Michi
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Fliegen zwischen Rotorua und dem Mt. Tarawera – mit der einzigen Dash-3 Neuseelands ein ganz besonderes Erlebnis
von Michael Fritz
Einer der ersten Blicke des Tages schweift aus dem Hotelzimmerfenster im vierten Stock über den Lake Rotorua. Gottseidank! Keine grauen Wolken oder gar Regen, sondern strahlend blauer Himmel soweit das Auge reicht. Die ersten Sonnenstrahlen glitzern golden auf der ruhigen Wasseroberfläche, kaum ein Windhauch kräuselt den See. Kurzum: perfektes Flugwetter! Die Vorfreude auf einen beeindruckenden Panoramaflug mit einem klassischen Buschflieger im positivsten Sinne wächst mit jeder Minute, so dass das Frühstück im Hotel zur halben Ewigkeit wird und der kurze Spaziergang zur Uferpromenade kilometerlang erscheint. An dampfenden Schwefelfumarolen und blubbernden Schlammlöchern in privaten Vorgärten vorbei, quer über den Kreisverkehr, der Sonntags morgens um kurz vor acht jedoch noch befahren ist, auf direktem Weg zum Büro von Volcanic Air Safaris an der Lakefront in Rotorua. Nach dem neuseeländisch-unkomplizierten „Check-In“ geht es fünf Minuten später den hölzernen Steg hinunter. Vorbei an zwei Hubschrauberlandeplattformen, die so früh am Tag noch verwaist ihrer ersten Landung harren. Fred, unser Pilot und seines Zeichens Chefpilot für die Wasserflugzeugflotte von Volcanic Air Safaris, begrüßt uns an der Flugzeugtür und heißt uns an Bord herzlich willkommen.
Über die kleine Gangway klettern wir einer nach dem anderen in die Maschine. Sofort spürt man das Flair einer Zeit, als Fliegen noch ein echtes Abenteuer war. Ein wenig abenteuerlich ist der Flug mit einem echten Buschflieger auch heute noch, aber von den Gefahren vergangener Tage ist an Bord dieser topgepflegten und sorgfältig gewarteten Maschine weit und breit nichts mehr zu spüren.
Von der bei DeHavilland Canada in Toronto entwickelten und gebaute Dash-3 mit dem Spitznamen „Otter“ wurden zwischen 1952 und 1967 insgesamt 466 Exemplare fertiggestellt, von denen 157 noch heute weltweit ihren Dienst versehen. Als echtes Allroundtalent kann die robuste und zuverlässige „Otter“ mit Rädern ausgestattet problemlos sowohl auf kurzen Landepisten im Dschungel als auch auf den Permafrostböden Alaskas starten und landen. Mit Skiern ausgerüstet kommt sie auch im nordischen Winter gut zurecht, und als Wasserflugzeug mit Schwimmern versehen fliegen einige Dash-3 heute an der nordamerikanischen Westküste Touristen zu abgelegen Lodges und Cottages. Ein ganz besonderes Exemplar der Dash-3 hat sich jedoch vor einigen Jahren bis ans andere Ende der Welt, nach Neuseeland verirrt. Die Dash-3 mit der Registrierung ZK-VAS trägt die Seriennummer 35 und wurde am 24.März 1954 werksneu an die Canadian Air Force ausgeliefert. Ihr gesamtes Flugzeugleben verbrachte die Maschine in Nordamerika, zuletzt unter der Registrierung C-FXGA bei Norplus im ostkanadischen Quebec City. Am13.7.2004 wurde sie im kanadischen Register gelöscht und nach Neuseeland exportiert. Dort unterzog man das Flugzeug einer umfassenden Renovierung, passte Details an lokale Standards an – und baute vor allem die riesigen Panoramafenster ein, die den Passagieren heute eine nahezu uneingeschränkte Rundumsicht ermöglichen. Nach Überprüfung der Luftfahrtbehörden und Erteilung der neuseeländischen Typenbetriebsgenehmigung wurde Seriennummer 35 am 16.11.2004 als ZK-VAS offiziell als erste Dash-3 ins Luftfahrtregister des Landes aufgenommen.
