Ein sehr vielschichtiges und leidiges Thema!
Leider ist eine annähernd verlässliche Vorhersage von Turbulenzen weder Boden- noch Bordseitig möglich. Lediglich bei Wetterlagen mit Quell-/Gewitterbewölkung weiß man eigentlich ziemlich sicher, dass es beim Einflug in diese Art der Bewölkung ordentlich wackelt.
Alles andere ist pure Lotterie: Es gibt zwar die Significant-Weather-Charts, in denen auch Gebiete mit Clear-Air-Turbulence eingezeichnet sind, in der Praxis verhält sich Turbulenz umgekehrt Proportional zur den Infos der Karte, sprich je mehr Warnung desto ruhig.
Starkwindfelder können nette Turbulenzen erzeugen, allerdings gibt es auch Tage an denen man von 120+ Knoten Wind angeschoben wird und im Briefing die Kabine fast auf den Weltuntergang vorbereitet, dabei ist es dann im Reiseflug seidenweich. An anderen Tagen hat es gerade mal 20 Knoten Wind und es wackelt wie verrückt.
Einzig die Fluglotsen und vorausfliegenden Kollegen sind ein halbwegs zuverlässiger Indikator. Allerdings sind die Turbulenzbereiche oftmals kleinräumig und inhomogen und manchen Controllern muss man alles aus der Nase ziehen. Ausserdem melden Kollegen teilweise die Intensität von Turbulenzen eher nach der Menge Kaffee, die sie sich gerade über die Hose gekippt haben als nach objektiven Kriterien.
Diese lauten wie folgt:
Moderate Turbulence:
• Moderate changes in aeroplane attitude and/or altitude
• Aeroplane remains in positive control at all times
• Small variations in air speed.
• Difficulty in walking
• Occupants feel strain against seat belts. Loose objects move around.
Severe Turbulence:
• Loose objects are tossed around
• Abrupt changes in aeroplane attitude and/or altitude, aeroplane may be out of control for short periods
• Large variations in airspeed
• Occupants are forced violently against seat belts.
Light Turbulence ist also alles unterhalb von moderate. In der Praxis nicht ungebräuchlich ist auch folgende Definition:
Light Turbulence: Die Paxe schauen besorgt zu den FBs.
Moderate Turbulence: Die FBs schauen besorgt zu den Piloten.
Severe Trubulence: Die Piloten
sind besorgt!
Bei LH wurden ja unlängst die Anschnallregeln dahingehend verändert, dass man sowieso immer angeschnallt sein muss, solange man auf seinem Platz sitzt. Damit sind dann also für einen Großteil der Gäste die Szenarien mit aus dem nichts auftretenden Turbulenzen abgedeckt. Wer gerade auf dem Klo sitzt oder davor steht hat 'Pech gehabt'.
Sobald >= moderate Turbulence erwartet oder erflogen wird, werden dann die 'Signs' eingeschaltet. Dann müssen alle Gäste sitzen, ob der Service weitergeführt werden kann und ggf. mit welchen Einschränkungen (z.B. keine Heißgetränke, keine Wägen) muss im Einzelfall abgesprochen werden.
In der Praxis gibt es aber noch eine deutliche Grauzone, besonders auf 'langen' Fliegern à la A346 oder A321. Dort ist bei Turbulenzen, die man im vorderen Bereich des Flieger locker als 'light' einstufen würde, im Heck schon 'Rock 'n Roll' angesagt und die KollegInnnen 'von hinten' bitten um die Signs.
Da es selbst bei vorbereitetem Einflug in Turbulenzbereich immer wieder Verletzte unter den Paxen gibt ist es einerseits erstaunlich, wie blöd manche Leute sind und sich lieber die Birne an der Decke anhauen, als sich locker anzuschnallen. Andererseits erwächst daraus natürlich auch ein Problem für die Crews, denn z.B. gerade auf USA-Flügen sieht man sich vor dem geistigen Auge schon auf Milliarden von $$$ verklagt, weil man die Signs zu früh/zu spät/zu lange/you name it angeschaltet hat.
Ein klassische Fall von wie man's macht, isses falsch also.
Gruß MAX