RVR-Werte vorm Take-Off

SkyLord

Mitglied
Hallo liebe Piloten,

habe mal ne Frage zu CAT2/3...
Dass euch die RVR-Werte bei der Landung interessieren ist ja selbstverständlich, wir Lotsen sind ja schließlich auch verpflichtet diese euch mitzuteilen...
Wie schauts denn vorm Start aus? Rein betrieblich gibt es auf Lotsenseite keine Vorschrift die besagt dass die Piloten über die aktuellen Werte informiert werden müssen...
Manche Lotsen machen es dennoch, andere wiederum nicht!

Wie sehen die Wünsche auf Pilotenseite aus? Bekommt ihr bei CAT2/3 die Werte gerne vorgelesen, oder interessieren sie euch eher weniger, da ihr ja eh am Boden seid und sehen könnt wir dicht der Nebel ist?
Gibt es irgendwelche Procedure auf Cockpit-Seite die bei verschiedenen RVRs die Abläufe beim Take-Off veränder...?

Vielen Dank schonmal für eure Meinungen...
 
Hallo Skylord,

interessante Frage. Ich kann nur für DLH sprechen, gerade im Bereich der LVO erlebt man ja immer wieder, dass die einzelnen Operators die JAR-OPS-Forderungen recht unterschiedlich umsetzen.

In unserem QRH (Quick-Reference-handbook - dickes, schlaues Buch) gibt es eine eigene Seite zum Thema 'Requirements for LVO-Takeoff. Auf dieser Seite finden sich in Kurzform die einzelnen Requirements und die sich daraus ergebende benötigte minimale RVR für den Take-Off.

Unser OM-A sagt logischerweise: A take-off may only be commenced, when RVR along the required FRA field length is equal to or betten than the required minimum. Dabei kann der erste RVR-Wert durch 'Lampenzählen' ersetzt werden, die weiteren jedoch NICHT, was gerade in MUC ein echtes Problem ist, wenn wieder einmal die Transmissometer schon im Bodennebel stehen, die Bahn aber noch frei ist.

Das absolute Minimum wenn bord- und bodenseitig alles funktioniert ist für CAT C-Flieger (alles außer Jumbo und dem kleinen Caritas-Jet) 0 Fuss-125 Meter. Allerdings gehen auch Dinge wie der technische Status des Fliegers, die Qualification der Crew, RWY-Condition, die X-Wind Komponente uvm. ein.

Es muß also sichergestellt sein, dass vor dem Start die Werte >= Minimum sind. Wenn die Werte an einem Tag mit richtig dicker Suppe sich schon seit langem immer nur um 25 Meter hin oder her ändern und nicht direkt am Minimum liegen, dann wäre wohl nicht elementar, die RVR zu erfragen, zumal wir ja wenn es 'eng wird' durchaus mal auf der 2er Box den TWR mithören (während wir noch bei GND sind) und daher über die Werte halbwegs im Bilde sind.

Dennoch würde ich einfach aus Gründen von 'Good Airmannship' falls der Lotse es nicht selbst sagt bei der T/O-Clearance ein kurzes 'Pls conf RVR' anhängen. Wenn wir nämlich zB bei einem LVO-RTO in die Wiese fahren und die RVR war 25 Meter unter dem Minimum, dann gibt es (zu Recht) einige Fragen an den CPT.

Wo wir gerade dabei sind: In den letzten Jahren habe ich es öfter erlebt, dass zwar LVO auf der ATIS aufgesprochen war (und auch in Betrieb), dass aber trotz recht mäßiger Sichten auf den TWYs die Stop-Bars nicht in Betrieb waren. Uns hätte dabei zB beinahe mal eine KLM 'umgefahren'. Ab welcher RVR müssen den die Bars aktiv sein und ist das eine Mehrbelastung für Euch?

Und noch einen: Selbst wenn es dicke regnet, ist in MUC höchsten sehr selten die RWY-Condition auf der ATIS, auch auf TWR bekommt man diese meistens nur auf Nachfrage. Es macht für uns schon einen Unterschied, ob es nun damp, wet oder gar noch mehr ist. Diese Info ist an anderen (deutschen) Airports eigentlich üblich, warum klappt das in MUC leider nicht automatisch?