Die erstaunlich geräumige Kabine bietet in der Ausstattung von Volcanic Air Safaris Platz für zehn Passagiere, von denen jeder eine eindrucksvolle Aussicht genießt. Ein glücklicher Gast darf zusätzlich neben dem Piloten vorne im Cockpit Platz nehmen. Fred, unser Pilot klettert als letzter an Bord, nachdem er die Tür zur Passagierkabine sorgfältig verschlossen hat. Mit tiefem, sonorem Brummen erwacht kurz darauf der herrliche, wassergekühlte 9-Zylinder-Motor von Pratt & Whitney zum Leben, der seinen Beinamen „Wespe“ nicht zu unrecht trägt. Fred schiebt den Gashebel nach vorne, ein leichtes Zittern erfasst den Oldtimer, als er sich langsam in Bewegung setzt, und bald spritzt das Wasser glitzernd unter den massiven Schwimmern zur Seite. Erst ziemlich behäbig, doch dann mit Macht immer schneller werdend schiebt das 600PS starke Triebwerk den rund 3,5 Tonnen schweren Flieger über die Wasseroberflächen. Plötzlich, beinahe ohne Vorwarnung, endet das muntere Wassergeplätscher und weicht jenem unbeschreiblichen Gefühl der Freiheit, das Luftfahrtenthusiasten und Flugbegeisterte jedes Mal wieder erfasst, wenn sich ein Flugzeug wie von Geisterhand getragen in die Luft erhebt. Wir fliegen!
In einer langgezogenen Rechtskurve führt uns der Flug über den Lake Rotorua hinweg. Auf einer Höhe von rund 1.000m endet der sanfte Steigflug – wir haben die perfekte Sightseeing-Flughöhe erreicht! Zu beiden Seiten der Fenster erstreckt sich die teils lieblich anmutende, teils vulkanisch-bizarr und felsig wirkende Landschaft rund um den Lake Rotorura im sonnigen Morgenlicht. In der Ferne kann man immer noch die Schwaden aus Schwefeldämpfen erkennen, die im Ort Rotorua an so vielen Stellen aus der Erde treten und Nase und Auge immer daran erinnern, dass hier die Erdkruste nur sehr dünn und vulkanische und geothermische Aktivität allgegenwärtig ist.
Bald haben wir Rotorua hinter uns gelassen und unter uns taucht der langezogene Lake Okataina auf. Die üppigen Wälder, die die Seenlandschaft hier umschließen, täuschen mittlerweile erfolgreich darüber hinweg, dass diese Landschaft noch nicht einmal 125 Jahre alt ist. Im Jahr 1886 explodierte der bis dahin ruhende Vulkan im Mt. Tarawera, und die gesamte Gewalt eines derartigen Ausbruches ergoss sich über das Land. Über weite Strecken wurde die Natur von glühend heißen Aschewolken überrollt und an vielen Stellen taten sich kochend heiße, dampfende und brodelnde Schlammlöcher auf. Sowohl der Lake Okataina als auch der Lake Tarawera, das Ziel unseres Fluges, verdanken ihre heutige Form diesem Vulkanausbruch. Viel zu schnell verfliegt die Zeit und bald zieht unser erfahrener Pilot nach einem turbulenzfreien und landschaftlich beeindruckenden Flug den Gashebel leicht zurück, um nach einigen langen Schleifen über dem Lake Tarawera den Sinkflug einzuleiten.
Die Baumwipfel und Kronen der riesigen Baumfarne unter uns kommen wieder näher, und schließlich setzt unser Wasserflugzeug sanft auf der ruhigen Wasseroberfläche des Lake Tarawera auf. Wieder spritzt das Wasser unter den Schwimmern hervor und Gischt sprüht bis auf die Seitenscheiben des Flugzeuges.
Langsam steuern wir auf den flachen Kiesstrand am Ufer zu, und vorübergehend fragen sich alle, an welchem Steg die Maschine denn nun anlegen soll – es ist nämlich keiner vorhanden. Gerade haben wir uns mit dem Gedanken angefreundet, an Land zu waten oder gar zu schwimmen, als Pilot Fred den Flieger in einen 90-Grad-Winkel zum Strand ausrichtet und uns anweist, uns festzuhalten, da es nun gleich ein wenig ruckeln könne. Dann gibt er beherzt noch einmal Gas, und mit sanften Knirschen berühren kurz darauf die Spitzen der Schwimmer das feinkörnige Kiesufer. Ein weiterer Gasschub drückt die 3,5 Tonnen Flugzeugmasse sanft aber mit Nachdruck in den Sand, bis das Flugzeug so fest sitzt, dass es nicht mehr abdriften kann. Die Haltetaue werden an einem nahegelegen Baum fixiert – die Erde hat uns wieder. Nachdem wir durch die hintere Tür wieder aus der Maschine geklettert sind, balancieren wir auf dem schmalen Schwimmer nach vorne und springen auf den Strand.
