Aschewolken-Odyssee

SRR

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Es ist schon eine ganze Weile her, da saßen auf der Welt viele viele Menschen dank der Aschewolke an Flughafen und sonstigen Orten des öffentlichen Verkehrs fest. So auch ich. Aber zum Anfang der Geschichte:

Geplant war eine geschäftliche Reise nach Las Vegas mit BA über Muc -> LHR -> LAX und mit dem Auto nach Vegas. Rückflug von Samstag den 17.4. auf Sonntag den 18.4. Am folgenden Freitag den 23.4. privater Urlaub in Bali geplant, Muc -> AMS -> SIN -> DPS.

Der Hinflug nach L.A. verlief erfreulich: Durch einen Stau auf dem Autobahnzubringer kam nicht nur unser Chef, sondern auch die gesamte Flighcrew ca. 1h nach Abflugzeit am Gate an. Ich hatte Glück. In LHR war genug Zeit eingeplant, also ruhig Blut. In LHR dann die freudige Nachricht, das gesamte Team (5 Mann) wurde für das LAX-leg auf Business upgegradet. BA business für lau in einer 744 ist seeeehr angenehm ;-)

Mit dem Auto 1 Tag nach Ankunft nach Vegas, der geschäftliche Teil (Messe) verlief ohne Probleme. Schön Vegas mal gesehen zu haben, aber nach ein paar Tagen hat man den ganzen Wahnsinn wirklich satt. Nettes Hotel "Vdara" (auch hier wurden wir upgegradet). Bilder:

BA-Business-Seat:

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Gleich angekommen (und noch etwas angetüdelt vom guten Wein):

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Hotel Vdara in Vegas, sehr zu empfehlen:

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Gleich gehts weiter mit Teil 2.
 
Ab dem 14. 4., noch in Vegas, mehrten sich die Nachrichten über die Wolke. Noch dachten wir an nichts Böses, ich rechnete mit ein, zwei Tagen Verspätung und einem schönen verlängerten Aufenthalt in L.A. bis dahin. Also mit dem Auto wieder die gar nicht so spektakuläre Fahrt zurück nach L.A. (und einchecken in einem leider nicht ganz so tollen Hotel).

Die Stimmung war dahin, als am Morgen des 17.4. die Nachricht von BA kam: Flug komplett gecancelled, weitere Infos nicht möglich. Ich klebte am Internet und Fernseher, langsam wurde mir mulmig. Im Laufe des Vormittags die erste Auskunft: Rückflug frühestens in 12 Tagen. Ich war geschockt. Dachte an den Urlaub, den dort geplanten Heiratsantrag für meine Freund. Das Geld, die ewige Vorfreude, alles gestrichen. Tränen von zuhause am Telefon. Ganz großes Drama, jetzt war ich mittendrin und wir gestrandet.

Improvisieren ist jedoch eine meiner Stärken, also versuchen einen kühlen Kopf zu bewahren. Zunachst raus aus dem schäbigen Hotel in ein etwas angenehmeres. Nach mehreren sinnlosen Hotline-Anrufen die nächste Station: BA-Schalter in LAX. Die ersten Mitgestrandeten gesehen. Da man nicht wusste wann überhaupt wieder ein Flieger nach London geht, nichtmal Standby möglich. Also was tun?

Kollegen blieben relativ gelassen, hatten sie ja nicht einen Urlaub geplant. Mehrere Alternativen die mir durch den Kopf gingen:

Flug von L.A. über Australien oder Asien nach Bali. Ca. 25 Stunden über Taipeh wäre möglich und preislich OK. Freundin hätte, falls der Flug Freitag wieder geht, alleine fliegen müssen (es war immernoch Samstag bzw. Sonntag in Deutschland). Sie hat Flugangst.

