Fiktion und Wahrheit

Bruchpilot

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Natürlich übertreiben Filmemacher und Buchschreiber gerne maßlos, was nicht alles in Flugzeugen möglich sein soll....

Ich habe letztens "Airframe" von M.Chrichton gelesen.

Mal kurz angerissen: Ein Charterflug von Honkong Richtung Denver bittet um Priority nach LAX, Passagiere und Crew seien wegen schwerer Turbulenzen verletzt worden, das Flugzeug selbst aber unbeschädigt. Nur eine Minute nach der Landung fehlt von der Crew jede Spur. Die Kabine ist vollkommen verwüstet, insgesamt sind 56 Verletzte und drei Tote unter den Passagieren. Im Protokoll steht lediglich, daß der Cpt. gegen den Autopilot ankämpfen musste, um die Kontrolle über das Flugzeug zu behalten. Die Crew hätte unmittelbar zurück in ihr Heimatland fliegen müssen, um sich den dortigen Behörden zu stellen.
Da der verantwortliche Pilot als absolute Korephäe bekannt ist, muss das Flugzeug wohl schuld sein. Später wird von der Airline noch nachgeschossen, daß es ein "unkommanded Slats Deployment" gegeben hätte. "Uncommanded Slats Deployment" war ein Problem an diesem Typ kurz nach Indieststellung, welches aber als gelöst galt. Bei dem Flugzeug handelt es sich um eine N-22, einen Widebody des Flugzeugherstellers Norton Aircraft mit Sitz in Burbank, Kalifornien. Da der Hersteller kurz vor Abschluß eines Auftrags für 50 Flugzeuge nach China ist, kann man schlechte Presse gerade jetzt nicht brauchen, zumal Airbus ebenfalls sehr interessiert an dem China-Deal ist. Zufällig bekommt ein Nachrichtenmagazin Wind davon, und versucht mit aller Gewalt das Flugzeug als "Todesfalle" zu brandmarken, um eine Publikumsträchtige Show inszenieren zu können...

Der Flugdatenschreiber ist beschädigt, die Datenanalyse wird Wochen, wenn nicht Monate benötigen - es bleibt aber nur eine Woche, um die Ursache aufzuklären, da die TV-Crew und der China-Auftrag im Nacken sitzen. Voice Rekorder kann man auch vergessen, da dieser ja nur die letzten 30 Minuten aufzeichnet, die "Turbulenzen" aber gute 2 Stunden vor der Landung auftraten. "Turbulenz" wird von Piloten gerne als Ausrede benutzt, um eigene Fehler zu vertuschen. Wetterdaten etc sprechen eindeutig gegen jede Turblenz zur fraglichen Zeit im fraglichen Gebiet.

Ein QAR würde sehr helfen. Dummerweise ist dieser nur eine Kundenoption, und niemand beim Hersteller weiss, ob der Kunde diesen bestellt hat, oder nicht. Es wird an der üblichen Stelle nachgesehen, dort ist kein QAR also wird davon ausgegangen, daß keiner da ist.

Über rund 300 Seiten und 4 Tage später kriecht die Managerin für die Qualitätssicherung mit einer Taschenlampe durch das Flugzeug, um an allen 31 möglichen Einbaustellen für einen QAR nachzusehen, und findet tatsächlich einen eingebaut, was die weitere Analyse natürlich bedeutend erleichtert.

Man findet heraus, daß das Flugzeug die Vorflügel ausfuhr. Daraufhin kam es zu schweren Pitch veränderungen, welche weit ausserhalb der zulässigen Belastbarkeitgrenzen gingen (es ist von über 20 Grad Pitch-Up/Pitch-Down) die Rede) , bis das Flugzeug urplötzlich wieder eine stabile Fluglage einnahm.

In der Zwischenzeit hatte die selbe Frau die komplette Geschichte eines weit nebensächlicheren Bauteils, eines Slat Sensors rekonstrutiert: Bauteil-Nummer, hergestellt dannunddann von demund dem, bei Wartungsarbeiten durch Bauteil-Nummer soundso ersetzt etc etc.