So müsste Fliegen immer sein – ohne Warteschlangen am Check-In, Stress bei Sicherheitskontrollen, ohne Warten in überfüllten Airport-Lounges, ohne eine Ewigkeit auf das Gepäck zu warten und ohne lange Wege innerhalb unübersichtlicher und schlecht beschilderter Flughäfen. Dafür mit einem herzlichen Empfang an Bord, unglaublich schönen Ausblicken auf atemberaubende Landschaften während des Fluges, und vor allem vor und während des gesamtes Fluges das schöne Gefühl, sich in sicheren Händen zu befinden. That’s flying kiwi-style.
von Michael Fritz
Einer der ersten Blicke des Tages schweift aus dem Hotelzimmerfenster im vierten Stock über den Lake Rotorua. Gottseidank! Keine grauen Wolken oder gar Regen, sondern strahlend blauer Himmel soweit das Auge reicht. Die ersten Sonnenstrahlen glitzern golden auf der ruhigen Wasseroberfläche, kaum ein Windhauch kräuselt den See. Kurzum: perfektes Flugwetter! Die Vorfreude auf einen beeindruckenden Panoramaflug mit einem klassischen Buschflieger im positivsten Sinne wächst mit jeder Minute, so dass das Frühstück im Hotel zur halben Ewigkeit wird und der kurze Spaziergang zur Uferpromenade kilometerlang erscheint. An dampfenden Schwefelfumarolen und blubbernden Schlammlöchern in privaten Vorgärten vorbei, quer über den Kreisverkehr, der Sonntags morgens um kurz vor acht jedoch noch befahren ist, auf direktem Weg zum Büro von Volcanic Air Safaris an der Lakefront in Rotorua. Nach dem neuseeländisch-unkomplizierten „Check-In“ geht es fünf Minuten später den hölzernen Steg hinunter. Vorbei an zwei Hubschrauberlandeplattformen, die so früh am Tag noch verwaist ihrer ersten Landung harren. Fred, unser Pilot und seines Zeichens Chefpilot für die Wasserflugzeugflotte von Volcanic Air Safaris, begrüßt uns an der Flugzeugtür und heißt uns an Bord herzlich willkommen.
Über die kleine Gangway klettern wir einer nach dem anderen in die Maschine. Sofort spürt man das Flair einer Zeit, als Fliegen noch ein echtes Abenteuer war. Ein wenig abenteuerlich ist der Flug mit einem echten Buschflieger auch heute noch, aber von den Gefahren vergangener Tage ist an Bord dieser topgepflegten und sorgfältig gewarteten Maschine weit und breit nichts mehr zu spüren.
Von der bei DeHavilland Canada in Toronto entwickelten und gebaute Dash-3 mit dem Spitznamen „Otter“ wurden zwischen 1952 und 1967 insgesamt 466 Exemplare fertiggestellt, von denen 157 noch heute weltweit ihren Dienst versehen. Als echtes Allroundtalent kann die robuste und zuverlässige „Otter“ mit Rädern ausgestattet problemlos sowohl auf kurzen Landepisten im Dschungel als auch auf den Permafrostböden Alaskas starten und landen. Mit Skiern ausgerüstet kommt sie auch im nordischen Winter gut zurecht, und als Wasserflugzeug mit Schwimmern versehen fliegen einige Dash-3 heute an der nordamerikanischen Westküste Touristen zu abgelegen Lodges und Cottages. Ein ganz besonderes Exemplar der Dash-3 hat sich jedoch vor einigen Jahren bis ans andere Ende der Welt, nach Neuseeland verirrt. Die Dash-3 mit der Registrierung ZK-VAS trägt die Seriennummer 35 und wurde am 24.März 1954 werksneu an die Canadian Air Force ausgeliefert. Ihr gesamtes Flugzeugleben verbrachte die Maschine in Nordamerika, zuletzt unter der Registrierung C-FXGA bei Norplus im ostkanadischen Quebec City. Am13.7.2004 wurde sie im kanadischen Register gelöscht und nach Neuseeland exportiert. Dort unterzog man das Flugzeug einer umfassenden Renovierung, passte Details an lokale Standards an – und baute vor allem die riesigen Panoramafenster ein, die den Passagieren heute eine nahezu uneingeschränkte Rundumsicht ermöglichen. Nach Überprüfung der Luftfahrtbehörden und Erteilung der neuseeländischen Typenbetriebsgenehmigung wurde Seriennummer 35 am 16.11.2004 als ZK-VAS offiziell als erste Dash-3 ins Luftfahrtregister des Landes aufgenommen.
Die erstaunlich geräumige Kabine bietet in der Ausstattung von Volcanic Air Safaris Platz für zehn Passagiere, von denen jeder eine eindrucksvolle Aussicht genießt. Ein glücklicher Gast darf zusätzlich neben dem Piloten vorne im Cockpit Platz nehmen. Fred, unser Pilot klettert als letzter an Bord, nachdem er die Tür zur Passagierkabine sorgfältig verschlossen hat. Mit tiefem, sonorem Brummen erwacht kurz darauf der herrliche, wassergekühlte 9-Zylinder-Motor von Pratt & Whitney zum Leben, der seinen Beinamen „Wespe“ nicht zu unrecht trägt. Fred schiebt den Gashebel nach vorne, ein leichtes Zittern erfasst den Oldtimer, als er sich langsam in Bewegung setzt, und bald spritzt das Wasser glitzernd unter den massiven Schwimmern zur Seite. Erst ziemlich behäbig, doch dann mit Macht immer schneller werdend schiebt das 600PS starke Triebwerk den rund 3,5 Tonnen schweren Flieger über die Wasseroberflächen. Plötzlich, beinahe ohne Vorwarnung, endet das muntere Wassergeplätscher und weicht jenem unbeschreiblichen Gefühl der Freiheit, das Luftfahrtenthusiasten und Flugbegeisterte jedes Mal wieder erfasst, wenn sich ein Flugzeug wie von Geisterhand getragen in die Luft erhebt. Wir fliegen!