Weiter überlegen, recherchieren: Tel Aviv ginge. Zu weit weg von zuhause. Istanbul? Offen aber schwierig dort dann festzusitzen. Madrid!!! Madrid hatte noch offen. Die Internetleitung glühte und mein Plan stand (vorläufig) fest, auch wenn im Nachhinein doch vieles anders lief:

Flug mit Mexicana am nächsten Tag sehr früh (Sonntag den 18.4.) von L.A. nach Cancun. Von dort Nachtflug weiter mit Air Europa nach Madrid. Stolzer Preis, und ich bin auch kein Freund von südamerikanischen oder spanischen Fluggesellschaften, aber was solls. Geplante Ankunft Madrid Mittags, und am frühen Abend den Nachtzug nach Paris, auch der ICE von Paris nach München war bereits reserviert, Ankunft war wenn ich mich richtig erinnere mittags.

Also los, am frühen Morgen verabschieden mich alle Kollegen in LAX an der Sicherheitskontrolle. Komische Stimmung bei uns allen, der Trip ist ja durchaus nicht ohne, allein. Ich spreche kaum spanisch. Und ich kippe mir noch vor der Security den Kaffee über den Pulli den ich die nächsten 2 Tage tragen sollte. Ein gutes Zeichen? Man weiß ja nie...

Nach 3maligem Hin und Her am Checkin ("Geht der Koffer durch bis Madrid?" - "Ja" - "Nein doch nicht" - "OK wir checken ihn doch durch aber sie müssen das Terminal wechseln in Cancun") war ich schon fast wieder gut gelaunt, dachte ich mir doch hauptsache ich komm an, wer braucht schon schmutzige Wäsche...

Fotos:
Am Gate in Lax, ich glaube es war ein A320 der mittlerweile (fast) pleite gegangenen Mexicana:

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Innen erstaunlich sauber und neu. Fast nur amerikanische Touristen an Bord, wenn ich mich richtig erinnere betrug die Flugzeit ca. 3.5-4 Stunden.

Als echter Amerikaner fliegt man natürlich mit Hut in Urlaub, wie der Mann vor mir:

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Die Verpflegung war "vorhanden", mehr aber auch nicht. Würg! Ich sollte länger nichts Ordentliches mehr bekommen:

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Anflug auf Cancun:

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Ich musste das Terminal verlassen und mit einem Shuttlebus zu einem anderen Terminal, das heisst volles Einreiseprozedere für Mexiko. Die Dame an der Einreise-Gepäckkontrolle wollte sich nicht überreden, mich ohne Gepäckformular einreisen zu lassen (ich hatte kein Gepäck bei mir). Das Formular gab es jedoch nur auf Spanisch. Als ich nach einem englischsprachigen Formular fragte, wurde mir eben ein bereits ausgefülltes vorgelegt, ich könne ja die Felder dann vergleichen, was wo reinkommt... Sehr abenteuerlich.

Der "Shuttlebus" fuhr dann ca 2 Minuten um 2 Ecken herum zum anderen Terminal. Mir war sehr heiss...

Viva la Mexico:

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Der Nächste Teil folgt in Kürze...
 
Am erneuten Checkin herrschte Chaos, Horden von spanischen Charterfluggästen. In der Schlange entdeckte ich aber 2 weitere gestrandete Deutsche, die den gleichen Weg wie ich nehmen wollten. Großes Glück: Einer sprach fließend Spanisch. So musste ich nicht die Sicherheitsgebühr, die ich bei Buchung bereits bezahlt hatte, nochmal bezahlen. Die wollte man mir eigentlich gern nochmal abnehmen ;-)

Wir mussten noch ca. 3 Stunden warten, aber bei einem Bierchen und guter Unterhaltung war das Ganze halb so wild.

Bis zum Flieger: Ich möchte nicht nochmal mit Air Europa fliegen müssen. Ich bin durchaus schon meine Meilen in der Welt herumgekommen, aber so einen engen, alten Charterflieger (332 glaube ich) habe ich selten erlebt. Dazu massig schreiende Kinder und Personal das quasi nicht vorhanden war. 2 Getränkerunden und Essen, das den Begriff nicht wert ist. Dazu ein nicht vorhandenes Sicherheitsempfinden.

