wird grundsätzlich nur aus wirtschaftlichen Gründen oder bei Versorgungsengpässen durchgetankt. Bei Kleingerät oder wenn der Flieger mal nur mit 20 Paxen unterwegs ist sieht die Sache im Einzelfall evtl. anders aus.

Gruß MAX
 
Letzlich muss man von der absoluten Kostenseite ja auch folgendes bedenken:
Nimmt eine Crew zu wenig Extra Fuel mit um z.B. so lange zu warten bis die Runway wieder "clear" ist, muss sie ja zwangsläufig zum Alternate. Das verursacht ja u.U. deutlich höhere Kosten für die Airline, als eine Tonne oder 2 mehr an Sprit mitzunehmen. Da kommt ja ganz schön was zusammen mit Paxe umbuchen, Landegebühren, evtl. Ferry-Flügen usw. usw.

Im Übrigen haben die Piloten ja auch in den meisten Fällen deutlich mehr Erfahrung, an welchen Airports man bei welchem Wetter wie viel Extra mitnehmen sollte. So ist starker Wind in Hamburg wohl kein so großes Problem, wie z.B. in FRA...
 
Letzlich muss man von der absoluten Kostenseite ja auch folgendes bedenken:
......

Ich will jetzt hier nicht die "andere Seite" unterstützen, aber von der Kostenseite her ist es wahrscheinlich für die Airline teurer, wenn 100 Flüge mit zig Extra Fuel durch die Gegend fliegen ohne es zu brauchen.
Wenn von den 100 Flügen mal einer diverten muß, dann ist es dumm gelaufen, aber 99 sind trotzdem ohne teuren Extra Fuel ausgekommen....

Nur nochmal zum klarstellen:
Meiner Meinung nach soll die letzte Entscheidung über die Fuelmenge bei der Cockpitcrew liegen, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen...
 
Wie sieht das eigentlich aus wenn z.B. die Strecke MUC-HAM-MUC geflogen wird?
Das Flugzeug wird in München aufgetankt incl. aller vorgeschriebenen Reserven und landet dann ohne Probleme oder Zwischenfälle in Hamburg. Somit wurde ja das zusätzliche Kerosin nicht benötigt und befindet sich immer noch in den Tanks. Können die Piloten das sehen/messen/wiegen und müssen die dann wieder zusätzlich mehr tanken oder reicht dann allein die errechnete Menge für den Rückflug aus?
 
Können die Piloten das sehen/messen/wiegen und müssen die dann wieder zusätzlich mehr tanken

Dafür gibts Tankanzeigen im FLugzeug ;D, in Hamburg wird dann üblicherweise das draufgetankt, bis wieder der Sprit an Bord ist, den die Crew für den Trip haben will/braucht (inkl. Reserven ect.). Effektiv wird dann üblichweise das getankt, was tatsächlich durch die Triebwerke gejagt wird.
 
Du hast in der Upper Ecam die Fuel Section wo der Tankinhalt angezeigt wird. (oberhalb der Flaps, FOB Fuel On Board)

EWDscreenshot2.jpg


Zudem gibts unten am Rumpf (ich spreche vom Airbus) zwischen vorderer Frachtluke und Triebwerk ein kleines Kläppchen worin ein Gerät ist welches nochmals eine Tankanzeige beinhaltet. Der Tankwart kann das Ganze am Triebwerk wahrsch. nochmal sehen, hier muss ja dann nur soweit wieder aufgetankt werden, wie im Loadsheet vorgeschrieben, damit die Gleichung Remaining Fuel + X = Fuel für den nächsten Flug gem. Load Sheet oder CockpitCrew Instructions aufgeht.
Aber das wird im OPS ja perfide berechnet ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Darf man fragen, wer entschärft hat....?

Mit bestem Gruß

quote_icon.png
Zitat von Max Reverse
Das Minimum-Tanken wurde kürzlich durch eine Empfehlung entschärft, auch bei gutem Wetter immer mit einer Rest-Endurance von ~1 Stunde an der Destination anzukommen....
Gruß MAX


Darf man fragen, wer entschärft hat....?