In einer langgezogenen Rechtskurve führt uns der Flug über den Lake Rotorua hinweg. Auf einer Höhe von rund 1.000m endet der sanfte Steigflug – wir haben die perfekte Sightseeing-Flughöhe erreicht! Zu beiden Seiten der Fenster erstreckt sich die teils lieblich anmutende, teils vulkanisch-bizarr und felsig wirkende Landschaft rund um den Lake Rotorura im sonnigen Morgenlicht. In der Ferne kann man immer noch die Schwaden aus Schwefeldämpfen erkennen, die im Ort Rotorua an so vielen Stellen aus der Erde treten und Nase und Auge immer daran erinnern, dass hier die Erdkruste nur sehr dünn und vulkanische und geothermische Aktivität allgegenwärtig ist.
Bald haben wir Rotorua hinter uns gelassen und unter uns taucht der langezogene Lake Okataina auf. Die üppigen Wälder, die die Seenlandschaft hier umschließen, täuschen mittlerweile erfolgreich darüber hinweg, dass diese Landschaft noch nicht einmal 125 Jahre alt ist. Im Jahr 1886 explodierte der bis dahin ruhende Vulkan im Mt. Tarawera, und die gesamte Gewalt eines derartigen Ausbruches ergoss sich über das Land. Über weite Strecken wurde die Natur von glühend heißen Aschewolken überrollt und an vielen Stellen taten sich kochend heiße, dampfende und brodelnde Schlammlöcher auf. Sowohl der Lake Okataina als auch der Lake Tarawera, das Ziel unseres Fluges, verdanken ihre heutige Form diesem Vulkanausbruch. Viel zu schnell verfliegt die Zeit und bald zieht unser erfahrener Pilot nach einem turbulenzfreien und landschaftlich beeindruckenden Flug den Gashebel leicht zurück, um nach einigen langen Schleifen über dem Lake Tarawera den Sinkflug einzuleiten.
Die Baumwipfel und Kronen der riesigen Baumfarne unter uns kommen wieder näher, und schließlich setzt unser Wasserflugzeug sanft auf der ruhigen Wasseroberfläche des Lake Tarawera auf. Wieder spritzt das Wasser unter den Schwimmern hervor und Gischt sprüht bis auf die Seitenscheiben des Flugzeuges.
Langsam steuern wir auf den flachen Kiesstrand am Ufer zu, und vorübergehend fragen sich alle, an welchem Steg die Maschine denn nun anlegen soll – es ist nämlich keiner vorhanden. Gerade haben wir uns mit dem Gedanken angefreundet, an Land zu waten oder gar zu schwimmen, als Pilot Fred den Flieger in einen 90-Grad-Winkel zum Strand ausrichtet und uns anweist, uns festzuhalten, da es nun gleich ein wenig ruckeln könne. Dann gibt er beherzt noch einmal Gas, und mit sanften Knirschen berühren kurz darauf die Spitzen der Schwimmer das feinkörnige Kiesufer. Ein weiterer Gasschub drückt die 3,5 Tonnen Flugzeugmasse sanft aber mit Nachdruck in den Sand, bis das Flugzeug so fest sitzt, dass es nicht mehr abdriften kann. Die Haltetaue werden an einem nahegelegen Baum fixiert – die Erde hat uns wieder. Nachdem wir durch die hintere Tür wieder aus der Maschine geklettert sind, balancieren wir auf dem schmalen Schwimmer nach vorne und springen auf den Strand.
So müsste Fliegen immer sein – ohne Warteschlangen am Check-In, Stress bei Sicherheitskontrollen, ohne Warten in überfüllten Airport-Lounges, ohne eine Ewigkeit auf das Gepäck zu warten und ohne lange Wege innerhalb unübersichtlicher und schlecht beschilderter Flughäfen. Dafür mit einem herzlichen Empfang an Bord, unglaublich schönen Ausblicken auf atemberaubende Landschaften während des Fluges, und vor allem vor und während des gesamtes Fluges das schöne Gefühl, sich in sicheren Händen zu befinden. That’s flying kiwi-style.
Michael Fritz, November 2007
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