Später nahe den Bahamas gab die Maschine abwechselnd Schub und quasi Leerlauf, alle paar Sekunden abwechselnd. Habe ich so noch nie gehört. Ich habe keine Flugangst, aber angenehm hat sich das nicht angehört. Ich schlief 1-2 Stunden halbwegs, der weitere Flug verlief ereignislos.

Landung in Madrid, und siehe da, der Koffer war da. Meine Leidensgenossen und ich beschlossen bis Deutschland zusammenzubleiben. Der Schalter der RENFE (spanische Bahn) war hoffnungslos überfüllt, also sind wir direkt zum Bahnhof, an dem der Nachtzug nach Paris später am Tag abfahren sollte. Die nächste schlechte Nachricht:
Bahn-Streik in Frankreich, kein Zug fährt mindestens heute mehr über die Grenze. Mittlerweile war Montag Mittag. Noch 4 Tage bis geplanter Abflug zum Urlaub...

Also was tun? Wir beschlossen, um zumindest näher an Zuhause zu sein, mit einem Zug dem deutschen ICE sehr ähnlich nach Barcelona zu fahren. Der fährt die Strecke nonstop in gut 3 Stunden. Sehr angenehm, aber langsam machte sich Müdigkeit breit. Ich war ja doch schon eine Weile unterwegs.

Der Zug:

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Am Bahnhof in Barcelona:

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Auch hier nur Züge bis zur französischen Grenze. Zu allem Überfluss folgte noch ein Wolkenbruch auf dem Bahnhofsvorplatz, der auch als Busbahnhof dient. Hier haben sich menschliche Dramen abgespielt. Busse sind mit stehenden Menschen darin Richtung Deutschland, Polen, Österreich etc aufgebrochen. Vor dem Container der Busgesellschaften stand eine riesige Menschentraube, alle schwer bepackt, alle wohl auch gestrandet. Das spanische Fernsehen filmte. Menschen haben geweint weil sie nicht wussten wohin. Ganz schlimme Situation, dann auch noch das Gewitter.

Hässlicher Bahnhofsplatz in Barcelona Minuten vor dem Unwetter:

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Die lokalen Taxifahrer kreisten wie die Geier um die hunderten Menschen, die sich hier unter ein kleines Dach zwängten. Was sollen wir tun? Wie kommen wir weiter? Oder lieber in Barcelona übernachten? Aber was dann morgen? Die Zeit drängte mich schließlich...

Nal langen Verhandlungen entschieden wir uns mit dem Taxi Frankreich zu durchqueren. Mittlerweile war es früher Montagabend. Nur wohin? Zu dritt haben wir uns die Kosten geteilt, und dank Internet konnte ich die nächstgelegene Stadt, von der wir mit Zügen halbwegs weiterkommen, ausmachen: Genf.

Also mit dem spanischen Taxi über Nacht von Barcelona nach Genf. 3 große Koffer, einer davon in der Mitte auf der Rückbank. Plus einem übermüdeten spanischen Taxifahrer der kein Wort Englisch sprach. Nur im Zug eine Semmel gegessen seit Cancun. Also los in unserem gelb-schwarzen Geschoss:

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Ein kurzer Blick auf die spanische Architektur und nur schnell raus aus der Stadt:

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Ich dachte in Frankreich werden Tempolimits streng kontrolliert, der Fahrer dachte anders. Also sind wir mit 150 durch die Nacht gebrettert. Französische Raststätten haben nachts übrigens geschlossen, nur Tankstellen hatten offen....

Nächster Teil folgt.
 
Über mein Handy habe ich laufend die besorgten Kollegen und Verwandten auf dem Laufenden gehalten.

Wie gesagt, Essen besorgen war nachts auch fast unmöglich. Das Einzige was wir bekommen konnten waren Schinken und Chips:

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Der Fahrer wurde zunehmend müde, ich schlief halb auf meinen Koffer gelehnt alle paar Minuten ein. Das allgemeine Gefühl wurde nicht besser, Übermüdung, die Heizung im Auto war kaputt, die Rasante Fahrt, die schon zurückgelegte Strecke. Alles wurde zunehmend surreal für mich.

