Vorab ist es evtl. sinnvoll, die Definition der verschiedenen Turbulenz-Stufen zu betrachten:
leicht: Den Passagieren wird schlecht.
mittel: Den FBs wird schlecht.
schwer: Den Piloten wird schlecht.
Spaß beiseite, hier nun die amtliche Version:
Light turbulence - briefly causes slight, erratic changes in altitude and/or attitude.
Moderate turbulence - similar to light turbulence, but greater intensity. Changes in altitude/attitude occur. Aircraft remains in control at all times. Variations in indicated air speed.
Severe turbulence - large, abrupt changes in altitude/attitude. Large variation in indicated airspeed. Aircraft may be temporarily out of control.
Extreme turbulence - aircraft is violently tossed about and is impossible to control. May cause structural damage.
Wird bei starken Turbulenzen grundsätzlich die Höhe oder das Heading geändert, um vielleicht auf einen besseren Kurs zu kommen? Wie verhält sich in diesem Fall die Flugsicherung? Wird einer Kursänderungsnafrage in solchen Situationen grundsätzlich akzeptiert? Und wie verhält es sich hierbei über dem Atlantik? Oder muss man da auch mal einfach durch, weil man im Moment seinen Kurs einfach aus bestimmten Gründen nicht ändern kann?
Wegen maximal mäßiger Turbulenz würde man primär versuchen, eine andere Flughöhe zu bekommen. An den Tagen wo es wackelt, ist ATC eigentlich recht gut informiert, ab welchem Stockwerk es wieder besser wird. Da die Unterschiede lateral eher schwer abzugrenzen sind als vertikal, ist ein Höhenwechsel einer Kursänderung idR vorzuziehen.
Wenn alle ruhigen Levels schon 'besetzt' sind - Pech gehabt. Dann muss man da durch, Service einstellen, Galleys aufräumen und alle anschnallen. Nicht schön - aber was will man machen. Großräumige Turbulenzen sind meist vorher bekannt, entwerder per SIGMET, Wetterkarte oder wegen des 'Jammerns' der Kollegen voraus. In dem Fall hilft eine entsprechende Anssage ans Volk, wenn es dann nicht so schlimm kommt freuen sich alle und im Fall der Fälle ist wenigstens alles vorbereitet.
Für besondere Lufträume wie im OTS gibt es für die meisten Fälle contingency Procedures, da hier ja nicht immer Kontakt zu ATC besteht um eine geänderte Freigabe einzuholen.
Wenn es wackelt ist doch bestimmt auch die Bedienung diverser Geräte (z.B. Autopilot, Eingaben in den Bordcomputer, wie MCDU) deutlich schwerer, oder? Ich meine, wenn der Kaffe aus der Tasse schwappt oder Gegenstände sich im Flugzeug mobil machen, wirken ja schon gewisse Kräfte im Flugzeug. Wie handeld ihr Piloten das Problem? Sind deswegen auch schon mal kritische Situationen entstanden, z.B. das man an irgendeinen Schalter ausversehen gestoßen ist, oder eine falsche Eingabe gegeben hat?
Alle WIRKLICH wichtigen Schalter sind mit einem Cover versehen und alles andere sollte sich eigentlich rückgängig machen lassen. Wer seine Tasse nicht austrinkt, wird natürlich gnadenlos bestraft, denn egal wo man das Flightkit hinstellt, wenn es wackelt ist es immer offen und der Kaffee trifft auch jedes Mal.
Ab severe Turbulence gelten dann andere Spielregeln. In o.g. Definition steht
Aircraft may be temporarily out of control und das ist dann auch so gemeint. Hier geht es nur noch darum einen festen Power-Wert zu setzen, die Turbulence Penetration Speed möglichst zu halten und die Werte für Pitch und Roll möglichst fern von den Grenzen des Envelopes zu halten. Dass dabei die Höhe und der Track sich mehr oder weniger von den Sollwerten entfernen ist unvermeidbar. Out of control eben.
Wenn man schwer und hoch fliegt und evtl. noch einen warmen Tag mit Temperaturen von ISA+10 oder mehr erwischt, hat man natürlich noch ein ganz anderes Problem. Die Margen zwischen minimum und maximum Speed sind nahe der aerodynamischen max. Altitude nur sehr gering, teilweise nur etwa 20-25 kts IAS. Wenn durch die Turbulenz nun die Speed fluktuiert ist man alle paar Sekunden abwechselnd zu schnell und zu langsam, was mangels überschüssiger Engine-Power und aufgrund der Dynamik der Situation kaum ausgeglichen werden kann. Hier hilft nur ein rascher Descent, was ohne wirkliche Kontrolle über den Flieger leichter gesagt als getan ist.
Kann man als Pilot auch von Turbulenzen böse überrascht werden?
In dicht beflogenen Lufträumen sollte man schon davon ausgehen, dass ATC Turbulence Reports aus z.B. der letzten Stunde auch ungefragt weitergegibt, so dass eigentlich schon ausreichend Vorbereitungszeit gegeben ist, damit sich zumindest niemand unangeschnallt in der Kabine aufhält. Die Realität sieht leider anders aus und auch das subjektive Empfinden ist ein Faktor: Der eine Kollege meldet 'Severe Turbulence' und wir machen klar Schiff, es gibt aber allenfalls ein paar kleine Wackler - seltener erlebt man das auch andersherum.
Gruß MAX