Später unternimmt der Testpilot des Herstellers einen Testflug mit der "Unglücksmaschine", wobei die Managerin und die TV-Reporterin des Newsmagins mit an Board sind.

Ich fand die Story gut, es hat Spass gemacht sie zu lesen.

Jetzt aber zum Zweck dieses Themas, ein paar Fragen

- Flugzeug-Hersteller in Burbank? Könnte das eine Anspielung auf Lockheed sein? Airbus, Boeing, und Douglas werden beiläufig als andere Hersteller von grossen Airlinern genannt, nicht aber Lockheed. (Ok, selbst in den 90ern, wo ich die Story ansiedle sind die Daten nicht so wirklich up-to-date. Es wird der "neue" A340 erwähnt, sowie der künftige Strech, der "A340-B")

- Kann eine Flugzeugcrew sich überhaupt so fix aus dem Staub machen, daß die FAA sie nicht zu fassen kriegt?

- Ist es auch nur ansatzweise vorstellbar, daß eine Airline die "Kundenoption" QAR nachträglich einbaut, ohne daß der Hersteller das weiss?

- "wir bauen nur Airframes, und montieren jeden Motor jeden Herstellers, den die Airline wünscht..." ist das nicht etwas arg einfach ausgedrückt? Das Paket Airframe/Engine muss ja immer noch stimmen. Wenn die Airline gerne RR-Motoren hätte, und der Hersteller sagt, RR hat aber keine Motoren, die zu dem Airframe passen...?

- ist es möglich, daß so ein QAR je nach Lust und Laune an x verschiedenen Stellen eingebaut werden kann?

- "Der" Testpilot??? Ich würde stark davon ausgehen, daß ein Airliner mit 2-Mann Cockpit niemals und unter keinen Umständen mit nur einem Piloten an Board einen geplanten Flug unternimmt. Auch wenn keine (bzw nur zwei "Blinde") Passagiere dabei sind, und es sich nur um einen reinen Testflug handelt. Selbst bei einen Ferry würde ich davon ausgehen, daß ein 2-Mann Cockpit mit 2 Mann besetzt ist.

- an einer Stelle wird erwähnt, daß das Flugzeug in seiner Flugcharaktieristik gewisse aerodynamische Instabilitäten habe, welche aber innerhalb des Designlimits liegen, und daher kein Problem darstellen, da jeder qualifizierte Pilot damit unzugehen weiss. Ich dachte immer, Zivilflugzeuge müssen gesetzlich gerfordert aerodynamisch stabil ausgelegt werden, nur Militärjets dürfen instabil ausgelgt werden. Aerodynamische Instabilität macht ein Flugzeug wendiger, aber auch schwieriger steuerbar - bis dahin, daß manch ein moderner Mil-Jet ohne Computerunterstützung praktisch nicht mehr fliegbar ist.

Es ist zwar kein wirklich ernstes Thema, aber durchaus interessant, fidne ich...
 
nimm das Buch wie es gedacht ist, einfach als gute fiktive Unterhaltung. Ein Roman, aber auch nicht mehr... Er soll weder Tatsachen noch tatsächliche Abläufe wiederspiegeln. Der Autor hat sicherlich versucht sich näher mit der Materie zu beschäftigen, nur wissen auch wir Luftfahrt Enthusiasten wie schnell eine Halbwahrheit zur Unwahrheit mutiert. Ist in der an sich spannenden Story im Buch aber weiter kein Problem. Crichton hat sicherlich kein Fachbuch und keine Reportage bringen wollen. Vielleicht hat er aber zum Nachdenken angeregt?
Daher würde ich aus der Geschichte weder ableiten, noch allzu viel hinein interpretieren wollen...

Ein guter Satz steht vorneweg:
Die Ironie des Informationszeitalters besteht darin, dass es die uniformierte Meinung gesellschaftsfähig gemacht hat...
 
Es ist eine gute Fiktion. Und es regt mich eben zum Nachdenken an, an welchen Stellen näher und an welchen Stellen weiter weg von der Realität ist.

Eine nettes anderes Beispiel ist der Film "Stirb langsam2": ILS-Bodenhöhe umprogrammieren... ja, ist klar.
 
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