An der schweizerischen Grenze noch kleinere Probleme, da der Fahrer nicht wusste, was eine Vignette für die Schweiz sein soll, und das erstmal trotz Sprachunktenntnis mit den Grenzbeamten ausdiskutieren wollte.

Ankunft in Genf war gegen 4:00 morgens, zum Glück heil und in einem Stück. Der Fahrer hat sich nach einem Kaffee gleich wieder auf den Weg gemacht, das Taxi sollte zum Schichtwechsel wieder in Barcelona sein. Hoffentlich ist ihm nichts passiert... Wenigstens hat er genug an uns verdient.

In Genf erneut dramatische Szenen: Es hatte ca 7 Grad, Menschen lagen draußen auf dem Boden oder über ihr Gepäck gekauert. Kleine weinende Kinder. Reisegruppen die nicht wussten wohin. Hier kam eben noch der französische Streik hinzu.

Genf Hauptbahnhof:

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Ich verabschiedete mich von den anderen beiden, da sie Züge nach Norden bestiegen. Ich musste noch ca. 1 Stunde auf meinen Zug nach Zürich warten. Dort klappte der Anschluss nach München gut, ca. eine halbe Stunde Aufenthalt inkl. Fahrkarte kaufen.

Sonnenaufgang zwischen Genf und Bern

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Um Bern herum wurde es im Zug rappelvoll, auf einmal saß ich mitten im Berufsverkehr. Wieder so eine surreale Erfahrung, zuerst hatte ich den Wagen für mich allein, dann war der Wagen plötzlich total voll. Ich hörte Musik und schlief immer wieder ein.

Endlich in Zürich:

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Der Rest verlief unspektakulär, ich wurde in München am HBF abgeholt (Dienstag Mittag).

Insgesamt war ich ca 46 Stunden unterwegs, habe 6 Länder bereist, kaum gegessen, nicht geduscht und ziemlich am Ende in jeglicher Hinsicht.

Und das Beste dabei war: Mitte der Woche wurde der Flugverkehr wieder aufgenommen, unser Flug nach Bali war pünktlich und planmäßig, und mein Heiratsantrag wurde angenommen :-)

Ich hoffe ich konnte einigermaßen rüberbringen was bei dieser Reise alles passierte. Das kam alles aus dem Gedächtnis und ich hoffe ich habe nicht zu konfus geschrieben und alles ist verständlich. Auch was die Bildqualität angeht hats leider nur für die Handycam gereicht.
Erstaunlich zu was man unter Stress so fähig ist.

Vielen Dank fürs Lesen, auf dass so etwas niemandem mehr passieren möge!
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke für diesen wirklich beeindruckenden Tripreport!!! Die Aschewolkenprobleme werden uns wohl alle in Erinnerung bleiben und hoffentlich nie wieder in dieser Größenordnung kommen. Meine zwei Flüge (innereuropäisch) in diesem Zeitraum wurden zum Glück immer verschont.
 
Toller Report von einem sicherlich unvergesslichen Trip und Glückwunsch zum angenommenen Antrag ;-)
Wann haben es denn deine Kollegen zurück geschafft?
 
Hab leider keinen Danke-Button mehr, aber ich habe deine Story mit Begeisterung gelesen.
Zum Glück hat alles noch geklappt am Ende!:D
 
Vielen Dank!
Die Kollegen mussten dann letztendlich noch 9 Tage warten, was natürlich für sie auch schwierig war, da teils Familie zuhause gewartet hat etc.

Ausserdem haben wir erfahren dass BA mit mehr Flexibilität mehr Fluggäste nach Hause hätte bringen können, aber weil das Umbuchungssystem so unflexibel ist sind wohl viele Business- und First-Plätze in den ersten Tagen an denen wieder Flüge gingen leer geblieben...
 
Am wichtigsten: Glückwunsch zum angenommenen Antrag!!!
Jetzt hast Du wenigstens eine tolle Geschichte zum Heiratsantrag, die Du wohl nie vergessen wirst und in Jahrzehnten noch erzählen kannst/wirst. Ansonsten Danke für den Bericht!
 
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