@cirrus123:

Entschärft hat die die Flugsicherheitsabteilung der Lufthansa, nachdem die gesetzlichen Mindestmengen in letzter Zeit verringert wurden und auch schon noch deutlich geringere Mindestwerte in Vorbereitung sind.

Nach umfangreichen Simulationen kam die Empfehlung von mindestens einer Stunde Resttreibstoff zu Stande. Falls der Alternate in nächster Nähe zum Zielort liegt, kommt man gesetzlich schon mal deutlich drunter (35-40 Minuten, z.B. Mailand, Rom, Köln, Düsseldorf, London, Paris....)

...und es stimmt, dass sich die Piloten vieler Airlines mittlerweile schriftlich erklären müssen, wenn sie Extratreibstoff tanken.
Dies ist ein killing item bei safety-audits, die LH bei anderen Flugbetrieben durchführt.


Ansonsten spielt für die Mitnahme von Extra-Sprit natürlich die Bewertung der Wetter- und Flugunterlagen eine Rolle, sowie die persönliche Erfahrung und Flugzeit, Datum....)

Bei Lufthansa gibt es ein schönes Instrument, indem im Nachhinein Millionen von Flügen ausgewertet und gewichtet werden und schließlich verschiedene statistische Werte angegeben werden. So wird dargestellt, wieviel Prozent der Flüge wieviel Extra-Treibstoff in der Vergangenheit für eine bestimmte Verbindung verbraucht haben. Darüber hinaus können wir aber soviel Sprit mitnehmen wie wir wollen -ohne Fragen & ohne wenn und aber. Ich habe auch schon hier und da über zwei Stunden Extrasprit mitgenommen, ich denke mein "Rekord" liegt bei ca. 15 Tonnen.



Zum Tankering (Durchtanken):
Es ist nicht egal, ob ich den Sprit gleich für das übernächste Ziel mitnehme.
Es kann wirtschaftlich Sinn machen, wenn am ersten Zielort der Sprit deutlich teurer ist als am Abflugort.
Allerdings muss man bedenken, dass ein Teil des Extratreibstoffs durch das höhere Gewicht verbraucht wird. Dies hängt im wesentlichen von der Flugdauer ab.

Als Daumenwert kann man etwa 4% Verlust pro Flugstunde rechnen. Das bedeutet, auf einem Flug FRA-Telaviv gehen pro Tonne extra ca. 160 kg für den Transport der Tonne drauf und am Ziel bleiben also 840kg für Warteschleifen übrig, auf einem Langstreckenflug nach Japan geht fast die Hälfte für den Transport drauf.

Entsprechend wird auch die Luft belastet.

Bei LH wird deshalb mittlerweile auf Tankering verzichtet, wenn der wirtschaftliche Gewinn nicht eine bestimmte Schwelle übersteigt.

Aus diesem Grund wäre auch die Einführung von Mineralölsteuer für Kerosin höchst umweltschädlich, wenn diese nicht gleich weltweit eingeführt würde.

Würde diese Steuer z.B. in der EU eingeführt, würden die Verkehrszentralen versuchen, die Flugzeuge regelmäßig über Ziele ohne Steuer fliegen zu lassen. Zum Beispiel würde man in der Schweiz (nicht-EU) volltanken, dann z.B. Zürich, Frankfurt, Paris, Frankfurt, Zürich fliegen, um dort wieder vollzutanken (soweit PTOW, MLAW... im Limit sind). Das würde zwar auch durch den Mehrverbrauch Geld kosten, könnte sich aber, je nach Höhe der Steuer, durchaus lohnen, wäre aber natürlich Gift für die Umwelt.

Mal schauen, was sich unsere Politiker hierzu einfallen lassen. Das ist ja immer das Problem, wenn Leute die keine Ahnung haben, über Dinge entscheiden müssen, die sie nichts angehen.
 
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