Ab wann wird es gefährlich? Wind!

JoDerBasti

Mitglied
Am Samstag hatten wir am MUC beim aufziehendem Gewitter zwischenzeitlich Windböen von 42kn! Meine Frage ist ab wann wird es denn gefährlich und wann entscheidet man sich nicht mehr zu fliegen/landen?

DANKE und schöne Grüße von ETSI
 
Grundsätzlich trifft die Entscheidung, ob gelandet bzw. gestartet wird der Kapitän der Maschine nach Abwägung aller Fakten.

Die Windgeschwindigkeit ist nur eine davon, ebenfalls wichtig sind Windrichtung (relativ zur Ausrichtung der Landebahn) und die evtl. Böigkeit des Windes.

Zusätzlich sind die vom Hersteller des Flugzeuges erlassenen maximalen Windkomponenten (Head-/Cross-/Tail-Wind-Compnent HWC/CWC/TWC) zu berücksichtigen. So ist für die meisten Verkehrsflugzeuge eine max. CWC von etwa 30 Knoten vorgeschrieben, eine max. TWC von 10 Knoten.

Ausserdem gibt es reduzierte max. CWCs bei schlechten Sichten oder wenn der Bahnzustand 'schlechter' als nass ist (Schnee, Matsch, stehendes Wasser etc).

Der Grund für die Beschränkungen ist, dass man die Maschine bei höherem Seintenwindanteil nicht mehr auf der Bahn halten kann, besonders nach der Landung bei abnehmender Geschwindigkeit und somit nachlassender aerodynamischer Wirkung der 'Ruder' gibt es hier das Problem, dass der der Flieger mit der Nase in den Wind gedreht wird (Wetterfahnen-Effekt) und man bei zuviel Wind nichts dagegen machen kann.

Während 40 knoten HWC ohne nennenswerte CWC und ohne Böen 'relativ' entspannt zu fliegen ist, kann je nach Situation des Geländes (welches dann für Verwirbelungen in Bodennähe sorgen kann) bereits eine CWC von 15 Knoten mit Böen bis 25 relativ anspruchsvoll sein.

Ausserdem gilt es natürlich zu beachten, ob man im Falle eines technischen Problems nach dem Start innerhalb angemessener Flugzeit wieder einen Platz zum Landen findet. Es gibt z.B. Fehler, die eine max. CWC von 10 oder 15 Knoten vorschreiben. Und wenn dann bei einer Tiefdrucklage Windgeschwindigkeiten von 50 und mehr Knoten herrschen, dann reichen schon sehr kleine Windwinkel (ca. 11°), um die 10 Knoten CWC zu erreichen. (Berechnung nach CWC = sinus Windwinkel * Windgeschwindigkeit)

Nach dem Orkan 'Kyrill' im letzten Herbst hat bei uns eine Diskussion begonnen, ob es sinnvoll sein könnte, ein absolutes Limit auch für die Windgeschwindigkeit einzuführen, da neben den genannten Problemen z.B. die Notrutschen bei einer Evakuierung auch nicht beliebig viel Wind vertragen.

Glücklicherweise sind die Vorhersagen, was den Wind bei Starkwindlagen betrifft erstaunlich genau, so dass man sich schon vorher Gedanken machen kann. Bei Durchzug von Gewittern sieht die Sache anders aus, hier ist im Prinzip keine sinnvolle Prognose über den Wind möglich, aber dafür ist nach kurzer Zeit (meist < 30 Minuten) der Spuk schon wieder vorbei und daher wird in diesem Fall eher im Holding oder am Boden gewartet und erst danach gelandet.

Gruß, MAX reverse
 
Am Samstag hatten wir am MUC beim aufziehendem Gewitter zwischenzeitlich Windböen von 42kn! Meine Frage ist ab wann wird es denn gefährlich und wann entscheidet man sich nicht mehr zu fliegen/landen?
DANKE und schöne Grüße von ETSI

hängt von der Crosswindkomponente ab...

Bei der A320 Familie:

Headwind
Max for automatic approach, landing and roll out - 30 kt
Tailwind
Max for takeoff and landing (dry and wet runway) - 10 kt
Max for takeoff and landing on contaminated runway - 5 kt

Crosswind
- The maximum crosswind (dry and wet runway) is
for takeoff and manual landing - 30 kt
- for automatic approach, landing and rollout - 20 kt

somit gibt es rein theoretisch kein veröffentlichtes maximum für manuelle Landungen bei steady headwind genau auf die Nase.
Da müsste Max Reverse mehr zu sagen können ob bei hypothetischen 50 kt Headwind und mehr, noch manuell gelandet wird ?


Bei B757/B767 verhält es sich ähnlich mit max 30 kt Crosswindkomponente.
Lediglich die max Tailwindgrenze liegt mit 15 kt etwas höher.

oohh, der Max war schon vor mir da... :-))
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke Max

bin ja meistens nur Leser in den Foren, aber die Antworten von MaxReverse... Wow, danke!!! Vielen Dank!!
:resp:
 
somit gibt es rein theoretisch kein veröffentlichtes maximum für manuelle Landungen bei steady headwind genau auf die Nase.

Ja genau. Wenn der Wind ausreichend genau von vorne kommt und keine starken Böen dabei sind, dann ist das fliegerisch völlig entspannt. In England und Irland hat man das öfter, bei Tiefdrucklagen, dass es tatsächlich mal in der Preislage 'hackt'. Geht halt alles etwas langsamer auf dem Final...

BTW: Bei meinem PPL-Fluglehrer-Check war auch gerade so ein Herbst-Sturm und der Prüfer wollte unbedingt eine Landung mit vollen Klappen von mir sehen. Als wir dann aber mehr oder weniger auf dem Final gestanden sind (Cessna 172, Approach-Speed ca. 65 kts) mit leichter Tendenz zum Rückwärtsfliegen hat er sich dann meiner Meinung angeschlossen, dass das heute so keinen Sinn macht. ;)

Allerdings geht der Spaß bei soviel Wind erst nach der Landung richtig los:

Ab 40 Knoten gibt es schon recht heftige Einschränkngen in der Bodenabfertigung und ab 60 Knoten muss beim A320 z.B. vor dem Aussteigen auf 'Full Wings' aufgetankt werden und ein Schleppen der Flieger ist nicht mehr erlaubt.

Gruß MAX

PS: Munich Tower, LH 123, can you dim the wind, please?;D
 
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