Gegen das 'Popometer' fliegen?

munich

Schneekönig
Angeregt durch den MD11-Unfall in NRT und das dadurch initiierte Studium des MD11-Unfallberichts des landing accidents in EWR und der daraus resultierenden Safety Recommendation haben sich für mich einige Fragen ergeben:

- gibt es ähnliche Einschränkungen auch auf Eueren Flugzeugmustern
(keine schnelle Eingabe von Steuerbefehlen, wie z.B. auch beim
A300-Unfall in JFK bzw. Brooklyn)

- ist es so ohneweiteres möglich gegen das 'Popometer' zu fliegen (ich
vergleich das mal mit dem Autofahren und nicht zu starkem bremsen wenn
die Fahrbahn rutschig ist oder abrupten Lenkbewegungen, um
auszuweichen. Ein Durchschnittsautofahrer ist sicherlich nicht so trainiert
wie ein Pilot, aber ich denke mal, wenn es so ohneweiteres möglich wäre,
solche reflexartigen Eingaben zu vermeiden, hätte man sich technische
Lösungen wie 'Stabilitätscontroll' oder 'ABS' sparen können).

-Wie ist das mit dem 'Bounce' ( siehe Air Lanka A 320 ) in der
Zwischenzeit bei Airbus gelöst. Mein letzter Kenntnisstand ist, dass bei o. g. Air Lanka Landung in einer warmen Luftblase nach dem Hochspringen
'designgemäß' (nach Air-Groundlogik, Gas leerlauf, weniger 10ft hoch, alle
Räder drehen, ...) die gearmten Störklappen ausfuhren und der Vogel somit
mit 3,4g zu Boden fiel.

Wenn solche Einschränkungen (keine abrupten Steuerbewegungen welcher Art auch immer) vorhanden sind, wie oft wird soetwas im Sim trainiert - und gelingt es tatsächlich solche Reflexe 'abzutrainieren?

Ich danke Euch schon mal im voraus!
 
Zuletzt bearbeitet:
gibt es ähnliche Einschränkungen auch auf Eueren Flugzeugmustern (keine schnelle Eingabe von Steuerbefehlen, wie z.B. auch beim A300-Unfall in JFK bzw. Brooklyn)

Das Problem hierbei ist, dass das Seitenruder in einem Airliner design-mässig nur für 2 Situationen ausgelegt ist: Assymetrischer Schub nach Motorausfall und Start oder Landung bei Seitenwind. In beiden Fällen ist ein großer Ruderausschlag nur bei niedrigen Geschwindigkeiten nötig, wo die Struktur aufgrund der niedrigen aerodynamische Lasten eher ering belastet wird.

Oberhalb einer gewissen Geschwindigkeit, der Manoeuvering Speed Va, sind aber keinerlei 'abrupt and sudden Movements' der Steuerflächen mehr abgedeckt und auf gar keinen Fall ein mehrfaches hin- und herbewegen über die Neutralstellung hinaus in verschiedene Richtungen, was bei dem A306 der AA der Fall war.

ist es so ohneweiteres möglich gegen das 'Popometer' zu fliegen (ich vergleich das mal mit dem Autofahren und nicht zu starkem bremsen wenn die Fahrbahn rutschig ist oder abrupten Lenkbewegungen, um auszuweichen. Ein Durchschnittsautofahrer ist sicherlich nicht so trainiert wie ein Pilot, aber ich denke mal, wenn es so ohneweiteres möglich wäre, solche reflexartigen Eingaben zu vermeiden, hätte man sich technische Lösungen wie 'Stabilitätscontroll' oder 'ABS' sparen können).

Als Verkehrspilot ist man dazu konditioniert, das Steuerhorn nur mit 2 Fingern zu betätigen, was in den meisten Fällen auch absolut ausreichend ist. Passagierkomfort steht weit oben auf der Prioritätenliste. Wenn dann der Wind etwas kräftiger wird, muss man schon mal kräftiger 'rühren', weiß allerdings warum und hat auch Ursache und Wirkung der nötigen Ausschläge immer vor Augen.

In den aerodynamischen Grauzonen - wie es ja auch bei der MD11 offenbar im Anflug eine gibt - liegt die Sache etwas anders, besonders wenn irgendwelche System neben dem Piloten auch noch 'herumwursteln', ähnlich wie beim den FBW-Airbussen wo Mensch und Maschine teilweise gegeneinander arbeiten.

Wie ist das mit dem 'Bounce' ( siehe Air Lanka A 320 ) in der
Zwischenzeit bei Airbus gelöst. Mein letzter Kenntnisstand ist, dass bei o. g. Air Lanka Landung in einer warmen Luftblase nach dem Hochspringen 'designgemäß' (nach Air-Groundlogik, Gas leerlauf, weniger 10ft hoch, alle Räder drehen, ...) die gearmten Störklappen ausfuhren und der Vogel somit mit 3,4g zu Boden fiel.

Die Logik ist nach wie vor unverändert. Einerseits ist es allerdings ein handwerklicher Fehler, die Thrust Lever beim Touchdown nicht auf Idle zu haben (darauf wird in der Doku inzwischen auch ausdrücklich hingewiesen, damals wahrscheinlich noch nicht).

Andererseits gibt es inzwischen eine Recommendation, zur Vermeidung und Recovery von Bounced Landings. Diese wurde aber m.E. eher vor dem Hintergrund erlassen, die Anzahl an Tailstrikes zu reduzieren. Ein solcher ist quasi vorprogrammiert, wenn man versucht nach dem Bounce den zweiten Touchdown durch 'Ziehen' zu entschärfen, da dann meist die Power auf Idle steht und sich die Pitch bei stark rückläufiger Speed dramatisch erhöht.

Wenn solche Einschränkungen (keine abrupten Steuerbewegungen welcher Art auch immer) vorhanden sind, wie oft wird soetwas im Sim trainiert - und gelingt es tatsächlich solche Reflexe 'abzutrainieren?

Selbst die modernsten Simulatoren können nicht für das Fliegen in aerodynamischen Grenzbereichen herhalten. Einerseits gibt das Flight Model das meist nicht sauber her und selbst wenn es das täte, wäre die Illusion nicht annäherd realistisch, da nunmal weder < 1 g (von neg. g ganz zu schweigen) langanhaltend dargestellt werden können wie deutlich > 1g.

Die IFALPA empfiehlt daher die Einführung eines Airplane Upset Recovery Training für Verkehrspiloten, was aus den og. Gründen allerdings im echten Flieger, z.B. einer Kunstflug-Einmot à la Extra300, Pitts o.ä. geflogen werden müsste und daher quasi unbezahlbar ist. Es gibt allerdings private Anbieter und das ganze soll wohl sehr interessant sein.

Gruß MAX
 
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