Viele liebe Grüße, MAX
 
Die STBs an der RWY müssen bei CATII und CATIII immer in Betrieb sein. Sobald wir CAT II/III am "Schaltpult" anwählen, schalten sich diese automatisch ein. Die "Mehrarbeit" besteht nur darin, dass man beim "line-up" den entsprechenden STB ausschalten muss.
Evtl. war es in der von Dir beschriebenen Situation so, dass wir zwar schon CATII vorgehalten haben (sprich Sensitive Area frei, Redundazen an usw.), aber es noch nicht tatsächlich zu CATII kam. In einem solchen Fall sind nämlich die STB an der Bahn noch nicht geschaltet.
Falls Du die STBs auf den TWYs an den verschiedenen Kreuzungen meinst: Diese sind nur bei der automatischen Rollführung ("Mode C") aktiv, welche wir nur fahren, wenn ein RVR-Wert <=200m ist. In dem Fall schalten wir für jeden Flieger eine "Halbautomatik" die ihn entlang der grünen Taxilights führt. Dazu gibt es im gesamten Rollbahnbereich Sensoren; sobald ein Flieger den Sensor überquert schaltet sich hinter ihm der STB an, sodass Kollisionen im Rollbahnbereich ausgeschlossen werden können. Aber wie gesagt: dies kommt nur bei richtig dickem Nebel zur Anwendung und kostet enorm Kapazität!

Ja, die RWY-condition in MUC ist so eine Sache. Es heißt in MUC, dass durch das Grooven der Bahn von einer guten Braking-action (BA) ausgegangen werden kann, solange keine widersprüchlichen Reports kommen bzw. bis der Airport nicht mit dem Friction-Tester die BA gemessen hat. Solange uns also nicht anderes vorliegt ist das einzige, was wir sagen könne: "RWY is wet, BA should be good". Die Unterschiede zwischen damp, wet, slippery usw. können wir vom TWR natürlich nicht erahnen, deshalb generell bei Regen "wet"...
In unseren Vorschriften steht außerdem, dass wir die reduced RWY-seperation nur bei good BA anwenden dürfen, ansonsten brauchen wir zwischen Start und Landung minimum eine Bahn spacing. Aus diesem Grund können wir eine poor BA natürlich gar nicht gebrauchen, kostet Kapazität. Natürlich darf es nicht auf Kosten der Sicherheit gehen, sollte die Bahn tatsächlich mal slippery sein, dann muss man das natürlich beachten. Allerdings gibt es da zwischen den Piloten auch erhebliche Unterschiede: mal kullert der Dolomiti-Avro erst den 3ten Highspeed-exit runter, der Heavy dagegen nimmt den ersten...

In diesem Sinne: solange es nicht wirklich extrem rutschig ist: kein report über die BA, es kostet unsere und eure Kapazität in Form von größerem Spacing am Final ;-)
 
Zuletzt bearbeitet:
Was mich noch interessieren würde, betreffend RVR-Werte bei Landung:
Inwiefern beeinflusst euch eine kurzfristige Änderung der Werte? Angenommen es wird offiziell CATII gefahren, der RVR-Wert in der TDZ sinkt aber auf z.B. 275m wenn ihr am OM seid. Wendet ihr dann sofort die Minima für CATIII an? Was müsst ihr sonst in solch einem Falle beim Anflug noch beachten? Für uns macht es ja eigentlich keinen Unterschied, ob wir CATII oder CATIII fahren, vom Spacing am Final, den Holding Points etc. ist es ja gleich. Ist es für euch dann praktischer, wenn gleich CATIII gefahren wird, auch wenn die Werte auch noch CATII zulassen würden?
Und wie ist es im umgekehrten Fall? Ofiiziell wird CATII gefahren, die RVR-Werte sind aber momentan gut (1500P). Ihr könnt doch dann CATI anfliegen, oder geht das so kurzfristig nicht?
Schließlich noch das typische MUC-Phänomen: RVR ist schlecht (<600m), da die Transmissiometer im Gras stehen, aber die ganze Bahn ist zu sehen. Habt ihr Probleme damit, wenn man euch in einem solchen Fall bittet CATI anzufliegen (evtl. mit der Anmerkung "preciding inbound reported RWY in sight on two miles final" oder "Tower observation: whole RWY in sight")?? Verlasst ihr euch auf so eine Aussage, auch wenn die RVR-Werte dagegen sprechen?

Merci!
 
Erfahrungsgemäß mit meinen Bescheidenen 5 Jahren (davon 4 in MUC) kann ich sagen, sobald ihr auf CAT II geht, haben wir immer einen CAT IIIa mit 50ft und 200m auf dem CRJ gemacht- genau um dem "vorzubeugen", falls die Werte schlechter werden.
Man ist so auf der sicheren Seite in dem Fall.

Aber großartig ändern wird sich nichts. Die LVO Proceedures sind gleich, man kann das neue Minimum eingeben, DUAL AP Anflug ist eh immer der Fall, also auch Autoland-Möglichkeit.
 
Okay, interessant zu wissen. Wie hat man sich das im Cockpit vorzustellen? Gibt es ein akustisches Signal beim Minimum und dann müsst ihr die RWY sehen oder wie?
 
Was mich noch interessieren würde, betreffend RVR-Werte bei Landung:
Inwiefern beeinflusst euch eine kurzfristige Änderung der Werte? Angenommen es wird offiziell CATII gefahren, der RVR-Wert in der TDZ sinkt aber auf z.B. 275m wenn ihr am OM seid. Wendet ihr dann sofort die Minima für CATIII an? Was müsst ihr sonst in solch einem Falle beim Anflug noch beachten? Für uns macht es ja eigentlich keinen Unterschied, ob wir CATII oder CATIII fahren, vom Spacing am Final, den Holding Points etc. ist es ja gleich. Ist es für euch dann praktischer, wenn gleich CATIII gefahren wird, auch wenn die Werte auch noch CATII zulassen würden?
Und wie ist es im umgekehrten Fall? Ofiiziell wird CATII gefahren, die RVR-Werte sind aber momentan gut (1500P). Ihr könnt doch dann CATI anfliegen, oder geht das so kurzfristig nicht?

Für 'uns' (DLH) gilt folgendes Verfahren:

Der Approach darf unabhängig von der RVR begonnen werden, bis zum OM muss aber die nötige RVR erreicht werden. Dabei ist hauptsächlich die RVR der TDZ maßgeblich, die MID und END RVR können z.T. geringer sein (CATI -50%, CAT II/III -50m).

Nach dem OM dürfen die RVRs dann wieder auf bis zu 75m absinken, hier gab es gerade eine Änderung der JAR-OPS, über die sich die 'Gelehrten' selbst noch nicht so ganz einig sind.

Während des Approaches von CAT II auf CAT III zu wechseln ist eigentlich keine große Sache und ist wenn es vor dem OM angekündigt wird, kein Problem.

Schließlich noch das typische MUC-Phänomen: RVR ist schlecht (<600m), da die Transmissiometer im Gras stehen, aber die ganze Bahn ist zu sehen. Habt ihr Probleme damit, wenn man euch in einem solchen Fall bittet CATI anzufliegen (evtl. mit der Anmerkung "preciding inbound reported RWY in sight on two miles final" oder "Tower observation: whole RWY in sight")?? Verlasst ihr euch auf so eine Aussage, auch wenn die RVR-Werte dagegen sprechen?

Naja, hier ist jetzt Haare spalten angesagt.

Die Dienstvorschrift habe ich oben schon zitiert und jeder der bei einer RVR < 550 m einen CAT I-Approach über das OM fortsetzt, begibt sich auf sehr dünnes Eis, hauptsächlich wenn irgendetwas passiert. Das muß nicht mal mit dem Approach zu tun haben, laß bei der Landung einen Reifen platzen, der Flieger fährt eine Lampe um und hinterher wird am grünen Tisch alles 110%ig zerpflückt und da wird die Frage kommen 'Warum sind sie bei RVR < Minimum angeflogen?'. Ich würde es nicht tun.

Ausserdem ist es immer wieder frappierend, bei Wetterlagen mit MIFG oder BCFG anzufliegen. Du siehst den Airport bereits von Linz aus, auch den ganzen Anflug über ist die Bahn bestens zu sehen. Und in 20 oder 10 Fuss AGL fliegt man in den Bodennebel ein und sieht: NICHTS MEHR. Das dann unter CAT I mit manual Landing kann SEHR interessant werden. Wer es einmal erlebt hat, braucht es nicht mehr...

Das mit den Pilot Reports ist grundsätzlich so eine Sache. Um diesen qualifiziert beurteilen zu können, würde ich mindestens gerne Company und A/C-Type wissen. Aber selbst bei Kollegen aus der eigenen Firma und auf dem gleichen Flieger ist die Wahrnehmung oftmals sehr 'subjektiv', das habt Ihr sicher auch schon bemerkt...

Die ganze LVO und Winter-Ops ist ziemlich auf Kante genäht und arbeitet teilweise mit erheblich reduzierten Sicherheits-Margen. Daher wäre es schön, wenn WIR ALLE uns nicht von den Kaufleuten 'hetzen' lassen würden, die einfach nur ahnungslos sind und nicht wissen, wessen Kostenstelle sie mit dem Nebel belasten sollen.:(

Viele Grüße, MAX
 
Okay, interessant zu wissen. Wie hat man sich das im Cockpit vorzustellen? Gibt es ein akustisches Signal beim Minimum und dann müsst ihr die RWY sehen oder wie?

Ist sehr vom Muster abhängig. Am Minimum erfolgt ein automatischer oder menschlicher Callout 'MINIMUM', dann muss der CPT sich innerhalb von 0.378 Sekunden für 'CONTINUE' oder 'GO AROUND' entscheiden. Bei einem G/A kann es durchaus noch zur Bodenberührung kommen.

Während bis vor kurzem das niedrigste Minimum für CAT III 17 Fuss (ganze 5,6 Meter) war - also max 10 Sekunden vor dem 'Aufschlag' - gibt es jetzt ein noch tolleres Verfahren, bei dem man bereits in 100 Fuss und ohne jegliche visuelle Referenz 'CONTINUE' sagt, solange der Flieger bis dahin meint, dass alle Systeme funktionieren. Danach einfach auf den Aufschlag warten. Etwas gewöhnungsbedürftig, aber findige französische Ingenieure haben ausgerechnet, dass das theoretisch funktionieren müßte, außer in 1/10^-9 der Fälle

Und hey: 'It's sä bäst äroplän in sä wörld!'

Hals- und Beinbruch, MAX
 
@Max Reverse
an dieser Stelle mal wieder ein herzliches Danke an deine stets sehr ausführlichen, informativen, und teils sogar unterhaltsamen Ausführungen...:):resp:
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja von mir auch herzlichen Dank! Finde ich gut dass du dir die Mühe machst, das verstärkt das Verständnis untereinander...!
 
Am heutigen Nebel-Tag kamen auch wieder ein paar Fragen auf:

DHL-Avro-Kaptäin "beschwerte" sich bzw. merkte an, dass es bei 6NM Final zu fluctuations kam. Ihm hat es nicht gepasst, dass so kurz vorher noch Starts raus gingen.... Von unserer Seite aus ist jedoch die Vorschrift, dass keiner mehr in der Sensitive Area sein darf, wenn der Inbound bei 2NM ist. Dass es dann bei 6NM zu fluctuations kommen kann, wenn noch z.B. ein Heavy über die Antenne brettert, ist ja eigentlich klar.
Wie lautet denn die offizielle Anweisung Cockpitseitens in Bezug auf die ILS-Schutzzone bzw. mögliche, noch zu tolerierende Fluctuations??
Inwiefern unterscheidet sich eine Störung des ILS-Signals bei 2NM, 6NM oder auch 12NM? Ab wann meldet sich der AP automatisch ab?
 
@AufMUCcer:
Sagen wir es mal so: Das Problem ist ein reines MUC Problem! Ich kenne keinen Airport, bei dem es so oft Fluctuations des Glides gibt wie in MUC! Auf dem A300 sind wir eigentlich immer der Intercept (Nordbahn) von Hand geflogen, da gerade in dem Bereich (also bei ca. 12NM) erstaunlich oft Störungen waren. Der Autopilot kennt da keine Gnade und jagt denen hinterher...:thbdwn: Danach wurde es oftmals besser, so daß man de AP wieder nutzen konnte.

Bei CAT 2/3 würde ich in MUC aufgrund der Erfahrung mit dem Problem ohne weiteres erstmal mindestens bis 1000' weiterfliegen - auch wenn ich dafür den AP rausnehmen und später (beide) wieder reinnehmen würde.
Unter 1000' bei CAT 2/3 hört für mich aber der Spaß auf. Die Flight Warning Computer sind im Grunde dann je nach Flugzeugtyp auch mehr oder weniger aktiv und schreien von alleine "G/A", wenn es denen zu arg wird.

Gruß,

Nabla
 
was uns aber nicht so richtig weiter hilft. denn die Beschwerde kam ja nicht weil der Glide so gewackelt hat, sondern weil davor noch Starts rausgingen - und dann der Glide gewackelt hat. Das es in dem Moment sicher unangenehm ist - geschenkt. (CAT 3 ist auch am PC-Sim scheiße, auch wenn's schon etwas her ist ;) )

aber die 'Beschwerde' war doch ob der Departure vorneweg. Es sind die 2 NM schon ein Kapazitätskiller (wenn auch nötig, früher waren's mal vier - aber die ILS sind ja sooo viel besser geworden :whistle: )

was wäre da erst bei 6 oder 8 NM......

Ich befürchte allerdings reines beschweren wird da nicht helfen (über euer Flight Ops), vielleicht schon eher über Safety?

am besten helfen würde sicher regelmäßiges Go-around, aber der Weg ist zum einen mühsam für alle (euch wie auch uns) und zum anderen seeeeeeeehr langwierig. Und sicher ist der gewünschte Erfolg auch nicht.

Was tun, sprach Zeus....


Saigor
 
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